Handel mit Emissionszertifikaten – und die Umsatzsteuerhinterziehung

Die zur Ausfüllung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) vorgenommene Auslegung von § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG in der Fassung vom 13.12 2006, wonach der dort verwendete Begriff der „ähnlichen Rechte“ Emissionszertifikate einschließt, verstößt weder gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG noch gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gemäß Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Handel mit Emissionszertifikaten – und die Umsatzsteuerhinterziehung

Bei der Übertragung eines Emissionszertifikats handelt es sich um die Übertragung eines Rechts und damit um eine sonstige Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 UStG.

Nach der bis zum 31.12 2009 geltenden Fassung des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG a.F.) wird eine sonstige Leistung grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 UStG a.F.). Dagegen werden in Fällen, in denen der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, die in § 3a Abs. 4 UStG a.F. genannten sonstigen Leistungen dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz hat (§ 3a Abs. 3 Satz 1 UStG a.F.). Wird die sonstige Leistung an der Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgeblich (§ 3a Abs. 3 Satz 2 UStG a.F.).

Zu den von § 3a Abs. 4 UStG a.F. erfassten Leistungen gehört gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Markenrechten und ähnlichen Rechten. Die Vorschrift beruht auf Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der im Tatzeitraum geltenden Fassung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem[1]. Diese Regelung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bestimmt u.a. für Fälle, in denen der Dienstleistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als der Dienstleistungserbringer, dass als Leistungsort der Dienstleistung für die Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten derjenige Ort gilt, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Die Regelung entspricht Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, 1. Gedankenstrich der zuvor geltenden Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie[2].

Bei den Emissionszertifikaten handelt es sich um Berechtigungen i.S.v. § 3 Abs. 4 TEHG a.F. (Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen – Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz vom 08.07.2004[3]) und damit um die Befugnis zur Emission von jeweils einer Tonne Kohlendioxidäquivalente in einem bestimmten Zeitraum. Berechtigungen, die von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die laufende Zuteilungsperiode ausgegeben worden sind, stehen den in der Bundesrepublik Deutschland ausgegebenen Berechtigungen gleich (§ 13 Abs. 1 TEHG a.F). Die zuständige Behörde führt ein Emissionshandelsregister in Form einer elektronischen Datenbank. Dort wird für jeden Verantwortlichen i.S.v. § 3 Abs. 7 Satz 1 TEHG a.F., d.h. für jede natürliche und juristische Person, welche die unmittelbare Entscheidungsgewalt über eine Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes innehat und dabei die wirtschaftlichen Risiken der Tätigkeit trägt – in der Regel der Betreiber der Anlage – ein Konto eingerichtet, auf dem die Ausgabe, der Besitz, die Übertragung und die Abgabe von Berechtigungen verzeichnet werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TEHG a.F.). Auch jede andere natürliche oder juristische Person kann die Einrichtung eines Kontos beantragen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TEHG a.F.).

Die Berechtigungen sind gemäß § 6 Abs. 3 TEHG a.F. übertragbar. Die Übertragung findet gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 TEHG a.F. durch Einigung und Eintragung auf dem Konto des Erwerbers im Emissionshandelsregister statt. Die Eintragung erfolgt auf Anweisung des Veräußerers an die kontoführende Stelle, Berechtigungen von seinem Konto auf das Konto des Erwerbers zu übertragen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 TEHG a.F.). Soweit für jemanden eine Berechtigung eingetragen ist, gilt der Inhalt des Registers als richtig (§ 16 Abs. 2 Satz 1 TEHG a.F.). Dies gilt lediglich dann nicht, wenn die Unrichtigkeit dem Empfänger ausgegebener Berechtigungen bei Ausgabe bekannt war (§ 16 Abs. 2 TEHG a.F.).

Der Handel mit einem Emissionszertifikat stellt die Übertragung eines „ähnlichen Rechts“ i.S.v. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. dar.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG um eine ausdrückliche Umsetzung der Vorgaben der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie in das deutsche Umsatzsteuerrecht handelt[4]. Schon in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie war das Empfängerprinzip für sonstige Leistungen an Empfänger außerhalb des Ausgangsstaates vorgesehen, soweit es sich bei der Leistung um die Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichenrechten sowie ähnlichen Rechten handelte. Die identische Formulierung findet sich in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der im Tatzeitraum anwendbaren Fassung.

Auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs im vorliegenden Verfahren[5] hat der EuGH am 8.12 2016 entschieden, dass die in dieser Bestimmung genannten „ähnlichen Rechte“ die in Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates definierten Treibhausgasemissionszertifikate einschließen[6]. Der EuGH bejahte dies zum einen mit der Begründung, dass die Zertifikate und anderen Rechte jeweils immaterieller Art sind, ihrem Inhaber die Stellung der Ausschließlichkeit gewähren, mittels einer Abtretung oder Lizenz an einen Dritten übertragen werden können und einer Eintragung unterliegen. Zum anderen wies er darauf hin, dass Ziel der Regeln über den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen sei, einerseits Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, und andererseits die Nichtbesteuerung von Einnahmen zu verhindern[7]. Bereits zu Art. 9 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie habe der EuGH festgestellt, dass die Erhebung nach Möglichkeit an dem Ort erfolgen soll, an dem die Gegenstände verbraucht oder die Dienstleistungen in Anspruch genommen werden[8].

Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts[9] ist diese Auslegung des Art. 56 a.F. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie)) auch für die steuerrechtliche Auslegung des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. maßgeblich[10].

Auch unabhängig hiervon könnten die vorgebrachten Bedenken die Einstufung der Emissionszertifikate als „ähnliches Recht“ i.S.v. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. nicht in Frage stellen.

Der Hinweis darauf, dass von Nummer 1 des Anhangs B zu Art. 6 Abs. 2 der zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems[11] auch die Gewährung von Lizenzen auf die genannten Rechte erfasst worden seien, berührt das Ergebnis der Auslegung nicht. Denn § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. wurde erst auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, 1. Gedankenstrich der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie in das Umsatzsteuergesetz eingeführt[12]. Die Formulierung „Gewährung von Lizenzen betreffend diese Rechte“ war in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, 1. Gedankenstrich der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie gerade nicht enthalten.

Soweit geltend gemacht wird, eine Berechtigung nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) könne andere Personen nicht davon ausschließen, Treibhausgase zu emittieren, könnte dies der Einstufung von Emissionszertifikaten als „ähnliches Recht“ ebenfalls nicht entgegenstehen. Denn nur wer diese Berechtigung besitzt, hat die Befugnis zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum (§ 3 Abs. 4 Satz 1 TEHG a.F.). Wer kein Emissionszertifikat besitzt und trotzdem Treibhausgase emittiert, setzt sich dem Sanktionsmechanismus des § 18 TEHG aus[13].

Die vom EuGH vorgegebene Auslegung des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. zum Begriff des „ähnlichen Rechts“ ist auch zugrunde zu legen, soweit diese steuerrechtliche Norm als Ausfüllungsnorm des Straftatbestands der Steuerhinterziehung heranzuziehen ist. Sie wahrt sowohl die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG als auch die Grundsätze aus Art. 49 Abs. 1 EU-GRCh. Die unionsrechtskonforme Auslegung des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. entsprechend der vom EuGH vorgenommenen Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, nach der der dort verwendete Begriff des „ähnlichen Rechts“ Emissionszertifikate einschließt, verstößt nicht gegen das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG in seinen Ausprägungen als Analogieverbot und Bestimmtheitsgebot.

Zum Gewährleistungsinhalt des Art. 103 Abs. 2 GG gehört die den Gesetzgeber treffende Verpflichtung, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen[14]. Für die Rechtsprechung folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit ein Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogie[15]. Ausgeschlossen ist dabei jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Der mögliche Wortsinn markiert die äußere Grenze zulässiger richterlicher Interpretation[16].

Bei Blankettstrafgesetzen unterliegen neben der Strafnorm auch die sie ausfüllenden Vorschriften den sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei § 370 Abs. 1 AO um eine solche Blankettstrafnorm, die durch die Vorschriften der Einzelsteuergesetze ausgefüllt wird. Daher ist auch die Auslegung und Anwendung der ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen[17].

Für die Bestimmung des möglichen Wortsinns können gesetzessystematische und teleologische Erwägungen von Bedeutung sein[18]. Die für das Verbot strafbegründender Analogie maßgebliche Wortbedeutung erschließt sich bei dem hier maßgeblichen Begriff der „Ähnlichkeit“ erst durch den Vergleich. Der mögliche Wortsinn, der „die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation“ absteckt, ergibt sich daher nicht aus dem Wort selbst, sondern aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschrift[19]. Um den Wortsinn zu ermitteln, ist daher der Zusammenhang des Normgefüges in den Blick zu nehmen[20].

