Preisänderungsklausel im Fernwärmeversorgungsvertrag

Eine infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF (= § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV), § 134 BGB entstehende planwidrige Regelungslücke kann auch in einem Fernwärmeliefervertrag im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) dahingehend geschlossen werden, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat[1].

Preisänderungsklausel im Fernwärmeversorgungsvertrag

Der Wärmeversorgungsvertrag und damit auch die Preisanpassungsklausel unterfallen dem Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV. Gemäß § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV gelten die §§ 2 bis 32 AVBFernwärmeV in der jeweils gültigen Fassung für den Anschluss an die Fernwärmeversorgung eines Fernwärmeversorgungsunternehmens, wenn dieses – wie hier – Vertragsmuster oder Vertragsbedingungen verwendet, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (Allgemeine Versorgungsbedingungen). Dementsprechend sind die als Gleitklausel ausgestaltete Preisänderungsklausel in Ziffer 4 des Wärmeversorgungsvertrags und die im streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 2007 bis Februar 2008 auf ihrer Grundlage jeweils halbjährlich vorgenommenen Preisänderungen an den Anforderungen des zu diesem Zeitpunkt geltenden § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF zu messen[2]. Die Bestimmung gilt nach der Neufassung des § 24 AVBFernwärmeV durch Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen vom 04.11.2010[3] als § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV unverändert fort.

Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen müssen ach § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärmeV aF so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme durch das Unternehmen (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen[4]. Ob die Preisänderungsklausel in Ziffer 4 des Wärmeversorgungsvertrags diesen Vorgaben gerecht wird, hat das Berufungsgericht mit Recht dahinstehen lassen. Denn selbst wenn die Preisänderungsklausel – wie die Revision geltend macht – hinsichtlich des Marktelements den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen und deshalb nach der Auslegungsregel des § 134 BGB nichtig sein sollte, wäre der Kläger vorliegend jedenfalls wegen Zeitablaufs mit seinen dagegen erhobenen Einwendungen ausgeschlossen.

Die vom Bundesgerichtshof für langjährige Gasversorgungsverhältnisse entwickelten Grundsätze sind auf den vorliegenden Fernwärmeliefervertrag zu übertragen. Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, kommt die bei Nichtbeachtung des in § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärmeV aF zum Ausdruck gebrachten gesetzlichen Gebots eintretende Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB nur insoweit zum Tragen, als sich aus § 24 AVBFernwärmeV nicht ein anderes ergibt. Denn auch bei der Auslegungsregel des § 134 BGB bleibt für jeden Fall zu prüfen, ob das Verbotsgesetz seinem Sinn und Zweck nach jedweden Verstoß ausnahmslos durch eine rückwirkende Nichtigkeit der betreffenden Vertragsbestimmung sanktionieren will oder einen weniger einschneidenden, dem Zweck des Verbotsgesetzes aber gleichwohl angemessenen Interessenausgleich und eine damit einhergehende Begrenzung der Nichtigkeitsfolge zulässt[5].

Das ist hier der Fall. Insbesondere schließt § 134 BGB – genauso wie etwa § 306 BGB im Falle einer Unwirksamkeit unangemessen benachteiligender Allgemeiner Geschäftsbedingungen – auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht aus, durch die eine durch die Nichtigkeitsfolge entstandene Vertragslücke unter Berücksichtigung der an den Besonderheiten des Fernwärmemarktes ausgerichteten Zielsetzungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärmeV aF in einer den beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien gerecht werdenden Weise ausgefüllt wird[6].

Wie der Bundesgerichtshof zu unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Gaslieferungsverträgen entschieden hat, ist die in derartigen Verträgen durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel eingetretene Lücke im Regelungsplan der Parteien im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und er nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht. In diesen Fällen führt eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat[7].

