Tabuzonen bei der Kon­zen­tra­ti­ons­flä­chen­pla­nung für Wind­ener­gie­an­la­gen

Schei­det ein Trä­ger der Re­gio­nal­pla­nung bei der Kon­zen­tra­ti­ons­flä­chen­pla­nung für Wind­ener­gie­an­la­gen „harte“ und „wei­che“ Ta­bu­zo­nen aus dem Kreis der für die Wind­ener­gie­nut­zung in Be­tracht kom­men­den Flä­chen (Po­ten­zi­al­flä­chen) aus, muss er sich zur Ver­mei­dung eines Feh­lers im Ab­wä­gungs­vor­gang den Un­ter­schied zwi­schen den bei­den Arten der Ta­bu­zo­nen be­wusst ma­chen und ihn do­ku­men­tie­ren.

Tabuzonen bei der Kon­zen­tra­ti­ons­flä­chen­pla­nung für Wind­ener­gie­an­la­gen

Die Nach­tei­le einer Pla­nung für Plan­un­ter­wor­fe­ne sowie die Tat­sa­che und der mög­li­che Um­fang hier­für zu leis­ten­der Ent­schä­di­gun­gen sind im Rah­men der Ab­wä­gung zu be­rück­sich­ti­gen.

Ent­schä­di­gungs­an­sprü­che nach dem Pla­nungs­scha­dens­recht schei­den aus, wenn mit einer Kon­zen­tra­ti­ons­flä­chen­pla­nung Vor­rang- und Eig­nungs­ge­bie­te (hier: für die Wind­ener­gie­nut­zung) aus einem frü­he­ren Re­gi­ons­plan nicht „weg­ge­plant“ wer­den[1].

Eine planerische Entscheidung zur Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB – hiernach stehen öffentliche Belange u.a. einem Vorhaben zur Nutzung der Windenergie in der Regel entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist – bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts[2]. Um den Anforderungen gerecht zu werden, die an den Abwägungsvorgang zu stellen sind, muss das Konzept nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch die Gründe für die beabsichtigte Freihaltung des übrigen Planungsraums von Windenergieanlagen aufzeigen. Nach der Rechtsprechung des Senats, die das Oberverwaltungsgericht zutreffend referiert hat, vollzieht sich die Ausarbeitung des Planungskonzepts abschnittsweise[3]: In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als „Tabuzonen“ zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Tabuzonen lassen sich in „harte“ und „weiche“ untergliedern[4]. Der Begriff der harten Tabuzonen dient der Kennzeichnung von Teilen des Planungsraums, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung „schlechthin“ ungeeignet sind[5], mit dem Begriff der weichen Tabuzonen werden Bereiche des Gemeindegebiets erfasst, in denen nach dem Willen des Plangebers aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen „von vornherein“ ausgeschlossen werden „soll“[6]. Die Potenzialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird.

Die Auffassung, dass – auf der ersten Stufe des Planungsprozesses – eine Aufschlüsselung in harte und weiche Tabuzonen und deren Dokumentation nicht erforderlich sei, steht mit Bundesrecht nicht im Einklang. Wie der Senat bereits entschieden hat[7], muss sich der Plangeber zur Vermeidung eines Fehlers im Abwägungsvorgang den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden Arten der Tabuzonen nicht demselben rechtlichen Regime unterliegen. Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, auf denen die Windenergienutzung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Sie sind einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Das ändert aber nichts daran, dass sie der Ebene der Abwägung zuzuordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass raumplanerische Gesichtspunkte hier nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die weichen Tabuzonen einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht substanziell Raum schafft[8]. Seine Entscheidung für weiche Tabuzonen muss der Plangeber rechtfertigen. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er – anders als bei harten Tabukriterien – einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offen legen.

Erfolgt dies nicht, ist dieser Mangel im Abwägungsvorgang nach § 12 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ROG nur erheblich, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Offensichtlich ist ein Mangel, wenn er auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und ohne Ausforschung der Entscheidungsträger über deren Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar ist[9]. Auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist der Mangel, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne ihn die Planung anders ausgefallen wäre[10], d.h. vorliegend, dass mehr und/oder größere Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen worden wären. Ob die letztgenannte Voraussetzung erfüllt ist, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Normenkontrollurteil nicht beurteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Planerhaltungsvorschrift – von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent – nicht im Hinblick auf den Mangel der fehlenden Differenzierung zwischen den harten und weichen Tabuzonen geprüft. Das wird es nachzuholen haben. Bejaht es die Erheblichkeit des Abwägungsmangels, wird es außerdem der Frage nachzugehen haben, ob der Mangel nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ROG i.V.m. § 8 Abs. 3 SächsLPlG in der bei Inkrafttreten des Regionalplans 2008 geltenden Fassung wegen Versäumung der Rügefrist unbeachtlich geworden ist.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. April 2013 – 4 CN 2.12

  1. wie BVerwG, Ur­teil vom 27.01.2005 – 4 C 5.04, BVerw­GE 122, 364, 369 f.[]
  2. BVerwG, Urteil vom 13.03.2003 – 4 C 3.02, NVwZ 2003, 1261[]
  3. vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.09.2009 – 4 BN 25.09, BRS 74 Nr. 112[]
  4. BVerwG, Beschluss vom 15.09.2009 a.a.O.[]
  5. vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 – 4 C 15.01, BVerwGE 117, 287, 295, 299[]
  6. vgl. BVerwG, Urteil vom 21.10.2004 – 4 C 2.04, BVerwGE 122, 109, 112[]
  7. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 – 4 CN 1.11, NVwZ 2013, 519[]
  8. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.2008 – 4 CN 2.07, NVwZ 2008, 559, 560[]
  9. BVerwG, Urteil vom 21.08.1981 – 4 C 57.80, BVerwGE 64, 33, 38[]
  10. BVerwG, Beschluss vom 09.10.2003 – 4 BN 47.03, BauR 2004, 1130[]