Ersatzbeschaffung im Gasverteilnetz – als Umstrukturierungsinvestition

Eine bloße Ersatzbeschaffung kann weder im Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV noch im Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV als Umstrukturierungsinvestition bzw. Umstrukturierungsmaßnahme angesehen werden[1]. Eine Ersatzbeschaffung, die zu einer Verbesserung von technischen Parametern führt, ist insoweit als Umstrukturierungsmaßnahme anzusehen, als sie vor Ablauf der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen als üblich anzusehenden Nutzungsdauer erfolgt.

Ersatzbeschaffung im Gasverteilnetz – als Umstrukturierungsinvestition

Maßnahme können nicht bereits dann als Umstrukturierungsmaßnahme im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV angesehen werden, wenn sie in einer bloßen Ersatzbeschaffung besteht.

Nach der Auffassung des Beschwerdegerichts gilt diese Voraussetzung auch für Umstrukturierungsmaßnahmen im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die in § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV aufgeführten Regelbeispiele zwar eine Orientierungshilfe für die Auslegung von § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV bilden. § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV dient aber nicht dazu, den in Satz 1 normierten Grundtatbestand zu modifizieren. Der Vorschrift kommt vielmehr die Funktion zu, den Anwendungsbereich dieses Tatbestandes zu veranschaulichen und die Rechtsanwendung in typischen Konstellationen zu vereinfachen[2]. Dies hat zum einen zur Folge, dass der Tatbestand von § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV nicht im Hinblick auf einzelne Regelbeispiele um Voraussetzungen ergänzt werden darf, die dort nicht vorgesehen sind[2]. Zum anderen darf ein sowohl in Satz 1 als auch in Satz 2 verwendeter Begriff grundsätzlich nicht unterschiedlich ausgelegt werden. Letzteres gilt auch für den in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV und in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV verwendeten Begriff der Umstrukturierungsinvestition bzw. Umstrukturierungsmaßnahme.

Aus dem Wortlaut von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV ergeben sich keine Hinweise auf die vom Beschwerdegericht stattdessen vorgenommene Differenzierung.

Dass in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV von Umstrukturierungsinvestitionen, in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV hingegen von Umstrukturierungsmaßnahmen die Rede ist, hat keine Auswirkungen auf die Auslegung des Begriffs „Umstrukturierung“.

In § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV wird der Begriff „Investitionen“ bereits in der den einzelnen Ausführungsbeispielen vorangestellten einleitenden Formulierung verwendet. Das in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV definierte Regelbeispiel betrifft mithin „Investitionen, die vorgesehen sind für … Umstrukturierungsmaßnahmen“. Dies ist gleichbedeutend mit dem in § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV verwendeten Begriff der Umstrukturierungsinvestitionen.

Der besondere Regelungsgehalt von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV besteht darin, die Voraussetzungen zu konkretisieren, unter denen eine Umstrukturierungsinvestition aufgrund des mit ihr angestrebten Ziels als genehmigungsfähig anzusehen ist.

Während § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV insoweit nur abstrakte Zielsetzungen wie die Stabilität des Gesamtsystems und den bedarfsgerechten Ausbau des Energieversorgungsnetzes nennt, wird dies in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV dahin konkretisiert, dass die technische Sicherheit des Netzes betroffen und dass die Notwendigkeit der Maßnahme durch eine behördliche Anordnung oder Bestätigung dokumentiert sein muss.

Aus dieser Konkretisierung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Umstrukturierung in anderem Sinne zu verstehen sein könnte als im Zusammenhang mit dem Grundtatbestand.

Aus Zweck und Systematik der Regelung ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist hierbei unerheblich, ob § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV ein eigenständiger Anwendungsbereich zukommt oder ob sich alle von der Vorschrift erfassten Fälle auch unter Satz 1 subsumieren ließen. Wie bereits oben dargelegt wurde, kommt § 23 Abs. 1 Satz 2 ARegV die Funktion zu, die Rechtsanwendung in typischen Konstellationen zu vereinfachen. Zur Verwirklichung dieser Funktion ist nicht erforderlich, dass die Vorschrift den Kreis der genehmigungsfähigen Investitionen erweitert. Es genügt, wenn sie die Abgrenzung der genehmigungsfähigen von nicht genehmigungsfähigen Investitionen für eine typische Konstellation erleichtert. Dies wird schon durch die aufgezeigte Konkretisierung der die Genehmigungsfähigkeit begründenden Voraussetzungen erreicht.

