Energiesteuerrechtlicher Entlastungsanspruch für die Herstellung von Kohlenstoffanoden

Es besteht kein energiesteuerrechtlicher Entlastungsanspruch für die Herstellung von Kohlenstoffanoden.

Energiesteuerrechtlicher Entlastungsanspruch für die Herstellung von Kohlenstoffanoden

Nach der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung der Vorschrift wird eine Steuerentlastung auf Antrag für versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes u.a. für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt und mineralischen Düngemitteln zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte verwendet worden sind. Mit dieser Regelung ist Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom[1] in das nationale Energiesteuerrecht umgesetzt worden. Danach gilt die Richtlinie nicht für Verfahren, die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 09.10.1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft[2] unter die NACE-Klasse DI 26 „Verarbeitung nichtmetallischer Mineralien“ fallen (mineralogische Verfahren). Nach der Gesetzesbegründung[3] entsprechen die in § 51 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EnergieStG aufgeführten Prozesse und Verfahren im Wesentlichen den Tätigkeiten, die in den Abteilungen DI 26 und DJ 27 VO Nr. 3037/90 in der am 1.01.2003 geltenden Fassung –NACE Rev.01.1– aufgeführt sind.

Wie der Bundesfinanzhof bereits entschieden hat, sind zur Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG und zur Auslegung der wortgleichen Bestimmung des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG die NACE Rev.01.1 und die Klassifikation der Wirtschaftszweige nebst deren Erläuterungen heranzuziehen[4]. Hinsichtlich der Einordnung von Graphitelektroden, die in Lichtbogenöfen der Stahlindustrie eingesetzt werden, in eine der in § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG a.F. genannten Gruppen ist der BFH davon ausgegangen, dass die Herstellung von Kohle- und Graphitelektroden bereits von der Klasse 31.62 NACE Rev.01.1 erfasst wird. Eine Zuordnung zu einer anderen Klasse, insbesondere zur Klasse 26.25 oder 26.24 NACE Rev.01.1 kommt danach nicht in Betracht. In Bezug auf die Einbeziehung von Waren aus Graphit und anderen Kohlenstoffen in die Begünstigung durch das Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes vom 01.03.2011[5] hat der BFH entschieden, dass der Gesetzgeber mit dieser Änderung keine bloße Klarstellung des von vornherein festgelegten Anwendungsbereichs des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG, sondern –ohne Anordnung einer Rückwirkung– dessen Erweiterung bewirken wollte[6]. Dies gilt gleichermaßen für die wortgleiche Änderung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG. Daraus folgt, dass für die Herstellung von Kohlenstoffanoden nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG keine Energiesteuerentlastung gewährt werden kann, denn solche Produkte wurden von der Vorschrift nicht erfasst.

Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ist auch nicht durch das Beihilferecht der Europäischen Union geboten.

Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, dann mit dem Binnenmarkt unvereinbar, wenn sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es außer Frage, dass selektiv gewährte Energiesteuervergünstigungen unter das Beihilfeverbot fallen[7]. Allerdings gilt das Verbot staatlicher Beihilfen nicht uneingeschränkt. Wie die Regelungen in Art. 107 Abs. 3 und Art. 108 AEUV belegen, können Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Bei der Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen und ihrer Genehmigung steht der Europäischen Kommission ein weiter Ermessensspielraum zu, der für den Bereich der Energiesteuern insbesondere durch die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen vom 01.04.2008[8] konkretisiert wird. Entscheidendes Kriterium für die Einstufung einer staatlichen Maßnahme als Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist die Selektivität der Förderung, die nach der Rechtsprechung des EuGH dann nicht gegeben ist, wenn die Maßnahme zwar einen Vorteil für den Begünstigten darstellt, sie aber durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist[9]. Daher sind nationale Maßnahmen, die eine Vergütung von Energiesteuern gewähren, keine staatlichen Beihilfen, wenn sie allen Unternehmen im Inland unabhängig vom Gegenstand ihrer Tätigkeit gewährt werden[10].

