Energiesteuer – und das Entstehen des Entlastungsanspruchs

Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung in § 51 Abs. 1 EnergieStG ist die Entstehung der Energiesteuer für das verwendete Energieerzeugnis nicht ausreichend. Der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 EnergieStG entsteht mit der Verwendung des von einem Lieferer in der Regel gegen Rechnung bezogenen Energieerzeugnisses und ist nicht von der Festsetzung und Entrichtung der für das bezogene Energieerzeugnis entstandenen Energiesteuer abhängig.

Energiesteuer – und das Entstehen des Entlastungsanspruchs

Nach § 51 Abs. 1 EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag für Energieerzeugnisse gewährt, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 10, Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4a EnergieStG versteuert und zu den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden sind. Im Streitfall ist die Verwendung des von der Klägerin bezogenen Erdgases zu steuerbegünstigten Zwecken unstreitig. Zu entscheiden ist lediglich über die Frage, ob im Zeitpunkt der Antragstellung die einjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit der Folge bereits abgelaufen war, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 47 AO erloschen ist, so dass ein nachträglicher Entlastungsantrag nicht mehr mit Erfolg gestellt werden konnte.

Ein nach § 51 Abs. 1 EnergieStG entstandener Entlastungsanspruch kann nach § 45 EnergieStG durch Erlass, Erstattung oder Vergütung der Steuer erfüllt werden. In den Fällen der Vergütung nach § 51 Abs. 1 EnergieStG steht der Entlastungsanspruch demjenigen zu, der, ohne selbst Steuerschuldner bzw. Anmelder der Steuer sowie evtl. Adressat entsprechender Steuerbescheide zu sein, vorversteuerte Energieerzeugnisse von einem Lieferer bezogen und verwendet hat und dadurch zum eigentlichen Belastungsträger geworden ist (§ 51 Abs. 2 EnergieStG). Die Gewährung einer Vergütung kommt jedoch nicht mehr in Betracht, wenn Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Auf die Festsetzung einer Steuervergütung finden nach § 155 Abs. 4 AO die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sinngemäße Anwendung. Für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), wobei die Frist nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs zu laufen beginnt, in dem die Steuer entstanden ist. Lediglich für die Fälle, in denen eine Steueranmeldung für Erdgas und Strom abzugeben ist, enthält § 170 Abs. 2 Satz 2 AO eine abweichende Regelung, die im Streitfall allerdings keine Anwendung finden kann, weil es in das Belieben des Entlastungsberechtigten gestellt ist, ob er die Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen will und er somit zur Abgabe einer Steueranmeldung nicht verpflichtet ist[1]. Demnach beginnt die Festsetzungsfrist bei nach § 51 Abs. 1 EnergieStG geltend gemachten Vergütungsansprüchen mit Ablauf desjenigen Jahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden ist[2].

Um insbesondere Vergütungsansprüche für steuerfrei bezogene Energieerzeugnisse auszuschließen, enthält die Entlastungsregelung des § 51 Abs. 1 EnergieStG -wie auch andere strom- und energiesteuerrechtliche Entlastungstatbestände- das Merkmal, dass eine Steuerentlastung (nur) für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse gewährt wird. In Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal ist dem EnergieStG keine Definition zu entnehmen, so dass eine Deutung des Begriffs der Versteuerung geboten ist, die sich an dem Sinn und Zweck der Entlastungsregelung orientiert. Nicht ausreichend für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist die Entstehung der Steuer. Denn nur aufgrund der Erfüllung eines Steuerentstehungstatbestandes, z.B. auch durch eine unrechtmäßige Entnahme von Energieerzeugnissen oder Strom in den steuerrechtlich freien Verkehr, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Erzeugnisse buchmäßig erfasst worden sind, so dass eine ordnungsgemäße Versteuerung gewährleistet werden kann. Vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die die Steuerentstehung verifizieren.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts München[3] ist der Begriff der Versteuerung nicht dahin auszulegen, dass es eines die Energiesteuer festsetzenden Steuerbescheids bzw. der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Lieferer oder gar der Entrichtung der Energiesteuer bedarf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der vergütungsberechtigte Verwender in der Regel nicht in der Lage ist, die Anmeldung und Entrichtung der Steuer durch den Steuerschuldner, z.B. durch Vorlage von Kopien der Steueranmeldungen und Belegen über geleistete Vorauszahlungen, selbst nachzuweisen. Die Vorlage solcher Dokumente wird in § 95 EnergieStV auch nicht verlangt. Gefordert wird in § 95 Abs. 4 EnergieStV lediglich die Führung eines buchmäßigen Nachweises. Aus der betrieblichen Dokumentation müssen sich die Art, die Menge, die Herkunft und der genaue Verwendungszweck der Energieerzeugnisse ergeben. Da ihm ein Zugriff auf die eigentlichen Besteuerungsunterlagen verwehrt ist, bleibt dem Antragsteller als Mittel der Glaubhaftmachung der Versteuerung nur die Vorlage von Rechnungen, aus denen der Bezug versteuerter Energieerzeugnisse ersichtlich ist[4]. Zur Glaubhaftmachung der Versteuerung sieht das amtliche Formular Nr. 1115 (Antrag auf Steuerentlastung für bestimmte Prozesse und Verfahren) die Vorlage entsprechender Versteuerungsnachweise nicht vor.

