Antragsfristen und Ausschlussfristen im EEG

§ 16 Abs. 1 EEG 2004 regelt für den Antrag eines Stromnetzbetreibers auf Strommengenbegrenzung eine materiellrechtliche Ausschlussfrist und gilt für sämtliche Nachweise im Sinne von § 16 Abs. 2 EEG 2004, auch diejenigen, die das Elektrizitätsversorgungsunternehmen auf Antrag des Unternehmens beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vorzulegen hat. Nachsicht zu gewähren, weil die versäumte materiellrechtliche Ausschlussfrist auf Umständen „höherer Gewalt“ beruht, kommt jedenfalls nicht schon wegen einer Postlaufverzögerung von zwei auf den Einlieferungstag folgenden Werktagen in Betracht.

Antragsfristen und  Ausschlussfristen im EEG

Bei der in Rede stehenden Frist handelt es sich um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, die nach dem Gesetzeswortlaut für den Antrag und sämtliche Antragsunterlagen nach § 16 Abs. 2 EEG 2004 gilt, die bei dem Bundesamt einzureichen sind, also auch für die Angaben des Energieversorgungsunternehmens und des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004. Eine Eingrenzung der Fristbestimmung auf diejenigen Unterlagen, die nur von Antragstellerseite vorzulegen sind, ist nicht vorzunehmen.

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist der Antrag auf Begrenzung der Strommenge aus erneuerbaren Energien (§ 16 Abs. 1 EEG 2004) einschließlich der vollständigen Unterlagen nach Absatz 2 jeweils zum 30.06.des laufenden Jahres zu stellen. Die Begrenzung darf bei einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes nur erfolgen, soweit es nachweist, dass und inwieweit im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr die Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 anteilig an das Unternehmen weitergereicht und von diesem selbst verbraucht worden ist und das Unternehmen hierfür Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 entrichtet hat (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind auf Antrag des Unternehmens verpflichtet, dem Bundesamt unverzüglich die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten einschließlich der für die Berechnung der Differenzkosten zugrunde gelegten Daten durch Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr nachzuweisen. Der Nachweis der Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 3 sowie der Differenzkosten erfolgt durch Vorlage der Bescheinigung (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 EEG 2004).

Bei der in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 geregelten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Daraus folgt, dass der Antrag auf Strommengenbegrenzung nach ihrem Ablauf nicht mehr wirksam gestellt oder vervollständigt werden kann, weil ein eventueller Anspruch erloschen ist. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes, den Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der Regelung. Der Klammerzusatz „Ausschlussfrist“ in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 verdeutlicht diese materielle Präklusion. Von der Einhaltung der Frist gibt es keine Ausnahmen. Die Behörde soll weder die Frist verlängern noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren können[1]. Die Ausschlussfrist soll es dem Bundesamt ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten und vor ihrem Inkrafttreten zu Jahresbeginn zu versenden, damit sie dann in den weiteren Ausgleich gemäß § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004 einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden können. Damit soll den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden[2]. Alle Anträge sollen zum selben Zeitpunkt auf derselben Datenbasis beschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregel sicherzustellen.

Sinn und Zweck der Vorschrift sind auch nicht mit der Aufhebung der so genannten Deckelungsregelung in § 16 Abs. 5 EEG 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 07.11.2006 zum 1.12 2006 entfallen. Auch wenn die EEG-Kosten im nichtprivilegierten Bereich seither um mehr als 10 % steigen durften[3], muss gemäß § 16 Abs. 1 EEG 2004 weiter sichergestellt sein, dass die Begrenzung die Ziele des EEG nicht gefährdet und mit den Interessen der Gesamtheit der Stromverbraucher vereinbar ist (vgl. § 40 Abs. 1 EEG 2009). Erforderlich ist damit nach wie vor eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen der Gesamtheit aller Begrenzungsentscheidungen auf der Grundlage einer einheitlichen Datenbasis. Das ist nur mit einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist erreichbar, in die keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung möglich ist.

Die Ausschlussfrist erfasst auch die von dem Energieversorgungsunternehmen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegenden Nachweise für die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig an das Unternehmen weitergereichte und von diesem selbstverbrauchte Strommenge und die hierfür entrichteten Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004, die durch die Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zu erbringen sind. Zur Erfüllung der Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 ist das Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, unverzüglich dem Bundesamt die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegen. Der Gesetzgeber differenziert damit zwischen der fristgebundenen Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens einerseits und der Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zur unverzüglichen Vorlage andererseits. Diese Letztere besteht nur dem antragstellenden Unternehmen, nicht jedoch dem Bundesamt gegenüber[4]. Gehen die Nachweise aber verspätet ein, ist dies dem Antragsteller zuzurechnen.