Berücksichtigt man den Sinnzusammenhang des Tatbestandsmerkmals Patente, Urheberrechte, Markenrechte und ähnliche Rechte, so handelt es sich in § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. um ein normatives Tatbestandsmerkmal, das sich zur Ausfüllung der einzelnen Teilmerkmale der Vorgaben des Rechts über das geistige Eigentum, also des Patentrechts, des Urheberrechts und des Markenrechts bedient[21]. Da es sich jedoch um eine steuerrechtliche Vorschrift handelt, ist die Ähnlichkeit anderer Rechte nicht aus dem Blickwinkel des Rechts des geistigen Eigentums zu bestimmen, sondern aus der „Außensicht“ des Steuerrechts, der eine wirtschaftliche Betrachtungsweise immanent ist. Es kommt also auf die steuerrechtliche Vergleichbarkeit an. Da das Gesetz weder den Grad der Ähnlichkeit noch ihre Kriterien benennt, ist die Wortsinngrenze selbst dann nicht überschritten, wenn die Rechte, die unter § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. subsumiert werden, nur in einem einzigen Kriterium, das steuerrechtliche Bedeutung haben kann, übereinstimmen[22]. Die vom EuGH genannten Kriterien[23] sind sowohl bei den Rechten des geistigen Eigentums als auch in dem in den Emissionszertifikaten verkörperten Verschmutzungsrecht erfüllt. Steuerrechtliche Bedeutung für die Ähnlichkeit der Rechte hat die Befugnis, andere von der Nutzung auszuschließen, insofern, als die Erhebung an dem Ort stattfindet, von dem aus die Nutzung oder Verwertung des Rechts erfolgt. Es handelt sich um einen klaren Maßstab, durch den eine Doppelbesteuerung ebenso verhindert werden kann wie eine Nichtbesteuerung[24]. Keine Bedeutung hat demgegenüber die Frage, ob es sich nach zivilrechtlicher Bewertung um ein „ähnliches Recht“ handelt. Denn trotz der grundsätzlichen Bindung des Steuerrechts an die verwendeten Begriffe aus anderen Rechtsgebieten, sind – auch im Hinblick auf die im Steuerrecht maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise – steuerrechtliche Vorschriften eigenständig auszulegen.

Abs. 2 GG enthält zudem die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Es geht einerseits um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Andererseits soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstraktgenerell über die Strafbarkeit entscheidet[25]. Allerdings darf das Gebot der Gesetzesbestimmtheit nicht übersteigert werden; die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden. Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht sind deshalb nicht von vornherein und immer verfassungsrechtlich zu beanstanden. Dabei kann die Frage, ob der Tatbestand der Strafnorm „gesetzlich bestimmt“ im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist, auch davon abhängen, an welchen Kreis von Adressaten sich die Vorschrift wendet[26]. Die Sinngrenze ist also nach dem Verständnis des jeweiligen Normadressaten, mithin aus dem Empfängerhorizont des Bürgers zu bestimmen[27]. Richtet sich die Strafnorm ausschließlich an Personen, bei denen aufgrund ihrer Ausbildung oder praktischen Erfahrungen bestimmte Fachkenntnisse regelmäßig vorauszusetzen sind, begegnet die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe auch dann keinen Bedenken, wenn der Adressat aufgrund seines Fachwissens imstande ist, den Regelungsinhalt solcher Begriffe zu verstehen und ihnen konkrete Verhaltensanforderungen zu entnehmen[28]. So verhält es sich auch hier.

Normadressaten des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. sind Unternehmer, deren gewerbliche oder berufliche Tätigkeit (§ 2 UStG) sich auf die Einräumung, Übertragung oder Wahrnehmung von Rechten erstreckt. Sie konnten den Regelungsgehalt dieser Norm verstehen. Auch die Angeklagten sind nach den Feststellungen bei der Beratung des Mitangeklagten G. zutreffend davon ausgegangen, dass die Emissionszertifikate von dieser Norm erfasst werden.

Selbst jeder andere steuerlich beratene Unternehmer hätte ohne weiteres erkennen können, dass im vorliegenden Fall die Leistung aufgrund der Anwendung des Empfängerprinzips die Leistungen der E. nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg der Umsatzsteuer unterlagen. Denn die Auffassung, dass die Emissionszertifikate von § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. erfasst werden, entspricht der einhelligen Ansicht in Rechtsprechung[29], Finanzverwaltung[30] und Literatur[31]. Somit war die Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 AO im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug aus Gutschriften über die Veräußerung von Emissionszertifikaten vorhersehbar.