Aus dem Umstand, dass in den Materialien zu § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV[3] als typische Anwendungsfälle der Ersatz von Hochspannungsmasten aus Thomasstahl und Gasleitungen aus Grauguss angeführt werden, können ebenfalls keine abweichenden Schlussfolgerungen gezogen werden.

Zwar handelt es sich bei den genannten Maßnahmen typischerweise auch um Ersatzinvestitionen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass diese nach Satz 2 Nr. 7 stets in vollem Umfang genehmigungsfähig sind. Nach der allgemeinen Zielsetzung des § 23 Abs. 1 ARegV ist eine Investition vielmehr auch dann genehmigungsfähig, wenn sie sowohl als Ersatzinvestition als auch als Erweiterungs- oder Umstrukturierungsinvestition zu qualifizieren ist. In diesen Fällen ist im Zusammenhang mit § 23 Abs. 1 ARegV nur ein prozentualer Anteil der Kosten berücksichtigungsfähig[4]. Für den Ersatz von Hochspannungsmasten aus Thomasstahl und Gasleitungen aus Grauguss kommt eine Genehmigung mithin jedenfalls insoweit in Betracht, als die Maßnahme zugleich zu einer Umstrukturierung führt, also zu einer nicht nur unbedeutenden Veränderung von technischen Parametern, die für den Betrieb des Netzes erheblich sind. Dieser Grundsatz wird in den Materialien zu § 23 ARegV auch im Zusammenhang mit Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV nicht in Frage gestellt oder modifiziert.

Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV auch reine Ersatzbeschaffungen genehmigungsfähig oder Investitionen, die sowohl dem Ersatz vorhandener Komponenten als auch einer Umstrukturierung dienen, stets in voller Höhe berücksichtigungsfähig sein sollen. Sowohl der Kreis der aufgrund ihres Gegenstands genehmigungsfähigen Investitionen als auch der Anteil der berücksichtigungsfähigen Kosten ist vielmehr nicht anders zu bestimmen als bei § 23 Abs. 1 Satz 1 ARegV.

Bei einer Auslegung von § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV in dem oben aufgezeigten Sinne sind die im Streitfall zu beurteilenden Investitionen zum Teil als Umstrukturierungsinvestitionen genehmigungsfähig.

Nach der bereits aufgezeigten Definition ist eine Investition als Umstrukturierungsinvestition anzusehen, wenn sie jedenfalls auch zu einer nicht nur unbedeutenden Veränderung von sonstigen technischen Parametern führt, die für den Betrieb des Netzes erheblich sind. Ausgeschlossen ist nur der bloße Austausch bereits vorhandener Komponenten. Um eine klare Abgrenzung zu ermöglichen, müssen die Wirkungen der Investition nicht nur unbedeutend über diejenigen Wirkungen hinausgehen, die mit dem Austausch einer vorhandenen Komponente zwangsläufig verbunden sind[5]. Technische Verbesserungen, die mit einer Ersatzbeschaffung im Hinblick auf den weiterentwickelten Stand der Technik zwingend oder zumindest üblicherweise verbunden sind, reichen nicht aus, um eine Umstrukturierungsmaßnahme zu bejahen[6].

Bei dieser Abgrenzung ist auch die Nutzungsdauer der bisher eingesetzten Komponenten zu berücksichtigen.

Die vom Bundesgerichtshof formulierten Kriterien für die Abgrenzung zwischen einer Umstrukturierungsinvestition und einer Ersatzbeschaffung betreffen den Fall, dass eine vorhandene Komponente nach Ablauf ihrer gewöhnlichen Nutzungsdauer ersetzt wird und die als Ersatz beschaffte Komponente allein wegen des während dieser Zeit eingetretenen technischen Fortschritts zusätzliche Funktionen aufweist und schon deswegen zu einer Verbesserung von technischen Parametern des Netzes führt.