Dass die Ausschlussfrist sämtliche Antragsunterlagen erfasst, wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Nachweisführung bestätigt. Die Vorgängerregelung in § 11a Abs. 2 Satz 2 Erstes Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 16.07.2003[5] verpflichtete die Energieversorgungsunternehmen, den erforderlichen Nachweis gegenüber dem antragstellenden Unternehmen zu erbringen. Diese Verpflichtung wurde mit der Neuregelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 durch die Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens ersetzt, die erforderliche Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers unmittelbar an das Bundesamt weiterzuleiten. Damit sollte die Nachweispflicht nicht auf die Elektrizitätsunternehmen verlagert, sondern nur verhindert werden, dass das antragstellende Unternehmen anhand der Bescheinigung Einblick in die Kalkulationsunterlagen des Energieversorgungsunternehmens erhält und dieses Geschäftsgeheimnisse preisgeben muss[6], EEG, Aufl.2010, § 43 Rn. 5)).

Die Ausgestaltung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 als materielle Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgegangen. Die Norm verstößt nicht gegen die Berufs- und die Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), auf die sich die Klägerin als juristische Person des Privatrechts im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nach Art.19 Abs. 3 GG berufen kann. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.

Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisten die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Sie schützen weder gegen rechtliche Regeln, die diese Bedingungen herstellen, ausgestalten und sichern, noch gegen Beeinflussung wettbewerbsrelevanter Faktoren. Zwar kann ein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegen, wenn eine Regelung die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu Lasten bestimmter am Wettbewerb teilnehmender Adressaten verändert und dadurch deren berufliche Betätigung erheblich beeinträchtigt[7]. Das trifft auf § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 aber nicht zu. Die materielle Ausschlussfrist definiert Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, indem sie die Privilegierung stromintensiv produzierender Unternehmen gegenüber den sonstigen Endverbrauchern an verfahrensrechtliche Voraussetzungen knüpft. Innerhalb der Gruppe der Privilegierten gewährleistet sie die Wettbewerbsneutralität der Begrenzungsentscheidungen.

Die Regelung der Ausschlussfrist ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Benachteiligung von Antragstellern, die die Frist versäumt haben, gegenüber Antragstellern, deren Anträge und Nachweise fristgerecht vollständig vorgelegt wurden, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig.

Die mit der materiellrechtlichen Ausschlussfrist einhergehende Benachteiligung von stromintensiven Unternehmen, die nicht innerhalb der Frist die erforderlichen Unterlagen einreichen, im Verhältnis zu denjenigen Antragstellern, denen außerhalb des Regelungsbereichs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, ist wegen besonderer Gründe sachlich gerechtfertigt. Die Ausschlussfrist soll gewährleisten, dass alle Anträge vor Jahresende auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet werden. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen bezüglich der Entlastung durch die besondere Ausgleichsregelung geschaffen[8] und für die Übertragungsnetzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen Rechtssicherheit hergestellt. Zeitliche Verschiebungen, die infolge einer Prüfung von Wiedereinsetzungsanträgen aufträten, und spätere Begrenzungsentscheidungen hätten auch eine Beeinträchtigung des horizontalen Belastungsausgleichs der Übertragungsnetzbetreiber untereinander zur Folge (vgl. § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004).

Die materiellrechtliche Ausschlussfrist ist geeignet und erforderlich, um die mit der Begrenzungsentscheidung verfolgten Ziele zu erreichen. Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, die nur überschritten ist, wenn seine Erwägungen nicht schlüssig sind und deswegen offensichtlich keine Grundlage für eine angegriffene Maßnahme sein können[9]. Ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen[10]. Ein ebenso wirksames, weniger eingreifendes Mittel, die verfolgten Ziele zu erreichen, stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, eine zeitgerechte Bescheidung aller Anträge auf einheitlicher Datengrundlage und eine rechtzeitige Beurteilung der Folgen der Begrenzungen sei auch mit einer wiedereinsetzungsfähigen Verwaltungsfrist zu gewährleisten. Ließe man in den Fällen einer Fristversäumung die Wiedereinsetzung zu, würde dies zu zeitlichen Verzögerungen führen, die infolge der Prüfung der Wiedereinsetzungsanträge unausweichlich wären, und eine einheitliche Entscheidung zum Jahresende auf einer insgesamt gewonnenen Datenbasis wäre nicht möglich.