Unter diesen Gesichtspunkten hat die Europäische Kommission die von den Niederlanden geplante Freistellung der Keramikindustrie von der Erdgassteuer insbesondere deshalb als mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe eingestuft, weil nur die Herstellung von Keramikerzeugnissen steuerlich begünstigt werden sollte, nicht jedoch andere mineralogische Verfahren, wie z.B. die Herstellung von Glas oder Zement[11]. Im Hinblick auf die in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich RL 2003/96/EG getroffene Regelung hat die Kommission ausgeführt, dass sich der Ausschluss sämtlicher mineralogischer Verfahren aus dem Anwendungsbereich der Energiesteuerrichtlinie aus gemeinschaftlicher Sicht dadurch erkläre, dass der Brennstoff für das chemische Verfahren, nicht aber als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werde. Eine Steuerbefreiung für die betreffenden Verfahren lasse sich nur rechtfertigen, wenn sie durchweg für alle mineralogischen Verfahren gelte, so dass eine kohärente Behandlung aller mineralogischen Verfahren gewährleistet sei.

Aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der beihilferechtlichen Einschätzung der zuständigen Kommissionsdienststellen besteht weder ein Anlass noch eine Notwendigkeit, den Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG entgegen dem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass die Begünstigung auf alle denkbaren mineralogischen Verfahren ausgedehnt wird. Der Umstand, dass die Mitgliedstaaten von der durch das gemeinschaftliche Energiesteuerrecht eröffneten Möglichkeit zur steuerlichen Begünstigung mineralogischer Verfahren nur unter Beachtung der beihilferechtlichen Vorgaben Gebrauch machen können, kann nicht dazu führen, dass Wirtschaftsbeteiligten aufgrund einer nur punktuellen Umsetzung des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich RL 2003/96/EG ein unmittelbarer Anspruch auf eine in den nationalen Vorschriften ausdrücklich nicht angelegte Steuerbefreiung gewährt werden müsste. Die vom nationalen Gesetzgeber getroffene Maßnahme könnte sich allenfalls als unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten unionsrechtswidrig darstellen, so dass sie zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustandes entweder aufgehoben oder durch eine entsprechende Änderung der nationalen Bestimmungen auf alle mineralogischen Verfahren ausgedehnt werden müsste. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG mit Wirkung zum 01.04.2011 auf Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen belegt, dass sich Deutschland für die zuletzt genannte Alternative entschieden hat. Aufgrund der Wahlmöglichkeit des nationalen Gesetzgebers lässt sich weder aus den vor der Gesetzesänderung getroffenen Regelungen noch aus den Bestimmungen der RL 2003/96/EG ein unmittelbarer Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Steuerbefreiung ableiten. Entgegen seinem insoweit eindeutigen Wortlaut kann § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG auch nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass bereits vor der Gesetzesänderung sämtliche mineralogische Verfahren der NACE-Klasse DI 26 begünstigt gewesen sind. Wie bereits ausgeführt, kann die Beachtung des gemeinschaftlichen Beihilferechts allenfalls zur nachträglichen Aufhebung einer vom Gesetzgeber unter Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV getroffenen und von der Kommission beanstandeten Maßnahme, nicht jedoch zur Gewährung einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und vom gemeinschaftlichen Energiesteuerrecht auch nicht gebotenen Steuerbefreiung führen.

Eine Vergütung der Energiesteuer nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG kommt deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin das Erdgas nicht für die Metallerzeugung eingesetzt hat.

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG wird eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse gewährt, die für die Metallerzeugung und –bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von Metallerzeugnissen für die Herstellung von Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen Erzeugnissen und zur Oberflächenveredelung und Wärmebehandlung verwendet worden sind. Nach den Feststellungen des Finanzgericht hat die GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, ausschließlich Kohlenstoffanoden hergestellt. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, dass es sich bei diesem Herstellungsprozess, bei dem insbesondere Petrolkoks und Pech eingesetzt wird, nicht um die Erzeugung oder Bearbeitung von Metallen handelt. Die Frage, ob die Herstellung von Kohlenstoffanoden als Herstellung von Vorprodukten im Rahmen eines Prozesses zur Aluminiumerzeugung angesehen werden kann, bedarf keiner Beantwortung. Denn im Gegensatz zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG wird die Herstellung von Vorprodukten in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG nicht erwähnt, so dass eine Begünstigung von Vorprodukten bereits aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass sich die Befreiung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG nicht auf Vorprodukte bezieht, die in der NACE-Klasse DI 26 nicht aufgeführt sind[12]. Somit kommt nach dieser Bestimmung eine Begünstigung von Vorprodukten allenfalls dann in Betracht, wenn im selben Unternehmen zugleich in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a genannte Endprodukte hergestellt werden. Selbst wenn der Begünstigungstatbestand des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG Vorprodukte erfasste und sich die Rechtsprechung des BFHs auf ihn übertragen ließe, könnte die Klägerin deshalb keine Steuerentlastung beanspruchen, weil die GmbH nach den Feststellungen des Finanzgericht kein von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG begünstigtes Endprodukt hergestellt hat.