Hiervon zu unterscheiden ist eine Ersatzbeschaffung, die aus besonderen Gründen vor Ablauf der gewöhnlichen Nutzungsdauer erforderlich wird.

Wenn eine solche Ersatzbeschaffung zu einer Verbesserung von technischen Parametern führt, mag dies im Einzelfall ebenfalls allein auf den seit der letzten Beschaffung eingetretenen technischen Fortschritt zurückzuführen sein. Ein solcher Verbesserungseffekt geht dennoch über die Wirkungen einer reinen Ersatzbeschaffung hinaus, weil er früher eintritt als bei einer Auswechslung nach Ablauf der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen als üblich anzusehenden Nutzungsdauer. Bei der Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Quote bietet es sich in solchen Konstellationen an, nur denjenigen Anteil heranzuziehen, der dem Verhältnis zwischen dem bis zum Ende der gewöhnlichen Nutzungsdauer verbleibenden Zeitraum und der gesamten gewöhnlichen Nutzungsdauer entspricht. Wenn zum Beispiel eine Komponente mit einer gewöhnlichen Nutzungsdauer von fünfzig Jahren aus technischen Gründen schon nach dreißig Jahren ausgetauscht werden muss, sind danach zwei Fünftel der für den Austausch anfallenden Kosten berücksichtigungsfähig.

Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts beträgt die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der auszuwechselnden Leitungen im Streitfall mindestens 55 Jahre; die ältesten Leitungen haben im Zeitpunkt der Antragstellung hingegen nur eine Nutzungsdauer von 46 Jahren aufgewiesen.

Danach ist jedenfalls ein Teil der Kosten genehmigungsfähig. Die Ermittlung der danach relevanten Quote kann der Bundesnetzagentur im Rahmen der anstehenden Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs überlassen werden.

Wie das Beschwerdegericht insoweit zutreffend angenommen hat, kann eine vollständige Ablehnung des Genehmigungsantrags nicht auf den Umstand gestützt werden, dass die beabsichtigte Maßnahme aus technischer Sicht schon vor längerer Zeit hätte vorgenommen werden müssen.

Nach dem Wortlaut von § 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 7 ARegV ist unerheblich, auf welchem Grund die Notwendigkeit der Maßnahme beruht.

Die Vorschrift knüpft nicht daran an, dass die Umsetzung der technischen Standards zeitnah nach deren Erlass erfolgt, und differenziert auch nicht danach, wer eine verzögerte Umsetzung gegebenenfalls zu vertreten hat.

Eine engere Auslegung der Vorschrift kann nicht aus ihrem Zweck abgeleitet werden.

Zwar wird in den Materialien zu § 23 ARegV hervorgehoben, auf die Betreiber von Fernleitungs- und Übertragungsnetzen – für die Absatz 1 unmittelbar anwendbar ist – kämen durch gesetzliche Anforderungen in erheblichem Umfang zusätzliche Aufgaben zu, die erhöhte Kosten verursachten[7]. Nicht alle der in Absatz 1 Satz 2 aufgeführten Regelbeispiele knüpfen aber an eine Änderung von externen Anforderungen an. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass als Umstrukturierungsmaßnahmen nicht nur solche Maßnahmen anzusehen sind, die durch eine konkrete Änderung der Anforderungen an das in Rede stehende Netz veranlasst sind, sondern dass die Abgrenzung zwischen Umstrukturierungsinvestitionen und bloßen Ersatzinvestitionen anhand des Gegenstands der Investitionsmaßnahme zu erfolgen hat[8].

Für den im Streitfall relevanten Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV gilt insoweit nichts anderes. Er knüpft – anders als etwa die Tatbestände in Nr. 1 und Nr. 2 – nicht an externe Anforderungen wie den Anschluss von bestimmten Stromerzeugungsanlagen an, sondern an die Notwendigkeit, die Sicherheit des Netzes zu gewährleisten. Insoweit befinden sich, wie in den Materialien zu § 23 Abs. 6 ARegV ausdrücklich hervorgehoben wird, die Betreiber von Verteilernetzen in derselben Situation wie die Betreiber von Übertragungsnetzen[9]. Gerade unter dem Aspekt der Sicherheit erschiene es aber wenig folgerichtig, die Genehmigung einer Investitionsmaßnahme davon abhängig zu machen, ob die Maßnahme schon früher hätte durchgeführt werden können.