Soweit geltend gemacht wird, Generalanwalt W. habe die im Vorabentscheidungsverfahren zu beantwortende Frage dahin beschrieben, ob es gerechtfertigt sei, die Mehrwertsteuersystemrichtlinie über den Wortlaut von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie hinaus auszulegen[32], ist dem zu widersprechen. Bereits der Generalbundesanwalt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um einen Übersetzungsfehler der deutschen Fassung der Schlussanträge des Generalanwalts handelt. Sowohl aus der verbindlichen Originalsprache der Schlussanträge Französisch, welche in Textziffer 41 die Formulierung „outre la formulation“ verwendet, als auch aus der englischsprachigen Fassung „aside from the wording“ geht eindeutig hervor, dass es allein darum ging, ob „abgesehen vom Wortlaut“ bereits aus dem Normzweck des Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie oder dem anderer Bestimmungen oder auch aus anderen Gesichtspunkten abzuleiten war, dass die Emissionszertifkate in Anbetracht ihrer Merkmale der Kategorie der ähnlichen Rechte im Sinne dieser Bestimmung zuzuordnen waren. Der Generalanwalt ist – wie dann auch der EuGH – zum Ergebnis gelangt, dass die Bejahung dieser Frage im Einklang mit Systematik und Zweck von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie steht[33]. Der EuGH hat anhand der Regelungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dargelegt, dass es sich bei Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht um eine eng auszulegende Ausnahme von einem allgemeinen Grundsatz handelt. Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu anderen Bestimmungen dieser Regelung über den Ort der sonstigen Leistung[34]. Gerade die Auslegung im Zusammenhang des Normgefüges ist damit entscheidend, um den Wortsinn zu ermitteln.

Wie bereits der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen[35] dargelegt und der EuGH später bestätigt hat, weisen die Emissionszertifikate mit den in der Richtlinie beispielhaft genannten Rechten die Übereinstimmung auf, dass sie dem Inhaber eine Stellung der Ausschließlichkeit gewähren. Sie können ferner durch Abtretung oder Lizenzierung auf Dritte übertragen und von diesen genutzt werden. Überdies unterliegen der Besitz und die Übertragung dieser Emissionsrechte ebenso der Eintragung wie manche der ausdrücklich genannten Rechte[36]. Zudem hat der EuGH klargestellt, dass die Einbeziehung der Emissionszertifikate in die in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auch dem Normzweck der Regelung entspricht, einerseits Kompetenzkonflikte mit einer Doppelbesteuerung zu vermeiden und andererseits Nichtbesteuerungen zu verhindern[37].

Soweit die Revisionen behauptet haben, bei den „ähnlichen Rechten“ müsse es sich um Rechte handeln, bei denen sowohl die Möglichkeit der Abtretung als auch die der Einräumung bestehe (lizenzierbare Rechte), ist dem schon der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen[38] entgegengetreten. Solches lässt sich nicht aus der Systematik der Bestimmungen der Richtlinie ableiten; erst recht ist die äußerste Grenze des Wortsinns der „ähnlichen Rechte“ nicht auf eine solche Auslegung beschränkt. Entscheidend ist, dass die vom EuGH anhand des Normgefüges der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgenommene Auslegung des Begriffs der „ähnlichen Rechte“[39] mit dessen möglichen Wortsinn vereinbar ist und damit weder gegen Art. 103 Abs. 2 GG noch gegen Art. 49 Abs. 1 EU-GRCh verstößt. Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist diese Auslegung daher auch im Rahmen des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) zugrundezulegen; denn § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 UStG in der bis zum 31.12 2009 geltenden Fassung setzt die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 56 bzw. Art. 59 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in nationales Recht um.

Da sich der Leistungsort somit gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 3a Abs. 3 UStG a.F. am Sitz der Leistungsempfängerin in Luxemburg befand, war eine Übertragung der Emissionszertifkate von der E. auf die I. in Deutschland nicht steuerbar, so dass der Vorsteuerabzug in den Umsatzsteuervoranmeldungen selbst dann unrichtig war, wenn man die sich aus der Einbindung der beiden Gesellschaften in ein Umsatzsteuerhinterziehungssystem ergebenden Versagungsgründe für den Vorsteuerabzug außer Betracht lässt.