Diese Lösung ist auch auf den Fall einer unwirksamen Preisgleitklausel in einem Fernwärmevertrag zu übertragen, so dass der Kläger sich nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein. Denn auch hier waren sich die Vertragsparteien bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte Anfangspreis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten sollte. Notwendige Preisanpassungen sollten sich hingegen – wie in § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV aF /§ 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV vorgesehen – im Rahmen von Preisänderungsklauseln ohne eine Kündigung des Vertrages vollziehen können[8]. Durch die Nichtigkeit der von den Parteien vereinbarten Preisanpassungsklausel ist daher auch hier im Regelungsplan der Parteien eine Lücke entstanden[9].

Diese führt zu einer nicht mehr hinnehmbaren Störung des Vertragsgefüges des Fernwärmeversorgungsvertrages, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um ein langjähriges Versorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und er nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht[10]. Denn in einem solchen Fall hat auch der Fernwärmeversorger im Nachhinein nicht mehr die Möglichkeit, einer unbefriedigenden Erlössituation in zumutbarer Weise zu begegnen.

Es ist daher zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemessenen, objektivgeneralisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bei Vertragsabschluss bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der verwendeten Preisänderungsklausel jedenfalls unsicher war.

Die vom Bundesgerichtshof für die Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln in Gaslieferungsverträgen entwickelte Lösung stellt auch für Fernwärmelieferungsverträge einen in diesem Sinne angemessenen Interessenausgleich dar.

Bei Fernwärmelieferungsverträgen handelt es sich ebenfalls um langfristige Vertragsverhältnisse, bei denen ein anerkennenswertes Bedürfnis besteht, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten, und dem es zuwiderliefe, wenn die Nichtigkeit der Preiserhöhungen rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könnte. Denn dies hätte zur Folge, dass der Fernwärmeversorger ohne Rücksicht auf Schwankungen seiner eigenen Bezugspreise für die gesamte Vertragslaufzeit nur den ursprünglich vereinbarten Preis beanspruchen könnte. Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig und würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen. Derartiges entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen[11]. Zudem wäre dann die durch die AVBFernwärmeV betonte Marktorientierung der Fernwärmepreise nicht gewährleistet.

Ebenso wie das Energiewirtschaftsrecht[12] verfolgt die AVBFernwärmeV den Zweck einer möglichst kostengünstigen Versorgung des Verbrauchers und berücksichtigt dabei in besonderer Weise den mit der Leitungsgebundenheit der Versorgung verbundenen Zwang zu hohen Investitionen[13]. Daher wurde es ebenso wie bei anderen Energieversorgungsverträgen vom Verordnungsgeber als erforderlich angesehen, dass sich notwendige Preisanpassungen im Rahmen von Preisänderungsklauseln ohne eine Kündigung des langfristig angelegten Vertragsverhältnisses vollziehen können[14].

Dieses Ziel würde verfehlt, wenn dem Versorger jede Möglichkeit genommen würde, Kostensteigerungen an den Kunden weiterzugeben, so dass er zeitlich unbeschränkt an den alten Ausgangspreis gebunden bliebe[11]. Die Parteien hätten daher auch hier, wenn sie erkannt hätten, dass die Wirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel unsicher war, jedenfalls eine Regelung vereinbart, nach der es ausgeschlossen ist, nach einem längeren Zeitraum die Unwirksamkeit von Preisanpassungen geltend zu machen, die zuvor nicht in Frage gestellt worden sind[15].

