Energiesteuerentlastung für Wärmeverluste in Fernwärmenetzen

Einem (kommunalen) Energieversorgungsunternehmen steht ein Entlastungsanspruch nach § 54 Abs. 1 EnergieStG für diejenige Erdgasmenge zu, die sie zusätzlich zum Ausgleich von Wärmeverlusten in dem von ihr betriebenen örtlichen Fernwärmenetz eingesetzt hat.

Energiesteuerentlastung für Wärmeverluste in Fernwärmenetzen

Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag u.a. für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) zu betrieblichen Zwecken verheizt worden sind. Eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse, die zur Erzeugung von Wärme verwendet worden sind, wird jedoch nur gewährt, soweit die erzeugte Wärme nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt worden ist.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Finanzgericht, die für den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, handelt es sich bei der Energieversorgerin um ein Unternehmen der Energieversorgung mit dem Geschäftsbereich Wärmeversorgung, das der Gruppe 40.3 (Wärmeversorgung) des Unterabschnitts EA (Energie- und Wasserversorgung) der WZ 2003 zuzuordnen ist. Aufgrund dieser Einordnung in die WZ 2003 gehört sie zu dem in § 54 Abs. 1 EnergieStG festgelegten Begünstigtenkreis. Ihre Geschäftstätigkeit umfasst sowohl das Netzmanagement als auch die Erzeugung von Wärme und deren Vertrieb an die jeweiligen Endverbraucher. Um das Produkt Wärme anbieten und zu den jeweiligen Übergabestellen transportieren zu können, ist der Betrieb des eigenen Rohrleitungssystems unabdingbar und damit Voraussetzung für die Ausübung der nach § 54 Abs. 1 EnergieStG begünstigten Tätigkeit. Über dieses Netz hat die Energieversorgerin Wärme im vereinbarten Umfang jederzeit an der Übergabestelle zur Verfügung zu stellen. Aufgrund dieser Umstände ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Energieversorgerin die streitgegenständlichen Erdgasmengen, die auf den Verlustausgleich entfallen, i.S. des § 54 Abs. 1 EnergieStG im Rahmen des Netzmanagements zu eigenen betrieblichen Zwecken verheizt hat.

Dem danach der Energieversorgerin zustehenden Entlastungsanspruch steht § 54 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG nicht entgegen.

Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die Fälle des sog. „Schein-contractings“ einschränken und eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Steuervorteilen verhindern[1]. Ausweislich der Gesetzesbegründung trägt die Regelung dem Umstand Rechnung, dass die Begünstigung der Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft für nicht begünstigte Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen einen Anreiz geschaffen hat, insbesondere die energieintensive Erzeugung von Kälte, Wärme, Licht, Druckluft und mechanische Energie auf begünstigte Unternehmen auszulagern. Um die faktische Inanspruchnahme der Steuerentlastung durch nicht begünstigte Unternehmen weitgehend auszuschließen, wurde die Regelung getroffen, dass u.a. der Verbrauch von Energieerzeugnissen für diese Zwecke nur begünstigt ist, soweit die genannten Erzeugnisse auch durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft tatsächlich genutzt werden[2]. Aufgrund der dargestellten Intention des Gesetzgebers ließe sich eine Auslegung des § 54 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG vertreten, nach der diese Bestimmung nur auf solche Unternehmen anzuwenden ist, die, ohne Erzeuger zu sein, von einem Versorger mit thermischer Energie beliefert werden, denn nur dann kann es sich um einen Fall des contractings handeln. Im Streitfall bedarf die Auslegungsfrage jedoch keiner abschließenden Klärung, denn die Energieversorgerin ist auch als tatsächlicher Nutzer der Wärme anzusehen.

Wie der Bundesfinanzhof zur Parallelvorschrift des § 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG entschieden hat, schließt die durch die Gesetzesmaterialien belegte Zielsetzung der Vorschrift aus, den Begriff des Nutzers der Energie dahin zu deuten, dass als solcher auch derjenige angesehen werden kann, der die Nutzenergie im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung erzeugt, ohne sie unmittelbar selbst einzusetzen[3]. Eine solche Konstellation liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Denn das zur Erzeugung der thermischen Energie verwendete Erdgas wurde mit dem Ziel eingesetzt, in dem von der Energieversorgerin in ihrem Zuständigkeitsbereich betriebenen Fernwärmenetz eine bestimmte Betriebstemperatur zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Ohne den Verlustausgleich wäre es der Energieversorgerin nicht möglich gewesen, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Unter diesen Gesichtspunkten ist der Leitungsverlust untrennbar als mit der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Energieversorgungsunternehmens verbunden anzusehen, das sich zur Belieferung seiner Kunden eines Rohrleitungsnetzes bedient.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nach § 2 Nr. 3 StromStG alle Unternehmen in die Begünstigung einbezogen hat, die dem Abschnitt E (Energie- und Wasserversorgung) zuzuordnen sind. Somit sollen nach der Intention des Gesetzgebers auch solche Unternehmen in den Genuss des Steuervorteils kommen, deren Tätigkeit auf die Verteilung von Dampf und Warmwasser beschränkt ist und die der Unterklasse 40.30.5 (Wärmeverteilung ohne Erzeugung) WZ 2003 zuzuordnen sind. Daraus folgt, dass auch der Betrieb eines zur Verteilung von Wärme notwendigen Fernwärmenetzes für sich gesehen grundsätzlich eine begünstigte Tätigkeit darstellt. Auch hinsichtlich der zur Aufrechterhaltung der im Fernwärmenetz erforderlichen Betriebstemperatur verwendeten Erdgasmengen ist die Energieversorgerin somit als originärer und tatsächlicher Nutzer anzusehen. Andere Unternehmen können die durch dieses Erdgas erzeugte Wärme schon deshalb nicht nutzen, weil die dem Verlustausgleich dienende thermische Energie dem Betrieb des Fernwärmenetzes dient, d.h. in diesem verbraucht wird, und daher nicht gleichzeitig an einer Übergabestelle von Vertragspartnern der Energieversorgerin dem Netz entnommen werden kann.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. November 2016 – VII R 6/16

  1. vgl. Jansen in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, § 54 EnergieStG Rz 19[]
  2. BT-Drs. 17/3030, S. 43, 45[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 247, 176, ZfZ 2014, 310[]