Netzanschluss für eine Biogasaufbereitungsanlage

Beim Anschluss einer Biogasaufbereitungsanlage ist der Netzbetreiber verpflichtet, in seine Prüfung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GasNZV auch die Rückspeisung von Biogas in vorgelagerte Netze über eine Abzweigung hinter der Netzanschlussanlage („Y-Lösung“) einzubeziehen. Dabei ist die Verbindungsleitung zwischen der Netzanschlussanlage und dem vorgelagerten Netz („Bypass“) jedenfalls wie eine kapazitätserweiternde Maßnahme gemäß § 33 Abs. 10 i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 3 GasNZV anzusehen.

Netzanschluss für eine Biogasaufbereitungsanlage

Nach § 17 Abs. 1 EnWG haben Betreiber von Energieversorgungsnetzen unter anderem Erzeugungsanlagen zu technischen und wirtschaftlichen Bedingungen an ihr Netz anzuschließen, die angemessen, diskriminierungsfrei, transparent und nicht ungünstiger sind, als sie von dem Netzbetreiber in vergleichbaren Fällen angewendet werden. Diese – grundsätzlich bestehende – Anschlusspflicht wird in § 33 Abs. 1 Satz 1 GasNZV zu Gunsten der Betreiber von Biogasaufbereitungsanlagen noch dahin verstärkt, dass ihnen gegenüber anderen potentiellen Anschlussnehmern ein Vorrang eingeräumt wird. Die daraus resultierende Netzanschlusspflicht der Netzbetreiberin steht außer Streit.

Die Landesregulierungsbehörde ist verpflichtet, die Frage der Unzumutbarkeit des Netzanschlusses nach § 17 Abs. 2 EnWG zu prüfen.

Nach dieser Vorschrift können Betreiber von Energieversorgungsnetzen einen Netzanschluss nach § 17 Abs. 1 EnWG verweigern, soweit sie nachweisen, dass ihnen die Gewährung des Netzanschlusses aus betriebsbedingten oder sonstigen wirtschaftlichen oder technischen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht zumutbar ist.

Ob die Gewährung des Netzanschlusses für den Netzbetreiber unzumutbar ist, lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[1] nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilen. Erforderlich ist eine Abwägung aller im Einzelfall relevanten Belange. In die Abwägung einzubeziehen sind unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG und der Grundsätze der Elektrizitäts- und ErdgasbinnenmarktRichtlinien insbesondere die gegenläufigen Interessen des Netzbetreibers und des Anschlussnehmers. Dabei sind auf Seiten des Netzbetreibers unter anderem die Kosten für die Herstellung des Netzanschlusses und etwaige Folgekosten für einen Netzausbau zu berücksichtigen. Auf Seiten des Anschlussnehmers spielt insbesondere eine Rolle, in welchem Maße er auf den konkret gewünschten Anschluss angewiesen ist, ob alternative Anschlussmöglichkeiten bestehen oder ob es ihm nur um eine Kostenreduzierung geht. Ein Verweigerungsrecht besteht nur dann, wenn den Interessen des Netzbetreibers Vorrang vor denen des Anschlussnehmers zukommt. Die tatsächlichen Voraussetzungen hat der Netzbetreiber nachzuweisen.

Entgegen den Angriffen der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht die im Rahmen dieser Prüfung der Regulierungsbehörde obliegenden Aufklärungspflichten nicht überspannt. Es hat insbesondere der Regulierungsbehörde keine Pflichten auferlegt, die nach dem Gesetz dem Netzbetreiber obliegen.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EnWG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 GasNZV hat der Netzbetreiber die Gründe für die Unzumutbarkeit der Gewährung des Netzanschlusses einer Biogasaufbereitungsanlage nachzuweisen. Dazu muss er für jede vernünftigerweise in Betracht kommende, d.h. nicht technisch offensichtlich abwegige, Anschlussvariante Gründe darlegen und nachweisen, die den Anschluss technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar machen. Insoweit trifft den Netzbetreiber eine umfassende und abschließende Prüfungspflicht hinsichtlich der Realisierbarkeit des begehrten Netzanschlusses. Er hat sämtliche technischen und tatsächlichen Gegebenheiten zu untersuchen und innerhalb der gesetzlichen Frist ein Prüfergebnis vorzulegen. Wie sich aus § 33 Abs. 10 i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 3 GasNZV ergibt, muss er in diese Prüfung auch alle wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen zur Erhöhung der Kapazität im Netz einbeziehen, die eine ganzjährige Einspeisung gewährleisten und die Fähigkeit seines Netzes sicherstellen, die Nachfrage nach Transportkapazitäten für Biogas zu befriedigen. Eine Verweigerung des Netzanschlusses kommt nur dann in Betracht, wenn der Anschluss unter Berücksichtigung jeder vernünftigerweise in Betracht kommenden Anschlussvariante dauerhaft nicht realisierbar ist. Sofern der Netzbetreiber seiner umfassenden Prüfungspflicht in Bezug auf nur eine denkbare Anschlussvariante nicht nachkommt, ist der Nachweis im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 EnWG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 GasNZV nicht erbracht.