Auch bei Fernwärmelieferverträgen trägt die Bestimmung einer Frist, innerhalb derer der Kunde die Preiserhöhung beanstanden muss, um sich auf ihre Unwirksamkeit berufen zu können, den Interessen beider Parteien Rechnung. Denn auch ein solcher Vertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, bei dem ein besonderes Bedürfnis danach besteht, dass gegenseitige Ansprüche zeitnah geltend gemacht werden und sich nicht durch verspätete Geltendmachung aufsummieren. Zudem handelt es sich ebenfalls um ein Schuldverhältnis mit einer Vielzahl von Kunden und damit auch einer Vielzahl von Abrechnungsvorgängen, die Jahr für Jahr aufeinander aufbauen. Die in diesen Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen dürfen daher nicht unvertretbar lange mit Unsicherheiten behaftet sein. Es ist vielmehr erforderlich, dass die sich für beide Seiten stellende Frage, ob eine bestimmte Preiserhöhung Bestand hat oder nicht, ohne größere praktische Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Damit wird dem Versorger eine verlässliche Basis für seine (Kosten)Kalkulationen geschaffen, während der Verbraucher weiß, mit welchen Kosten er zu rechnen hat[16].

In der AVBFernwärmeV ist – ebenso wie sonst im Energierecht[17] – ein Interessenausgleich, der die Geltendmachung von Rechten von der Reaktion einer Partei innerhalb gewisser Fristen abhängig macht, verschiedentlich vorgesehen, so dass es auch hier nahe liegt, sich an diesen Vorbildern für die im Wege ergänzender Vertragsauslegung vorzunehmende Lückenschließung zu orientieren.

So ist ebenso wie in § 21 AVBGasV auch in § 21 AVBFernwärmeV geregelt, dass Ansprüche wegen Fehlern bei der Ermittlung des Rechnungsbetrages auf einen Zeitraum von längstens zwei Jahren beschränkt sind. Auch in § 30 AVBFernwärmeV findet sich genauso wie in § 30 AVBGasV eine weitere zeitliche Begrenzung. Einwände gegen Rechnungen und Abschlagsberechnungen berechtigen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen, und der Zahlungsaufschub oder die Zahlungsverweigerung innerhalb von zwei Jahren nach Zugang der fehlerhaften Rechnung oder Abschlagsberechnung geltend gemacht werden. Im Einklang mit den inhaltsgleichen Zielsetzungen der GasGVV, in deren § 18 die im Interesse einer reibungslosen Durchführung des Vertragsverhältnisses und des Rechtsfriedens liegende zeitliche Anspruchsbeschränkung des § 21 AVBGasV zwischenzeitlich von zwei auf drei Jahre erweitert worden ist[18], ist deshalb auch für den Bereich der Fernwärmeversorgung von einer Frist von drei Jahren auszugehen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. September 2014 – VIII ZR 350/13

  1. Fortführung BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2011 – VIII ZR 339/10, WM 2011, 1910 Rn.19[]
  3. BGBl. I S. 1483[]
  4. vgl. hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 25.06.2014 – VIII ZR 344/13, WM 2014, 1828 Rn.19 ff., 23 ff. mwN; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 25.06.2014 – VIII ZR 344/13, aaO Rn. 33[]
  6. vgl. BGH, Urteile vom 07.12 2010 – KZR 71/08, GRUR 2011, 641 Rn. 50 f.; vom 29.06.2010 – KZR 9/08, CR 2010, 640 Rn. 27[]
  7. BGH, Urteile vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn.19 ff., und – VIII ZR 93/11, ZNER 2012, 265 Rn. 26 ff.[]
  8. BR-Drs. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, Allgemeine Versorgungsbedingungen für Fernwärme, 2. Aufl., S. 255[]
  9. vgl. BGH, Urteile vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn.20, und – VIII ZR 93/11, aaO Rn. 25[]
  10. vgl. BGH, Urteile vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn. 23, und – VIII ZR 93/11, aaO Rn. 28[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn. 26[][]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn. 27[]
  13. BR-Drs. 90/80, aaO S. 237, 258 f.[]
  14. BR-Drs. 90/80, aaO S. 255, 258 f.[]
  15. vgl. BGH, Urteile vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn. 30, und – VIII ZR 93/11, aaO Rn. 29 f.[]
  16. vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn. 31[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn. 32 ff.[]
  18. vgl. BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, aaO Rn. 33[]