Als „gleichartige Versorgungsverhältnisse“ im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 AVB-FernwärmeV kommen in erster Linie die von dem Fernwärmeversorger in dem Versorgungsgebiet geschlossenen Fernwärmelieferungsverträge mit anderen Endabnehmern in Betracht[1]. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV bestimmte Preise für die Lieferung von Fernwärme unterliegen nicht der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in entsprechender Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB.

Kommt zwischen dem Fernwärmeversorger und dem Kunden ein Vertrag über die Lieferung von Fernwärme dadurch zustande gekommen, dass der Kunde Fernwärme aus dem Leitungsnetz der Fernwärmelieferrantin entnommen hat[2], so erfolgt die Versorgung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV zu den für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preisen.
Bei der Gleichartigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV ist zunächst darauf abzustellen, ob die Fernwärmelieferrantin dem Vertragsverhältnis mit dem Kunden vergleichbare Versorgungsverhältnisse mit anderen Kunden in nennenswertem Umfang unterhält oder unterhalten hat[3]. Nur wenn dies nicht der Fall ist, müssen in die Betrachtung ergänzend die in gleichartigen Versorgungsverhältnissen zwischen anderen Fernwärmeversorgern im Versorgungsgebiet und Endabnehmern geltenden Preisregelungen einbezogen werden[4]. Die Feststellung der Gleichartigkeit bereitet dabei in der Regel bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und Wohnungsanlagen ähnlicher Struktur keine Schwierigkeiten[5].
§ 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV lässt sich nicht entnehmen, dass die Versorgung nur dann zu den Preisen aus gleichartigen Versorgungsverhältnissen erfolgt, wenn diese ortsüblich und angemessen sind.
Zwar fehlt es in der Fernwärmeversorgung – anders als bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas – an einer verbindlichen Bundestarifordnung sowie allgemeinen Tarifpreisen und der normativ vorgegebenen Unterscheidung zwischen Tarif- und Sonderkunden[6]. Das ist der Grund, warum § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV auf die für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preise abstellt[4]. Dadurch wird sichergestellt, dass das Versorgungsunternehmen auch beim Fehlen einer verbindlichen Preisabsprache zu den üblichen Versorgungsbedingungen abzurechnen hat[7]. Der Kunde, der allein durch die Entnahme von Fernwärme den Vertrag mit dem Unternehmen schließt, soll weder schlechter noch besser stehen als die Kunden, mit denen das Vertragsverhältnis schriftlich abgeschlossen worden ist[8].
Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV knüpft an die Bestimmung in Satz 1 an, die der Tatsache Rechnung trägt, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Dabei soll ein vertragsloser Zustand bei Energielieferungen vermieden werden[9]. § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV regelt, welchen Inhalt ein auf diese Weise geschlossener Vertrag hat. Er schafft Rechtssicherheit für die Parteien, da er etwaige Zweifel, zu welcher Gegenleistung der Kunde verpflichtet ist, ausräumt. Ergänzt wird dies durch § 2 Abs. 3 AVBFernwärmeV, welcher das Fernwärmeversorgungsunternehmen verpflichtet, jedem Neukunden bei Vertragsabschluss sowie den übrigen Kunden auf Verlangen die dem Vertrag zugrunde liegenden allgemeinen Versorgungsbedingungen einschließlich der dazugehörenden Preisregelungen und Preislisten unentgeltlich auszuhändigen. Die Bestimmungen verfolgen somit ersichtlich das Ziel, dem Kunden Klarheit über seine Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis zu verschaffen und ihn entsprechend zu informieren[10]. Anforderungen an die Wirksamkeit der Versorgungsbedingungen und der dazugehörenden Preisregelungen enthalten sie nicht. Diese können sich aus anderen Vorschriften ergeben und von allen Kunden – unabhängig davon, wie der Vertragsschluss erfolgt ist – in gleicher Weise geltend gemacht werden.
Die Ausgangspreise der Fernwärmelieferrantin unterliegen nicht der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.
Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist[11]. Entsprechendes gilt, wenn bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung der Preis nach gesetzlichen Vorgaben bestimmt ist. So liegt es hier. Zwar haben die Parteien keine ausdrückliche Preisvereinbarung getroffen. Allerdings ist die Lücke im Vertrag nicht durch eine einseitige Preisbestimmung der Fernwärmelieferrantin, sondern durch § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV geschlossen worden, wonach die Versorgung zu den für gleichartige Versorgungsverhältnisse geltenden Preisen erfolgt. Diese wurden mit Vertragsschluss zum vereinbarten Preis.
Auch eine Billigkeitskontrolle der von den Parteien bei Vertragsschluss vereinbarten Preise in entsprechender Anwendung von § 315 BGB wegen des Bestehens eines Anschluss- und Benutzungszwangs oder einer Monopolstellung der Fernwärmelieferrantin scheidet aus.
Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und entsprechend § 315 BGB einer Billigkeitskontrolle unterworfen sind[12]. Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versorgungsunternehmens hergeleitet worden, gilt aber auch für den Fall des Anschluss- und Benutzungszwangs[13]. Denn in diesen Fällen muss der Kunde, wenn er die Leistung in Anspruch nehmen will, mit dem Unternehmer kontrahieren, auch wenn er mit dem vorgeschriebenen Preis oder Tarif nicht einverstanden ist[14]. An beiden Voraussetzungen fehlt es im Streitfall.
Ein öffentlich-rechtlicher Anschluss- und Benutzungszwang besteht vorliegend nicht. Auch die Tatsache, dass die Fernwärmelieferrantin im Bereich des Sch. V. die einzige Anbieterin von Fernwärme ist, führt nicht dazu, dass die von der Fernwärmelieferrantin verlangten Preise der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterlägen.
Eine umfassende gerichtliche Kontrolle der Preise eines Fernwärmeversorgungsunternehmens liefe der Intention des Gesetzgebers zuwider, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife abgelehnt hat. Auch bei der gerichtlichen Kontrolle der Billigkeit der Ausgangspreise fände für das betroffene Fernwärmeunternehmen eine Preisregulierung statt, wenn der Preis nach Auffassung des Gerichts unbillig überhöht und deshalb durch Urteil zu bestimmen wäre[15].
Der Gesetzgeber hat auf die Einführung eines Regulierungsrechts verzichtet, obwohl er davon ausging, dass einem Fernwärmeversorgungsunternehmen eine faktische Monopolstellung zukommt. Die amtliche Begründung zur AVBFernwärmeV nimmt die Zielvorstellung einer „möglichst kostengünstigen, zu weitgehend gleichen Bedingungen erfolgenden Versorgung“ auf, wobei einerseits die „rechtliche, zumindest aber faktische Monopolstellung der Unternehmen“ und andererseits „die Leitungsgebundenheit und der damit verbundene Zwang zu hohen Investitionen“ zu berücksichtigen seien[16].
Aus der monopolartigen Stellung der Fernwärmeversorgungsunternehmen und der dadurch bedingten Abhängigkeit der Verbraucher ergäben sich spezifische Regelungsbedürfnisse[17]. Dies hat den Gesetzgeber aber nicht veranlasst, eine Genehmigungspflicht für Fernwärmepreise einzuführen; eine solche bestand für Fernwärmepreise noch nie, während sie für Gaspreise bis 1959 und für Strompreise bis zum 30.06.2007 galt[18]. Soweit in der amtlichen Begründung zur AVBFernwärmeV auf die Preisgestaltung des Versorgungsunternehmens eingegangen wird, wird nur auf die Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden hingewiesen. Es sei deren Aufgabe, darauf zu achten, dass die Unternehmen bei Vertragsanpassungen ihre Befugnis zu anderweitiger Preisgestaltung nicht missbrauchten[19]. Auch hätten sie dafür zu sorgen, dass das Verhältnis zwischen Baukostenzuschüssen und allgemeinen Fernwärmepreisen nicht missbräuchlich ausgestaltet werde[20]. Im Rahmen der kartellbehördlichen Aufsicht werde darauf geachtet, dass die Unternehmen Preisgestaltungsspielräume nicht missbräuchlich ausschöpften[21].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 292/11
- Fortführung von BGH, Urteil vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, WuM 2006, 207[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, WuM 2006, 207 Rn. 14 ff.; vom 06.04.2011 – VIII ZR 66/09, WM 2011, 1042 Rn. 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, aaO Rn. 29; Wollschläger/Meyer, IR 2009, 82, 84[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, aaO[↩][↩]
- Danner/Theobald/Wollschläger, Energierecht, Stand 2012, § 2 AVBFernwärmeV Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, aaO Rn. 16[↩]
- LG Arnsberg, CuR 2007, 26, 28 mwN[↩]
- vgl. Wollschläger/Meyer, aaO S. 85[↩]
- BGH, Urteile vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, aaO Rn. 15; vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11[↩]
- vgl. BR-Drucks. 90/80, S. 36[↩]
- BGH, Urteile vom 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 16; vom 28.03.2007 – VIII ZR 144/06, BGHZ 171, 374 Rn. 13 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 05.07.2005 – X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 unter II 1 a mwN, insoweit in BGHZ 163, 321 ff. nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 28.03.2007 – VIII ZR 144/06, aaO Rn. 17 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 28.03.2007 – VIII ZR 144/06, aaO[↩]
- BGH, Urteile vom 04.12.1986 – VII ZR 77/86, NJW 1987, 1828 unter II 2 b; vom 05.07.2005 – X ZR 60/04, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, aaO Rn. 18[↩]
- BR-Drucks. 90/80, S. 32; BGH, Urteil vom 28.01.1987 – VIII ZR 37/86, BGHZ 100, 1, 9 f.[↩]
- BR-Drucks. 90/80, aaO[↩]
- Büdenbender, NJW 2007, 2945, 2946[↩]
- BR-Drucks. 90/80, S. 37[↩]
- BR-Drucks. 90/80, S. 44 f.[↩]
- BR-Drucks. 90/80, S. 56[↩]