Die Ausschlussfrist in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist den privilegierten Unternehmen schließlich auch zumutbar. Zwar geht die materielle Rechtsposition infolge der versäumten Frist verloren, selbst wenn den Antragsteller kein Verschulden trifft. Da den Antragstellern ausreichend Zeit zur Verfügung steht – auch zur Beauftragung der vorlagepflichtigen Energieversorgungsunternehmen – ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Erfordernis abschließender Entscheidung im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit und Rechtssicherheit größeres Gewicht beigemessen hat.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur in Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen[11]. Für den Bereich des Vermögensrechts bei Versäumung der materiellen Ausschlussfristen des § 30a Abs. 1 VermG hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche Ausnahme angenommen, wenn erstens die Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde[12]. Ein behördliches Fehlverhalten der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Beklagte hat in dem der Klägerin bekannten Merkblatt auf die Ausschlussfrist und die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Dieser Hinweis bezog sich auf sämtliche Unterlagen, also auch auf solche, die dem Antrag noch nicht beigefügt oder noch von dritter Seite beizubringen waren. Die Behörde macht zudem in ihrem Internetauftritt und in den Antragsformularen auf die Ausschlussfrist aufmerksam. Hinzu kommt, dass der Klägerin die Besonderheiten des Antragsverfahrens und die beizubringenden Unterlagen aus früheren Verfahren bekannt sein mussten.

Die Klägerin kann einen Anspruch auf Nachsichtgewährung auch nicht aus der Rechtsprechung zur Fristversäumnis aufgrund „höherer Gewalt“ herleiten[13]. Der Begriff der „höheren Gewalt“ ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff „ohne Verschulden“. Er entspricht inhaltlich „Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen“ im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F.[14]. Unter „höherer Gewalt“ wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe – namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung – zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte[15]. Diese Anforderungen sind hier nicht schon wegen der Verzögerung der üblichen Postlaufzeit um zwei Werktage erfüllt.

Die Versendung der Nachweise mit einfachem, am 27.06.2008 zur Post gegebenen Brief wahrte nicht diejenige Sorgfalt, die wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Begrenzungsentscheidung für die Klägerin und des unmittelbar bevorstehenden Ablaufs der Ausschlussfrist als äußerste Sorgfalt vernünftigerweise zu erwarten war. Bei der Konkretisierung der größten vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt ist die Bedeutung der Fristwahrung für den Antragsteller in Rechnung zu stellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je weiter eine Frist ausgenutzt wird[16]. Hier hatte die rechtzeitige Zustellung der Unterlagen für die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Bei Versäumen der Ausschlussfrist verlor sie einen etwaigen Anspruch auf Strommengenbegrenzung in sechsstelliger Höhe und erlitt schwerwiegende Wettbewerbsnachteile. Schon deshalb war von ihr bei größter Sorgfalt zu erwarten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen fristgerechten Zugang der Nachweise sicherzustellen. Gleiches gilt für das Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die Wirtschaftsprüfergesellschaft, die jeweils zur Erfüllung der Nachweispflicht der Klägerin handelten und deren Verhalten ihr insoweit zuzurechnen war[17]. Wegen der Bedeutung der Fristwahrung und wegen des gesetzlichen Ausschlusses einer Wiedereinsetzung waren bei Anwendung größter Sorgfalt Vorkehrungen dagegen zu erwarten, dass Hindernisse, mit denen nach Lage der Dinge zu rechnen war, die Fristwahrung vereitelten. Als Hindernisse waren auch mögliche Postlaufverzögerungen unmittelbar vor Fristablauf in Betracht zu ziehen, da zum Fristende – wie die Feststellungen der Vorinstanz zur unübersehbaren Menge der Eingänge bestätigen – mit einem Vielfachen des üblichen Postaufkommens bei der Beklagten zu rechnen war. Verzögerungen gegenüber der sonst üblichen Postlaufzeit um ein bis zwei Werktage waren unter diesen Umständen auch bei ordnungsgemäß adressierten und frankierten Sendungen nicht auszuschließen. Der Absender der Nachweise durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass diese der Beklagten bei Versendung als einfacher Brief am Freitag, dem 27.06.2008, innerhalb der üblichen Postlaufzeiten von ein bis zwei Werktagen bis spätestens Montag, den 30.06.2008 zugehen würden.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 2 Nr. 3 der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15.12 1999[18] in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 07.07.2005[19], auf die sich die Klägerin beruft. § 2 Nr. 3 Satz 2 PUDLV verpflichtet die Universaldienstleister im Bereich der Briefbeförderung, von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen – mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen – im Jahresdurchschnitt mindestens 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag auszuliefern. Ein Restbestand von 5 % ist ausgenommen für – vom Dienstleister – nicht vorhersehbare und vermeidbare Verzögerungen des Postlaufs. Bei diesen Zielvorgaben handelt es sich schon wegen der Restquote von 5 % weder um eine Garantie, noch wird gegenüber dem Kunden ein Vertrauenstatbestand geschaffen.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Postlaufverzögerungen betrifft keine materielle Ausschlussfrist und ist deshalb nicht einschlägig. Ob bei dem Verlust der Nachweise auf dem Postweg ein Fall höherer Gewalt vorläge[20], ist hier nicht zu entscheiden, da die Unterlagen der Beklagten zugegangen sind.