Die Entstehung des Vergütungsanspruchs kann nicht von der Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Lieferer abhängig gemacht werden. Der Entlastungsanspruch entsteht vielmehr bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Energieerzeugnisses, wobei unterstellt werden kann, dass in diesem Zeitpunkt die vom Lieferer nach § 79 Abs. 2 EnergieStV zu führenden Aufzeichnungen ausreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs bieten. Würde vom Verwender der Nachweis der Steuerfestsetzung oder der Entrichtung der Steuer durch den Lieferer bzw. Versorger gefordert, wäre das energiesteuerrechtliche Entlastungsverfahren nur mit einem erheblichen Aufwand durchführbar und kaum praktikabel. Nahezu ausgeschlossen wäre die nach § 95 Abs. 2a Satz 2 EnergieStV eröffnete Möglichkeit einer unverzüglichen Steuerentlastung. Das Ziel des Gesetzgebers, eine möglichst zeitnahe Entlastung desjenigen Verwenders zu gewährleisten, der durch die Zahlung des Kaufpreises als eigentlicher Belastungsträger in Anspruch genommen wird, könnte nicht mehr erreicht werden. Der Begriff der Versteuerung bedarf daher einer Auslegung, die den Zielen des Gesetzgebers und den Interessen der Wirtschaftsbeteiligten gerecht wird. Wie bereits ausgeführt, ist daher auf die Verwendung des Energieerzeugnisses abzustellen, dessen Bezug und Herkunft der Verwender buchmäßig nachzuweisen hat und bei dem davon ausgegangen werden kann, dass es auch in der Dokumentation des Lieferers bzw. Versorgers erfasst worden ist. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf desjenigen Jahres zu laufen, in dem die Energieerzeugnisse durch den Entlastungsberechtigten zu den in § 51 Abs. 1 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden sind. Auf den Realakt der Verwendung des Energieerzeugnisses hat der Verordnungsgeber auch hinsichtlich des Beginns der in § 95 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV normierten Ausschlussfrist abgestellt und insoweit einen Gleichlauf von Festsetzungs- und Antragsfrist erzielt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. September 2016 – VII R 7/16

  1. vgl. Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 170 AO Rz 24[]
  2. BFH, Urteile vom 08.06.2010 – VII R 37/09, BFH/NV 2010, 2122; und vom 12.05.2009 – VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602[]
  3. FG München, Urteil vom 04.02.2016 – 14 K 23/14[]
  4. Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, § 45 EnergieStG Rz 10, und Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG, StromStG, § 45 EnergieStG Rz 4, sowie Jarsombeck, Der Nachweis der Versteuerung bei der Verbrauchsteuerentlastung (Erlass, Erstattung, Vergütung), Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1997, 331, 332, der darauf hinweist, dass sich praktikable und gerechte Ergebnisse nur erzielen lassen, wenn man die ordnungsgemäße Aufnahme in die Buchführung oder Steueranmeldung des Steuerschuldners als Versteuerungstatbestand ausreichen lässt[]