Der Umfang der Steuerverkürzung aus dem unberechtigten Vorsteuerabzug zugunsten der I. aus den der E. erteilten Gutschriften hat sich nicht dadurch verringert, dass für diese Gesellschaft die Weiterübertragung der Emissionszertifikate auf die C. zu Unrecht als steuerpflichtiger Umsatz erklärt wurde.

Allerdings trifft es zu, dass eine sich aus Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ergebende Steuerschuld der I. nicht bestand. Dies gilt selbst dann, wenn man trotz Einbindung in ein Umsatzsteuerhinterziehungssystem ein Handeln dieser Gesellschaft als Unternehmerin unterstellte. Zwar wäre dann die sonstige Leistung am Sitz der Leistungsempfängerin C. in Deutschland ausgeführt (§ 3a Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 3a Abs. 3 UStG a.F.), so dass eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Leistung vorläge. Da die Steuerschuld dann aber gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UStG a.F. auf die C. als Empfängerin einer sonstigen Leistung eines ausländischen Unternehmers (vgl. § 13b Abs. 4 UStG a.F.) überginge, wäre diese Gesellschaft und nicht die I. Schuldnerin der durch die Leistungserbringung entstandenen Umsatzsteuer.

Gleichwohl schuldete die I. die in den Gutschriften der C. ausgewiesene Umsatzsteuer. Sie wurde gemäß § 14c Abs. 2 UStG – nach dem Wissensstand der Angeklagten nach § 14c Abs. 1 UStG[40] – Schuldnerin dieser Umsatzsteuer, weil sie den ihr von der C. übermittelten Gutschriften als vereinbarte Abrechnungsweise nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG widersprochen hatte[41].

Die Steuer nach § 14c UStG entstand jeweils mit der Ausgabe der Gutschriften anstelle von Rechnungen, da die Beteiligten diesen Abrechnungsweg vereinbart hatten (vgl. zu § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UStG a.F.: BFH, Urteile vom 08.09.2011 – – V R 5/10, BFHE 235, 481; und vom 05.06.2014 – – XI R 44/12, DStR 2014, 1673). Die Urteilsfeststellungen zu den Abläufen in der betrügerischen Handelskette, in der die I. die Rolle eines Buffers innehatte, belegen, dass die Gutschriften jeweils taggleich mit den Ketten-Veräußerungen der Zertifikate erstellt und den jeweiligen Verkäufern – darunter der I. – zugeleitet wurden. Auch die I. übermittelte der E. ihre Gutschriften und Provisionsrechnungen taggleich.

Der Umstand, dass für diese Steuerbeträge in den Umsatzsteuervoranmeldungen ein falscher Rechtsgrund angegeben wurde, nämlich „steuerpflichtige Umsätze“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG anstatt „andere Umsätze“ gemäß § 14c UStG, führt zu keinem anderen Ergebnis[42].

Die im vorliegenden Fall vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen auch den Tatvorsatz der Angeklagten. Denn danach gingen die Angeklagten entgegen ihrer Einlassung nicht davon aus, dass während der Monate April und Mai 2009 eine deutsche Betriebsstätte der I. und deren Berechtigung zum Umsatzsteuerausweis bestanden hatte. Sie erkannten die daraus resultierenden steuerrechtlichen Konsequenzen, nämlich dass kein Recht zum Vorsteuerabzug bestand. Dabei setzten sie sich bewusst über diese Erkenntnis hinweg und nahmen Steueranmeldungen mit unzutreffendem Inhalt billigend in Kauf.

Unabhängig davon, dass die vom Landgericht getroffenen Feststellungen wegen der Erstellung der Umsatzsteueranmeldungen in der Steuerberaterkanzlei sogar eine Verurteilung wegen täterschaftlich begangener Steuerhinterziehung gerechtfertigt hätten, liegen auch die subjektiven Voraussetzungen einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor.