Wären die nach den Umständen zu erwartenden Vorkehrungen gegen eine geringfügige Verzögerung der üblichen Postlaufzeit für einfache Schreiben getroffen worden, wäre die Fristversäumnis vermeidbar gewesen. So hätten die Nachweise ohne Weiteres per Expresssendung oder noch am 30.06.2008, als die Beklagte den rechtzeitigen Eingang nicht bestätigen konnte, vor Fristablauf per Boten übermittelt werden können. Bei keiner der beiden Alternativen standen die erforderlichen Aufwendungen außer Verhältnis zur Abwendung des drohenden Anspruchsverlusts und seiner wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 10. Dezember 2013 – 8 C 24.12 und 8 C 25.12

  1. vgl. BT-Drs. 15/2864 S. 52 und 16/8148 S. 67[]
  2. vgl. BT-Drs. 16/8148 S. 67 zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung des § 43 Abs. 1 EEG 2009[]
  3. vgl. BT-Drs. 16/7119 S. 99[]
  4. vgl. BT-Drs. 15/2864 S. 51[]
  5. BGBl I S. 1459[]
  6. vgl. Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, Aufl.2006, § 16 Rn. 123; Posser/Altenschmidt, in: Frenz/Müggenborg ((Hrsg.[]
  7. BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265; Urteile vom 17.12 2001 – 1 BvL 28, 29, 30/95, BVerfGE 106, 275, 298 f., 303 f.; und vom 20.04.2004 – 1 BvR 1748/99, 905/00, BVerfGE 110, 274, 288; BVerwG, Urteil vom 18.04.1985 – 3 C 34.84, BVerwGE 71, 183, 193 = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11[]
  8. vgl. BT-Drs. 16/8148 S. 67[]
  9. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2004 – 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03, BVerfGE 111, 126, 255; Kammerbeschluss vom 29.09.2010 – 1 BvR 1789/10 18, 21 m.w.N.[]
  10. BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008 – 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05, BVerfGE 122, 151, 182[]
  11. BVerwG, Urteil vom 28.03.1996 – 7 C 28.95, BVerwGE 101, 39, 45 = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 2[]
  12. BVerwG, Urteil vom 28.03.1996 a.a.O.[]
  13. zu dieser vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 – 3 C 27.03, BVerwGE 121, 10, 13 = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr.196; Beschluss vom 24.04.2013 – 8 B 81.12 12; § 60 Abs. 3, § 58 Abs. 2 VwGO, § 32 Abs. 3 VwVfG[]
  14. vgl. BVerwG, Urteile vom 11.06.1961 – 6 C 56.65, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 54; vom 24.02.1966 – 2 C 45.64, Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 1; vom 11.05.1979 – 6 C 70.78, BVerwGE 58, 100 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 106; und vom 13.01.1987 – 9 C 259.86, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6[]
  15. BVerfG, Beschluss vom 16.10.2007 – 2 BvR 51/05 – NJW 2008, 429; BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 – 8 C 38.95, Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr. 2[]
  16. BGH, Urteil vom 18.03.1953 – II ZR 182/52 – BGHZ 9, 118, 120 ff. 11[]
  17. vgl. Salje, EEG, 4. Aufl.2007, § 16 Rn. 137[]
  18. BGBl I S. 2418[]
  19. BGBl I S.1976[]
  20. vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.11.2002 – 8 B 112.02, Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17[]