Die Anzahlung auf ein Blockheizkraftwerk

Für den Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung kommt es darauf an, dass der Gegenstand der späteren Lieferung aus Sicht des Anzahlenden genau bestimmt ist und die Lieferung daher aus seiner Sicht sicher erscheint. Es ist unionsrechtskonform, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 UStG eine Rückzahlung voraussetzt.

Die Anzahlung auf ein Blockheizkraftwerk

Damit reagiert der Bundesfinanzhof auf eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, das auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs in dieser Sache ergangen ist[1]. Darin hatte der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden:

  1. Die Art. 65 und 167 der Richtlinie 2006/112/EG … sind dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren das Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich der Leistung einer Anzahlung dem potenziellen Erwerber der betreffenden Gegenstände nicht versagt werden darf, wenn diese Anzahlung geleistet und vereinnahmt wurde und zum Zeitpunkt dieser Leistung alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als dem Erwerber bekannt angesehen werden konnten und die Lieferung dieser Gegenstände daher sicher erschien. Dem Erwerber darf ein solches Recht jedoch versagt werden, wenn anhand objektiver Umstände erwiesen ist, dass er zum Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher war.
  2. Die Art. 185 und 186 der Richtlinie 2006/112 sind dahin auszulegen, dass sie unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegenstehen, nach denen die Berichtigung des Vorsteuerabzugs hinsichtlich einer für die Lieferung eines Gegenstands geleisteten Anzahlung voraussetzt, dass diese Anzahlung vom Lieferer zurückgezahlt wird.

Der Bundesfinanzhof hat bereits für einen Parallelfall den Vorsteuerabzug ohne Berichtigungsverpflichtung bejaht[2]. Dies bestätigt der Bundesfinanzhof nun nochmals:

Die Anzahlung berechtigte den Besteller zum Vorsteuerabzug.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG).

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG beruht auf Art. 167 und Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 65 MwStSystRL. Gemäß Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, ist das gemäß Art. 65 MwStSystRL zum Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts der Fall.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug auf eine Zahlung vor Ausführung der Umsätze gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG sind erfüllt. Der Besteller hat die geforderte Anzahlung für das bestellte Blockheizkraftwerk geleistet. Darüber hinaus lag dem Besteller eine Rechnung über die (künftige) Lieferung eines Blockheizkraftwerks i.S. von § 14 Abs. 5 Satz 1 UStG vor, die den Anforderungen an die Rechnungsangaben nach § 14 Abs. 4 UStG genügt.

Auch die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Bedingung, dass der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung „sicher“ sein muss, liegt vor. Maßgeblich ist hierfür, ob im Zeitpunkt der Anzahlung alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands bereits bekannt sind, so dass der Gegenstand der Lieferung genau bestimmt ist[3].

Im Streitfall waren maßgebliche Elemente der künftigen Lieferung des Blockheizkraftwerks, wie etwa Kaufgegenstand und Kaufpreis, festgelegt[4].

Unerheblich ist, dass von Anfang an feststand, dass es nicht zur Lieferung des Blockheizkraftwerks kommen würde. Denn der Vorsteuerabzug aus einer[5] Anzahlungsrechnung hängt nicht davon ab, ob der Zahlungsempfänger im Zahlungszeitpunkt die Leistung objektiv erbringen kann und ob er das will. Maßgeblich ist, ob anhand objektiver Umstände erwiesen ist, dass der[5] Anzahlende zum Zeitpunkt der Zahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung der Lieferung oder Erbringung der Dienstleistung ungewiss ist[6].

Auf einen nach außen nicht offengelegten geheimen Vorbehalt (vgl. § 116 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) des Anzahlungsempfängers kommt es somit nicht an. Daher ist entgegen der Auffassung des Finanzamt nicht die innere Absicht zur Leistungserbringung, sondern die gegenüber dem Anzahlenden nach außen geäußerte Absicht zur Leistungserbringung das entscheidende Merkmal für den Vorsteuerabzug[7].

Diese Empfängersicht ist entgegen Reiß[8] auch für die Frage maßgeblich, ob der Anzahlungsempfänger als Unternehmer handelt. Daher handelt es sich entgegen der Auffassung des Finanzamt nicht um einen unberechtigten Steuerausweis i.S. von § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, für den der Vorsteuerabzug mangels gesetzlicher Steuerschuld für eine Leistung nicht in Anspruch genommen werden kann. Denn ist eine Unsicherheit über die ausstehende Leistungserbringung aus Empfängersicht zu verneinen, entsteht die Steuer aufgrund der Zahlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG (Art. 65 MwStSystRL) und berechtigt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG (Art. 167 MwStSystRL) zum Vorsteuerabzug[9].