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sog. berufstypischen bzw. „neutralen“ Handlungen vgl. BGH, Beschluss vom 21.12 2016 – 1 StR 112/16, Rn. 30, NStZ 2017, 337; Urteile vom 21.08.2014 – 1 StR 13/14, NStZ-RR 2014, 316; vom 22.01.2014 – 5 StR 468/12, wistra 2014, 176; und vom 01.08.2000 – 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21; Beschluss vom 20.09.1999 – 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; jeweils mwN)), ergibt sich im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis. Zwar wurden die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen von den Angeklagten im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als steuerliche Berater erstellt und eingereicht. Auch war ihnen die Einbindung der I. in ein „Umsatzsteuerbetrugssystem“ nicht bekannt. Zudem gingen sie davon aus, dass „ein materieller Steuerschaden“ nicht entstehe, weil sich für die I. aufgrund der Umsatzsteuervoranmeldungen jeweils eine geringe Zahllast ergab. Die Feststellungen belegen jedoch, dass das von ihnen erkannte Risiko eines strafbaren Verhaltens des Mitangeklagten G. derart hoch war, dass sie sich mit ihrer Hilfeleistung die Förderung einer erkennbar tatgeneigten Person angelegen sein ließen. Nach den Feststellungen hielten sie es für „höchst wahrscheinlich“, dass die I. während der Monate April und Mai 2009 über keine Betriebsstätte oder sonstige Niederlassung in Deutschland verfügte, und erkannten die daraus resultierenden steuerrechtlichen Konsequenzen, nämlich dass kein Recht zum Vorsteuerabzug bestand. Sie setzten sich bewusst über diese Erkenntnis hinweg. In dieser Situation verlor ihr Tun den „Alltagscharakter“ als berufstypisch; es ist als „Solidarisierung“ mit einem Straftäter zu deuten und damit auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen.

Eine Strafbarkeit der Steuerberater wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass betreffend die I. für die Voranmeldungszeiträume durch den zuerst beauftragten Steuerberater sog. Nullmeldungen abgegeben worden waren.

Zwar sind durch diese „Nullmeldungen“ bereits Steuerverkürzungen eingetreten, weil die eingereichten Steueranmeldungen, in denen die nach § 14c UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erklärt wurde, gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung gleichstehen. Dies schließt jedoch neue Steuerverkürzungen durch „berichtigte“ Umsatzsteuervoranmeldungen nicht aus, auch wenn diese hier jeweils zu einer geringen Zahllast und damit zu einer etwas niedrigeren Steuerverkürzung als die Nullmeldungen führten.

Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt, genügt für eine Steuerverkürzung schon die zu niedrige Festsetzung von Steuern, also eine konkrete Gefährdung des Steueranspruchs. Dies lässt auch die mehrfache Verwirklichung eines tatbestandlichen Erfolges zu[43].

So verhält es sich auch hier. Indem in den „berichtigten“ Umsatzsteuervoranmeldungen statt der nach § 14c UStG geschuldeten Umsatzsteuer eine solche aus Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) angemeldet wurde, wobei die Zahllast durch unberechtigte Vorsteuerbeträge vermindert wurde, wurden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht. Diese führten gemäß § 168 Satz 1 AO zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung. Da der in Wirklichkeit bestehende Steueranspruch aus § 14c UStG durch neue unrichtige Angaben weiter verschleiert wurde, liegt in der unrichtigen „Berichtigung“ auch eine weitere Gefährdung des Steueraufkommens.

Der Bundesgerichtshof braucht nicht zu entscheiden, ob in der vorliegenden Fallkonstellation für eine an der Abgabe der unrichtigen „Nullmeldungen“ beteiligte Person die Annahme einer mitbestraften Nachtat[44] in Betracht kommen könnte. Denn für die Angeklagten scheidet die Annahme einer mitbestraften Nachtat schon deshalb aus, weil sie an den als Vortaten in Betracht kommenden und durch die Abgabe der ursprünglichen Umsatzsteuervoranmeldungen verwirklichten Steuerhinterziehungen nicht beteiligt waren[45].

Bei der Strafrahmenwahl darf die Verkürzung einer nach § 14c UStG entstandenen Umsatzsteuer nicht für strafrechtlich weniger schutzwürdig als einer nach anderen Normen entstandenen Steuer erachtet werden.

Dies wäre rechtsfehlerhaft, da es sich bei dem Steueranspruch aus § 14c UStG nicht um eine Steuer minderer Qualität handelt. Er dürfte deshalb bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht einfach außer Betracht gelassen werden[46]. Denn mit der Vorschrift des § 14c UStG wollte der Gesetzgeber das Steueraufkommen vor den Folgen eines unberechtigten Vorsteuerabzugs schützen[47].

Im hier entschiedenen Fall hatte sich die mit der Ausstellung unrichtiger Gutschriften entstandene Gefahr mit der tatsächlichen Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus ebendiesen Gutschriften auch tatsächlich realisiert[48], weil die Rechnungsempfängerin die Vorsteuer aus den Gutschriften geltend machte.