Von dieser Prüf- und Nachweispflicht des Netzbetreibers ist die Frage zu trennen, in welcher Weise und in welchem Umfang die Regulierungsbehörde im Rahmen des besonderen Missbrauchsverfahrens den Nachweis für die Unzumutbarkeit des Netzanschlusses auf seine – vom Antragsteller in Abrede gestellte – Richtigkeit zu überprüfen hat. Insoweit gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 68 EnWG, so dass die Regulierungsbehörde alle Ermittlungen führen und alle Beweise erheben kann, die erforderlich sind. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Regulierungsbehörde ihrerseits weitere – von den Verfahrensbeteiligten nicht erörterte – Varianten für einen Netzanschluss entwickeln und deren Realisierbarkeit prüfen muss. Drängen sich solche Varianten im Rahmen des Missbrauchsverfahrens auf, obliegt es weiterhin dem Netzbetreiber, deren Unzumutbarkeit nachzuweisen; andernfalls ist er zum Netzanschluss zu verpflichten.

Die Landesregulierungsbehörde hätte auch die Y-Lösung in die Unzumutbarkeitsprüfung nach § 17 Abs. 2 EnWG einbeziehen müssen. Dies hätte allerdings nicht dazu geführt, dass dem Hauptantrag der Antragstellerin in der Rechtsbeschwerdeinstanz stattgegeben worden wäre. Dafür fehlt es mangels entsprechender Feststellungen des Beschwerdegerichts an einer für das Rechtsbeschwerdeverfahren ausreichenden Tatsachengrundlage.

Die Netzbetreiberin ist verpflichtet, auch die Y-Lösung als eine Variante eines Anschlusses der Biogasaufbereitungsanlage der Antragstellerin an ihr Gasverteilernetz in ihre Prüfung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GasNZV einzubeziehen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass hierbei auch ein weiterer Netzbetreiber, nämlich WWE als Betreiberin des vorgelagerten Gasnetzes, mitwirken muss.

Weder die allgemeine Vorschrift des § 17 Abs. 1 und 2 EnWG noch die speziellen Normen für den Netzanschluss von Biogasaufbereitungsanlagen nach §§ 31 ff. GasNZV enthalten eine ausdrückliche Regelung zu der Frage, wie der Netzanschluss im Einzelnen zu erfolgen hat und inwieweit dabei auch andere Netzbetreiber mitwirken müssen. Der Wortlaut dieser Vorschriften schließt die Y-Lösung als vom Netzbetreiber zu realisierende Variante des Netzanschlusses aber auch nicht aus.

Für eine Einbeziehung dieser Variante in die Prüfung eines technisch möglichen Netzanschlusses spricht der Regelungszusammenhang der vorgenannten Vorschriften. Danach ist die Y-Lösung jedenfalls wie eine kapazitätserweiternde Maßnahme gemäß § 33 Abs. 10 i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 3 GasNZV anzusehen.

Nach § 33 Abs. 8 Satz 2, § 34 Abs. 2 Satz 2 GasNZV kann der Netzanschluss bzw. die Einspeisung nicht ohne weiteres mit dem Hinweis auf Kapazitätsengpässe verweigert werden, so dass den betreffenden Netzbetreiber im Grundsatz eine Pflicht zum Netzausbau trifft. Dass im Rahmen des Netzanschlusses auch andere Netze in die Betrachtung einbezogen werden können und gegebenenfalls müssen, ergibt sich aus § 33 Abs. 8 Satz 2, § 34 Abs. 2 Satz 2 GasNZV, wonach Kapazitätsengpässe weder in den direkt noch in den indirekt verbundenen Netzen eine Rolle spielen dürfen, aus § 34 Abs. 2 Satz 4 GasNZV, wonach zu den kapazitätserweiternden Maßnahmen auch die Sicherstellung der ausreichenden Fähigkeit zur Rückspeisung von Biogas in vorgelagerte Netze gehört, und aus § 33 Abs. 5 Satz 2 GasNZV, wonach andere Netzbetreiber – soweit erforderlich – zur Mitwirkung bei der Prüfung des Anschlussbegehrens verpflichtet sind. Im Zusammenhang mit der Verpflichtung zum Netzanschluss kann es aber keinen Unterschied machen, ob die – aufgrund der Einspeisung von Biogas erforderliche – Rückspeisung durch Maßnahmen am bestehenden Gasverteilernetz, wie etwa – soweit dies wirtschaftlich zumutbar ist – einen Austausch der PVC-Rohre durch PE-Rohre nebst Ersetzung der Klebemuffen, sichergestellt wird oder ob anstelle einer solchen Rückspeisung das Biogas über eine weitere Verbindungsleitung unmittelbar in das vorgelagerte Gasnetz eingespeist wird.

Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Verordnungsbegründung zu §§ 33, 34 GasNZV bestätigt. Danach hat der Netzbetreiber die erforderlichen und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen im Netz zu ergreifen, um den Anschluss zu ermöglichen. Eine inhaltliche Beschränkung dieser Maßnahmen sieht die Gesetzesbegründung nicht vor, sondern erwähnt nur beispielhaft einzelne Möglichkeiten der Kapazitätserweiterung im bestehenden Netz[2]. Im Hinblick auf das mit den §§ 31 ff. GasNZV verfolgte Ziel, im Interesse der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung und zur Stärkung der Versorgungssicherheit die Einspeisung von Biogas aus inländisch erzeugter Biomasse in das Gasnetz zu erleichtern[3], sind die dem Netzbetreiber obliegenden Maßnahmen zur Gewährleistung des Netzanschlusses weit zu fassen. Die Grenze wird durch § 33 Abs. 8 Satz 1 GasNZV i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 EnWG gezogen.

Für diese Beurteilung sind dagegen die Eigentumsverhältnisse an der Netzanschlussanlage unmaßgeblich. Dies gilt auch dann, wenn die Netzanschlussanlage im Miteigentum der Betreiber des örtlichen Verteilernetzes und des vorgelagerten Netzes stehen würde. Entgegen der Auffassung der Netzbetreiberin folgt aus § 33 Abs. 1 Satz 5 GasNZV, wonach der Netzanschluss im Eigentum des Verteilernetzbetreibers stehen müsse, nichts anderes. Denn diese Vorschrift regelt die Eigentumsfrage lediglich im Verhältnis zwischen Anschlussnehmer und Netzbetreiber, schließt aber ein Miteigentum auf der Seite der Netzbetreiber nicht aus. Zugleich weist die Vorschrift die Verantwortung für die Netzanschlussanlage der Sphäre des Netzbetreibers zu. Insoweit ist allein maßgeblich, dass der in Anspruch genommene Netzbetreiber die Anschlussstelle unterhält und die bestimmungsgemäße Nutzung organisiert[4]. Dies ist hier der Netzbetreiberin – wie auch der von ihr vorgelegte Entwurf für einen Netzanschluss- und Anschlussnutzungsvertrag Biogas zeigt – möglich.

Aufgrund dessen ist die Verbindungsleitung zwischen der Biogaseinspeiseanlage und dem vorgelagerten Netz („Bypass“) jedenfalls wie eine kapazitätserweiternde Maßnahme anzusehen, während die Verbindungsleitung zwischen der Biogasaufbereitungsanlage und der Biogaseinspeiseanlage den Netzanschluss i.S.d. § 33 Abs. 1 GasNZV darstellt.

Dies führt indes nicht dazu, dass der Verpflichtungsbeschwerde der Antragstellerin stattzugeben gewesen wäre. Das Beschwerdegericht hat – auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Netzbetreiberin die Durchführung der Y-Lösung nach § 33 Abs. 8 Satz 1 GasNZV i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 EnWG verweigern darf. Die Netzbetreiberin hatte aufgrund der Rechtsauffassung der Landesregulierungsbehörde und des Beschwerdegerichts für einen entsprechenden Vortrag auch keinen Anlass. Daher hätte ihr hierzu – auch zur Erfüllung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör – noch Gelegenheit gegeben werden müssen, so dass die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe hätte zurückgewiesen werden müssen, die Landesregulierungsbehörde zu verpflichten, den Missbrauchsantrag der Antragstellerin auch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs neu zu bescheiden.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – EnVR 8/12

  1. BGH, Beschluss vom 23.06.2009 – EnVR 48/08, RdE 2009, 336 Rn. 21 mwN – Netzanschluss[]
  2. vgl. BR-Drucks. 312/10, S. 93 f.[]
  3. vgl. BR-Drucks. 312/10, S. 90[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 18.10.2011 – EnVR 68/10, zu einer ähnlichen Fragestellung im Rahmen des § 3 Nr. 4 EnWG[]