Dies mag in Einzelfällen dazu führen, dass einem Netzbetreiber nur deshalb die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags nach § 23 ARegV eröffnet ist, weil er sein Netz in der Vergangenheit nicht im an sich gebotenen Umfang erneuert hat. Jedenfalls bei der Anpassung an Sicherheitsanforderungen kann diesem Aspekt jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.

Mit der Zielsetzung der Anreizregulierung ist es allerdings grundsätzlich nicht vereinbar, Effizienzvorgaben nach §§ 12 ff. ARegV oder Qualitätsvorgaben nach §§ 18 ff. ARegV allein im Hinblick auf historische Gegebenheiten milder auszugestalten und damit zur Perpetuierung eines zu den Zielen des § 1 Abs. 2 EnWG in Widerspruch stehenden Zustands beizutragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt deshalb zum Beispiel eine Bereinigung des Effizienzwerts gemäß § 15 ARegV aufgrund der technischen Beschaffenheit des Netzes grundsätzlich allenfalls dann in Betracht, wenn das Unterbleiben von Verbesserungsmaßnahmen in der Vergangenheit auf Umständen beruht, die von außen an den Netzbetreiber herangetragen wurden und auf die er keinen unmittelbaren Einfluss hatte[10].

Bei der Genehmigung von Investitionsmaßnahmen nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 ARegV geht es indes darum, einen bestehenden Zustand zu überwinden und das Netz für die Zukunft auf einen den aktuellen Sicherheitsanforderungen entsprechenden Stand zu bringen. Dieser Zielsetzung widerspräche es, eine Maßnahme nur deshalb als nicht genehmigungsfähig anzusehen, weil der Netzbetreiber sie schon früher hätte durchführen können.

Soweit es wie im Streitfall um den aus technischen Gründen erforderlichen Ersatz von vorhandenen Komponenten vor Ablauf der gewöhnlichen Nutzungsdauer geht, ergibt sich ein Anreiz zu möglichst frühzeitigem Handeln zudem schon daraus, dass der berücksichtigungsfähige Teil der Kosten geringer wird, je länger der Netzbetreiber die gebotene Maßnahme hinausschiebt. Auch vor diesem Hintergrund erscheint eine weitergehende Sanktionierung – die dazu führen könnte, dass der Netzbetreiber die Durchführung der gebotenen Maßnahme mangels Genehmigungsfähigkeit noch länger aufschiebt – weder geboten noch zweckdienlich.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. April 2016 – EnVR 3/15

  1. Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 17.12 2013 – EnVR 18/12, RdE 2014, 291 – 50Hertz Transmission GmbH[]
  2. BGH, RdE 2014, 291 Rn. 16 f. – 50Hertz Transmission GmbH[][]
  3. BR-Drs. 417/07 [Beschluss] S. 12 f.[]
  4. BR-Drs. 417/07, S. 67; BGH, Beschluss vom 17.12 2013 – EnVR 18/12, RdE 2014, 291 Rn. 23 – 50Hertz Transmission GmbH[]
  5. BGH, RdE 2014, 291 Rn. 32 f. – 50Hertz Transmission GmbH[]
  6. BGH, RdE 2014, 291 Rn. 43 – 50Hertz Transmission GmbH[]
  7. BR-Drs. 417/07 S. 66 f.[]
  8. BGH, RdE 2014, 291 Rn. 26 – 50Hertz Transmission GmbH[]
  9. BR-Drs. 417/07 S. 68[]
  10. BGH, Beschluss vom 21.01.2014 – EnVR 12/12 Rn. 113 – Stadtwerke Konstanz GmbH; Beschluss vom 07.10.2014 – EnVR 25/12 Rn. 44[]