Dies hat das Landgericht im vorliegenden Fall jedoch nicht aus dem Blick verloren. Vielmehr hat es ausdrücklich berücksichtigt, dass mit Unterstützung der Angeklagten ein dauerhafter Steuerschaden entstanden sei, für den die Angeklagten auch hafteten.

Es stellt auch keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten gewertet hat, dass aus deren Sicht der deutsche Staat im Ergebnis höhere Steuereinnahmen erzielte, als ihm bei korrekter Fakturierung und steuerlichen Anmeldung zugestanden hätte.

Maßgeblich ist insoweit, dass die Angeklagten von der Einschaltung der E. durch den Mitangeklagten G. als sog. Missing Trader keine Kenntnis hatten und deshalb von einem unternehmerischen Tätigwerden der I. ausgingen. Aus ihrer Sicht bestand daher die Möglichkeit, die von der C. ausgestellten und von der I. akzeptierten Gutschriften jederzeit wieder zu berichtigen. Zwar stellt allein die bloße Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung keinen strafmildernden Umstand dar[49]. Einen solchen hat das Landgericht jedoch auch nicht angenommen. Es hat vielmehr – was zulässig ist – bei der Bewertung der kriminellen Energie der Angeklagten in den Blick genommen, dass aus ihrer Sicht seitens des Haupttäters keine mit einem „Griff in die Kasse des Staates“ verbundene Steuerhinterziehung erfolgte. In diesem Zusammenhang durfte das Landgericht auch berücksichtigen, dass die I. – was auch aus Sicht der Angeklagten richtig gewesen wäre – keine deutsche Umsatzsteuer zu entrichten gehabt hätte, wenn sie weder deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen noch Vorsteuer geltend gemacht hätte. Den Umstand, dass es sich aus Sicht der Angeklagten mithin um eine Konstellation handelte, in der G. aus dem Wunsch heraus, die I. als deutschen Unternehmer auftreten zu lassen, sich zu Unrecht deutscher Umsatzsteuer unterwerfen wollte, durfte das Landgericht bei der Bewertung des Maßes ihrer kriminellen Energie ebenfalls zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigen[50]. Die Tatsache, dass sich hier wegen der Einbindung der I. in ein den Angeklagten nicht bekanntes Umsatzsteuerhinterziehungssystem die sich aus der Ausstellung unrichtiger Gutschriften ergebende Gefahr für das Steueraufkommen tatsächlich realisierte und für den Fiskus auch zu einem dauerhaften Steuerschaden führte, hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zum Nachteil der Angeklagten berücksichtigt.

Soweit das Landgericht zugunsten der Angeklagten deren drohende Inanspruchnahme in Millionenhöhe seitens der Steuerbehörden wegen der verfahrensgegenständlichen Taten gesehen hat, begegnet dies ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kommt eine strafmildernde Berücksichtigung einer möglichen Heranziehung gemäß § 71 AO nur dann in Betracht, wenn ein Angeklagter nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls tatsächlich mit seiner Heranziehung rechnen muss und dies eine besondere Härte darstellen würde[51]. Solche liesen sich hier jedoch den Urteilsgründen indes entnehmen. So drohte nicht nur dem Angeklagten S. im Hinblick auf seine guten wirtschaftlichen Verhältnisse konkret die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner. Auch musste sich die Angeklagte Sc. u.a. wegen der drohenden Haftung in Millionenhöhe in psychotherapeutische Behandlung begeben. Die besondere Härte einer solchen Inanspruchnahme ergibt sich schon daraus, dass beide Angeklagte erheblich gesundheitlich beeinträchtigt sind und von den verfahrensgegenständlichen Taten finanziell in kaum messbarem Umfang profitiert haben.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 1 StR 447/14

