Um die Lieferung von Fernwärme handelt es sich nur dann, wenn der Energie-versorger/Energiedienstleister hohe Investitionen vorzunehmen hat, um seine Vertragspflicht zur Wärmelieferung erfüllen zu können. Hieran fehlt es regelmäßig, wenn der Energieversorger/Energiedienstleister sich im Wesentlichen lediglich dazu verpflichtet, eine bereits vorhandene, im Eigentum des Kunden stehende funktionstüchtige Heizungsanlage für ein symbolisches Entgelt anzupachten, zu warten und zu betreiben [1].

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Rechtsstreit über die die Wirksamkeit einer zehnjährigen Vertragsbindung. Diese wäre gemäß § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV nur wirksam, wenn ein Vertrag über die Lieferung von Fernwärme vorliegt.
Der Begriff der Fernwärme ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs [2] handelt es sich um Fernwärme, wenn aus einer nicht im Eigentum des Gebäudeeigentümers stehenden Heizungsanlage von einem Dritten nach unternehmenswirtschaftlichen Gesichtspunkten eigenständig Wärme produziert und an andere geliefert wird, wobei es auf die Nähe der Heizungsanlage zu dem versorgten Gebäude ebenso wenig ankommt wie auf das Vorhandensein eines größeren Leitungsnetzes.
In der Literatur wird demgegenüber teilweise die Auffassung vertreten, um Fernwärme handele es sich immer dann, wenn Dritte von einem gewerblichen Energiedienstleister mit Wärme gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgelts nach vorher festgelegten Preisen beliefert würden; auf die Eigentumsverhältnisse komme es dabei ebenso wenig an wie auf die Nähe des Heizwerks zu den zu versorgenden Wohneinheiten [3]. Auch wenn die Wärmeproduktionsanlage integrativer Teil des Gebäudes sei, das mit Wärme versorgt werde, werde Fernwärme geliefert [4].
Dem kann nicht gefolgt werden, so der Bundesgerichtshof.
Der Verordnungsgeber hat in der Begründung zur AVBFernwärmeV unter anderem ausgeführt [5]:
„Die Fernwärmeversorgung hat ähnliche wirtschaftlichtechnische Voraussetzungen wie die Strom- und Gasversorgung. Ein wichtiges gemeinsames Merkmal ist […] der […] Zwang zu hohen Investitionen.“
Dieser Verordnungsbegründung ist zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber der AVBFernwärmeV den Zwang des Versorgers, hohe Investitionen vornehmen zu müssen, um seiner Lieferpflicht nachkommen zu können, als Wesensmerkmal des Fernwärmebegriffs ansieht.
Gerade diese mit der Einrichtung einer Fernwärmeversorgung verbundenen hohen Kosten haben den Verordnungsgeber der AVBFernwärmeV bewogen, in Fernwärmeversorgungsverträgen auch die formularmäßige Vereinbarung einer zehnjährigen Vertragslaufzeit als zulässig anzusehen. So heißt es hierzu in der Verordnungsbegründung zu § 32 AVBFernwärmeV [6]:
„Im Hinblick auf die Kapitalintensität der Fernwärmeversorgung sowie im Interesse einer möglichst verlässlichen Basis der Preiskalkulation muß das Versorgungsverhältnis langfristig angelegt sein. Eine Laufzeit von höchstens 10 Jahren erscheint angemessen.“
Der Inhalt des Fernwärmebegriffs kann nicht losgelöst von diesen Erwägungen des Verordnungsgebers bestimmt werden. Dies hat zur Folge, dass es sich nur dann um die Lieferung von Fernwärme handelt, wenn der Versorger/Energiedienstleister hohe Investitionen vorzunehmen hat, um seine Vertragspflicht zur Wärmelieferung erfüllen zu können.
Dies wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn der Versorger/Energiedienstleister vor Beginn der Versorgung die Wärmeproduktionsanlage auf eigene Kosten erstellt und/oder ein für die Wärmeversorgung erforderliches Leitungsnetz aufzubauen hat. Anders verhält es sich hingegen in Betriebsführungsmodellen, in denen sich der Versorger/Energiedienstleister im Wesentlichen lediglich dazu verpflichtet, eine bereits vorhandene, im Eigentum des Kunden stehende funktionstüchtige Heizungsanlage für ein symbolisches Entgelt anzupachten und zu betreiben. Denn in diesen Fällen fehlt es regelmäßig an der hohen Kostenintensität der Wärmeversorgung und damit an einem Wesensmerkmal des Fernwärmebegriffs. Das eine lange Vertragsbindung rechtfertigende berechtigte Interesse des Versorgers/Energiedienstleisters, die von ihm zur Versorgung aufgebrachten hohen Investitionskosten über die Vertragslaufzeit hinweg amortisieren zu können, besteht in diesen Fällen nicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Dezember 2011 – VIII ZR 262/09
- im Anschluss an BGH, Urteile vom 25.10.1989 – VIII ZR 229/88, BGHZ 109, 118; und vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667[↩]
- BGH, Urteile vom 25.10.1989 – VIII ZR 229/88, BGHZ 109, 118, 126; vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 Rn. 22[↩]
- Witzel in Witzel/Topp, Allgemeine Bedingungen für die Fernwärmeversorgung [AVBFernwärmeV], 2. Aufl., S. 45 ff.; Hack, Energie-Contracting, 2003, S. 15; Lippert, Energiewirtschaftsrecht, 2002, S. 654 f.; Topp, RdE 2009, 133, 134 ff.[↩]
- Topp, aaO; aA SchmidtFutterer/Lammel, Mietrecht, 10. Aufl., § 1 HeizkostenV Rn. 23; ähnlich LG Hamburg, NJW 1984, 1562 f.[↩]
- BR-Drucks. 90/80, S. 32, abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO S. 237[↩]
- abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO S. 258 f.[↩]