Schließlich wird das zur Herstellung von Kohlenstoffanoden eingesetzte Erdgas nicht bei einem Prozess in der Metallindustrie i.S. von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 3. Anstrich RL 2003/96/EG verwendet, so dass sich aus dieser Bestimmung kein unmittelbarer Entlastungsanspruch ableiten lässt. Vielmehr ist die Verwendung des Erdgases mit seiner Verbrennung zum Aufheizen eines Ringkammerbrennofens abgeschlossen. Am Prozess der Aluminiumerzeugung haben das Erdgas selbst bzw. seine Bestandteile keinen direkten Anteil. An diesem nimmt lediglich der in den Anoden gebundene Kohlenstoff teil, der sich mit dem Sauerstoff des Aluminiumoxids zu Kohlendioxid verbindet.

Entgegen der Ansicht der Revision kann der als Aktiengesellschaft tätigen Klägerin die wirtschaftliche Tätigkeit der GmbH nicht mit der Folge zugerechnet werden, dass beide Unternehmen energiesteuerrechtlich als eine Einheit angesehen werden müssten. Der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder b EnergieStG steht nur Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 StromStG zu. Nach der in § 2 Nr. 4 StromStG festgelegten Begriffsbestimmung ist als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes die kleinste rechtlich selbständige Einheit anzusehen. Wie der BFH entschieden hat, ist auf eine rein formale Betrachtungsweise und damit auf das prägende Merkmal der Selbständigkeit abzustellen[13]. Im Hinblick auf das zur Herstellung der Kohlenstoffanoden eingesetzte Erdgas wäre somit nur die GmbH entlastungsberechtigt gewesen, die im Streitjahr selbständig tätig und noch nicht mit der Klägerin verschmolzen war. Aus diesem Grund ist die Klage zunächst von der GmbH erhoben worden, die ihre Rechte unabhängig von der Klägerin verfolgte. Daraus folgt, dass die Klägerin das von der GmbH verwendete Erdgas energiesteuerrechtlich nicht zur eigenen Metallerzeugung einsetzen konnte, weshalb ihr im Streitjahr ein Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG nicht zustand.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. August 2012 – VII R 35/11

  1. ABL.EU Nr. L 283/51[]
  2. ABl.EG Nr. L 293/1[]
  3. BT-Drs. 16/1172, S. 44[]
  4. BFH, Urteile in BFHE 231, 443, ZfZ 2011, 23, und vom 09.08.2011 – VII R 74/10, BFHE 235, 81, ZfZ 2011, 331[]
  5. BGBl I 2011, 282[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 235, 81, ZfZ 2011, 331[]
  7. Kirchhof, Nationale Steuerermäßigungen und europäisches Beihilfeverbot, ZfZ 2006, 246, 247, m.w.N.[]
  8. ABl.EU Nr. C 82/1[]
  9. EuGH, Urteil vom 17.06.1999 – C-75/97, Slg. 1999, I-3671, Rz 33[]
  10. EuGH, Urteil vom 08.11.2001 – C-143/99, Slg. 2001, I-8365[]
  11. Kommission, Beschluss vom 15.12.2009 über die von den Niederlanden geplante Beihilfemaßnahme Umweltsteuerbefreiung für die Keramikindustrie – C-5/09 (ex N 210/08), ABl.EU 2010 Nr. L 186/32[]
  12. BFH, Urteil in BFHE 231, 443, ZfZ 2011, 23[]
  13. BFH, Urteil vom 30.11.2004 – VII R 41/03, BFHE 208, 361, ZfZ 2005, 168[]