Entgegen den Einwendungen des Finanzamt ist im Streitfall nicht anhand objektiver Umstände erwiesen, dass der Besteller bei der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung der für die Anzahlung versprochenen Lieferung unsicher war. Insoweit ist vielmehr davon auszugehen, dass sich Unternehmer nicht wissentlich betrügen lassen, indem sie für Leistungen, die dann nicht erbracht werden, Zahlungen leisten, und dass unrealistische Rentabilitätsberechnungen nichts darüber aussagen, ob bestellte Blockheizkraftwerke später mit einem verminderten Leistungsgrund geliefert und genutzt werden, zumal auch wirtschaftlich unvernünftige Entscheidungen immer wieder im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit getroffen werden[10]. Letzteres verkennt Mayer[11], die bei ihrer Kritik an dem BFH, Urteil in BFHE 263, 359 entgegen den Vorgaben des EuGH auf die Sicht des Leistenden und damit des Anzahlungsempfängers abstellt.

Schließlich kommt es auch nicht auf die Überlegungen des Finanzamt zur Steuerhinterziehung durch den Anzahlungsempfänger an, da eine derartige Straftat nach den Feststellungen des Finanzgericht nicht vorliegt.

Der Besteller hat den Vorsteuerabzug nicht nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen.

Nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 UStG ist der Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL. Danach erfolgt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs insbesondere, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten. Gemäß Art. 186 MwStSystRL legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Anwendung dieser Bestimmung fest.

Der Bundesfinanzhof hält an seiner Rechtsprechung fest, nach der die Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 UStG eine Rückzahlung voraussetzt[12].

Dies ist mit dem Unionsrecht vereinbar, da es nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen die Berichtigung des Vorsteuerabzugs für eine[5] Anzahlung beim Ausbleiben der Lieferung voraussetzt, dass diese vom Lieferer zurückgezahlt wird[13].

Dabei handelt es sich zum einen bei § 17 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 7 UStG um nationale Rechtsvorschriften, die anordnen, dass Steuer- und Vorsteuerberichtigung bedingungs- und zeitgleich vorzunehmen sind. Ergibt sich daher aus der EuGH-Rechtsprechung, dass die Steuerberichtigung erst mit der Rückzahlung vorzunehmen ist[14], folgt aus diesen Rechtsvorschriften, dass dies ebenso für die Vorsteuerberichtigung gilt. Dies ist dann auch im Rahmen der Steuer- und Vorsteuerberichtigung bei Anzahlungen nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG zu beachten. Soweit sich Reiß[15] gegen eine Vorsteuerberichtigung erst mit Rückzahlung wendet und dabei das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage beanstandet, übersieht er seinerseits den vorstehend beschriebenen Gesetzeszusammenhang.

Zum anderen liegt auf der vorstehend beschriebenen Grundlage eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung[16] vor, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hatte (Abschn. 17.01. Abs. 7 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), so dass auch eine Gepflogenheit i.S. der EuGH-Rechtsprechung zu bejahen ist.

Liegen somit die Voraussetzungen für einen Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht vor, kommt es auf die Überlegungen des Finanzamt, die gegen das Bestehen eines sog. Durchgriffsanspruchs auf der Grundlage des EuGH, Urteils Reemtsma vom 15.03.2007 – C-35/05[17] sprechen könnten, nicht an.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Juli 2019 – V R 9/19 (V R 29/15)

  1. EuGH, Urteil vom 31.05.2018 – C-660/16 und – C-661/16, EU:C:2018:372[]
  2. BFH, Urteil vom 05.12.2018 – XI R 44/14, BFHE 263, 359, Leitsätze 1 und 2[]
  3. EuGH, Urteil Kollroß und Wirtl, EU:C:2018:372, Rz 40 ff., 51[]
  4. vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 263, 359, Rz 47[]
  5. Voraus- oder[][][]
  6. EuGH, Urteil Kollroß und Wirtl, EU:C:2018:372, Rz 50; vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 263, 359, Rz 48 und 54[]
  7. vgl. hierzu allgemein Wäger, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2017, 41[]
  8. Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuerrecht -MwStR- 2019, 392 ff., 394 f.[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 263, 359, Rz 59[]
  10. vgl. zutreffend Widmann, UR 2019, 264[]
  11. MwStR 2019, 400 ff., 403[]
  12. Urteile vom 02.09.2010 – V R 34/09, BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991, Leitsatz 1 und Rz 21; vom 08.09.2011 – V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, Rz 27; vom 15.09.2011 – V R 36/09, BFHE 235, 507, BStBl II 2012, 365, Leitsatz und Rz 23[]
  13. EuGH, Urteil Kollroß und Wirtl, EU:C:2018:372, Rz 69; vgl. hierzu BFH, Urteil in BFHE 263, 359, Rz 71[]
  14. EuGH, Urteil Freemans vom 29.05.2001 – C-86/99, EU:C:2001:291, und hierauf bezugnehmend BFH, Urteile in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991, und in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991[]
  15. MwStR 2019, 392 ff., 395 ff.[]
  16. BFH, Urteile in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991; in BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, und in BFHE 235, 507, BStBl II 2012, 365, Leitsatz und Rz 23[]
  17. EU:C:2007:167[]