Stromnetznutzungsentgelt – Darlegungs- und Beweislast bei der Rückforderung

Macht ein Netznutzer geltend, die vom Netzbetreiber vorgenommene Bestimmung des Entgelts für die Nutzung eines Elektrizitätsnetzes sei gemäß § 315 Abs. 3 BGB unwirksam, so kann eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Netzbetreibers nicht auf den Umstand gestützt werden, dass die verlangten Entgelte um rund 9, 75 % höher sind als die genehmigten Entgelte eines darauffolgenden Abrechnungszeitraums.

Stromnetznutzungsentgelt – Darlegungs- und Beweislast bei der Rückforderung

Eein Netznutzer, der die Erstattung gezahlter Nutzungsentgelte verlangt, trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine vom Netzbetreiber nach § 315 BGB vorgenommene Bestimmung des Entgelts nicht der Billigkeit entspricht[1].

Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Netzbetreiber, wenn der Nutzer nur Abschlags- oder Vorauszahlungen in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erbracht[2] oder die Entgelte nur unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprüfung gezahlt hat[3].

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Bereicherungsgläubiger, dem insoweit der Beweis einer negativen Tatsache obliegt, nicht jeden theoretisch denkbaren Rechtsgrund für die erbrachte Leistung ausschließen. Es genügt vielmehr der Beweis, dass der vom Schuldner geltend gemachte Rechtsgrund nicht besteht. Dabei trifft den Schuldner eine erweiterte Behauptungslast, wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während er selbst über derartiges Wissen verfügt und ihm nähere Angaben zumutbar sind. Im Rahmen des Zumutbaren kann von ihm dann insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für die positive Tatsache sprechenden Umstände verlangt werden[4].

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden die Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast keine Anwendung auf die Beweisführung[5]. Selbst eine Pflicht zur Vorlage von Urkunden kann aus diesen Grundsätzen nicht abgeleitet werden, sondern allenfalls aus § 142 ZPO[6].

Die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die für das Jahr 2005 verlangten Entgelte von den genehmigten Entgelten aus dem ab 1.10.2006 geltenden Preisblatt abweichen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen die Ergebnisse der unmittelbar nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 und der Stromnetzentgeltverordnung durchgeführten Genehmigungsverfahren zwar bei der Billigkeitskontrolle der zuvor verlangten Entgelte herangezogen werden, weil sie auf den Unternehmensdaten des Jahres 2004 und damit auf einer zeitnahen und auch für angrenzende Jahre brauchbaren Beurteilungsgrundlage beruhen[7]. Dies gilt indes nur für die gerichtliche Bestimmung des Entgelts gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und setzt somit voraus, dass die Unbilligkeit der vom Netzbetreiber getroffenen Bestimmung feststeht.

Die Annahme, wenn die Genehmigung der Entgelte ein Indiz für die Billigkeit der Festsetzung bilde, begründe eine Abweichung von den genehmigten Entgelten ein Indiz für die Unbilligkeit, ist nicht tragfähig. Sie beruht auf der Prämisse, nur ein einziges Entgelt könne der Billigkeit entsprechen. Diese Prämisse ist unzutreffend.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Juli 2014 – KZR 27/13

  1. BGH, Urteil vom 05.02.2003 – VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5, 8 f.[]
  2. BGH, Urteil vom 18.10.2005 – KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 343 – Stromnetznutzungsentgelt I[]
  3. BGH, Urteil vom 20.07.2010 – EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 26 ff. – Stromnetznutzungsentgelt IV; Urteil vom 15.05.2012 – EnZR 105/10, RdE 2012, 382 Rn. 33 – Stromnetznutzungsentgelt V[]
  4. BGH, Urteil vom 05.02.2003 – VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5, 9[]
  5. BGH, Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 18[]
  6. BGH, Urteil vom 26.06.2007 – XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn. 16[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2010 EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 43 – Stromnetznutzungsentgelt IV[]