  1. ABl. EU Nr. L 347 S. 1, ber. ABl. EU Nr. L 335 S. 60; im Folgenden: Mehrwertsteuersystemrichtlinie[]
  2. Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zu Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [6. Mehrwertsteuerrichtlinie], ABl. EG Nr. L 154 S. 1[]
  3. BGBl. I, 1578[]
  4. vgl. bereits BT-Drs. 8/2827, S. 1[]
  5. BGH, Beschluss vom 22.07.2015 – 1 StR 447/14, NStZ-RR 2015, 375[]
  6. EuGH, Urteil vom 08.12 2016 – Rechtssache C453/15, MwStR 2017, 68[]
  7. EuGH aaO, MwStR 2017, 68, Rn. 22 ff. mwN[]
  8. EuGH aaO, MwStR 2017, 68, Rn. 25 mwN[]
  9. vgl. dazu nur Dannecker/Bülte in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl.2014, Kap. 2 Rn.203[]
  10. vgl. Bülte, NZWiSt 2017, 161, 162[]
  11. ABl. EG Nr. 1303/67[]
  12. BGBl. I 1979, 1953, 1955[]
  13. vgl. Frenz, Emissionshandelsrecht, 2. Aufl., § 6 Rn. 13[]
  14. vgl. BVerfG, Urteil vom 20.03.2002 – 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153[]
  15. vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.12 2004 – 2 BvR 930/04, BVerfGK 4, 261, 265[]
  16. st. Rspr.; vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108, 115; und vom 26.06.2008 – 2 BvR 2067/07, wistra 2009, 17[]
  17. vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.06.2011 – 2 BvR 542/09, wistra 2011, 458 mwN[]
  18. vgl. BVerfG aaO, wistra 2011, 458[]
  19. vgl. Bülte, NZWiSt 2017, 161, 165[]
  20. vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 26.06.1990 – 1 BvR 776/84, BVerfGE 82, 236, 270; und vom 10.01.1995 – 1 BvR 718/89 u.a., BVerfGE 92, 1, 16[]
  21. Bülte, NZWiSt 2017, 161, 166[]
  22. zutreffend Bülte aaO[]
  23. vgl. Urteil vom 08.12 2016 – Rechtssache C453/15, MwStR 2017, 68, Rn. 21 ff.[]
  24. vgl. EuGH aaO, MwStR 2017, 68, Rn. 24[]
  25. vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.04.2010 – 2 BvR 871/04, 2 BvR 414/08, Rn. 54, wistra 2010, 396 mwN[]
  26. vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 01.12 1992 – 1 BvR 88/91 – 1 BvR 576/91, BVerfGE 87, 399, 411; und vom 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 197[]
  27. vgl. BVerfG, Urteil vom 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 u.a., BVerfGE 73, 206, 235; Bülte, NZWiSt 2017, 161, 165 mwN[]
  28. vgl. BVerfG aaO, wistra 2010, 396 Rn. 55 mwN[]
  29. vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 21.06.2013 – 1 K 2550/11 U, Rn. 78; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.2015 – 1 (4) Ss 560/14 u.a., wistra 2015, 325[]
  30. vgl. BMF-Schreiben vom 02.02.2005, – IV A 5 – S 7100 – 16/05, BStBl. – I 2005, 494, 495[]
  31. vgl. Birgel, UVR 2005, 229, 231; Hundt-Eßwein in Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, 114. Lfg., § 3a Rn. 121; Kemper in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, 167. Lfg., § 3a Rn. 328; Sobotta, NWB 2005, 937; Meyer-Hollatz/Nagel/Krüger in Elspas/Salje/Stewing, Emissionshandel, Kap. 45 Rn. 3 f.; Adam/Hentschke/Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts, Kap.08.7[]
  32. vgl. dazu auch Wulf, NZWiSt 2017, 344[]
  33. Tz. 58 ff. der Schlussanträge von Generalanwalt W. vom 07.09.2016 im Vorabentscheidungsverfahren C453/15, Rechtssache A und B[]
  34. vgl. BFH, Urteil vom 01.06.2016 – – XI R 29/14, BStBl. – II 2016, 905 zu § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. sowie Grube, MwStR 2017, 71[]
  35. EuGH, aaO, Tz. 58 ff.[]
  36. EuGH, Urteil vom 08.12 2016 – Rechtssache C453/15, Tz. 22, MwStR 2017, 68[]
  37. EuGH aaO Tz. 24[]
  38. EuGH, aaO, Tz. 54[]
  39. EuGH aaO Tz. 18 ff.[]
  40. vgl. Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, Stand: 8.05.2017, § 14c Rn. 11[]
  41. vgl. BFH, Urteile vom 19.11.2014 – – V R 41/13, DStR 2015, 361; vom 16.10.2013 – – XI R 39/12, BFHE 243, 77; und vom 23.04.1998 – – V R 13/92, BStBl. II, 1998, 418; FG Niedersachsen, Urteil vom 09.10.2013 – 5 K 319/12, DStRE 2014, 1328; FG München, Urteil vom 28.06.2016 – 2 K 3248/13, EFG, 1484; Korn in Bunjes, UStG, 16. Aufl., § 14 Rn. 60; Weymüller in BeckOK-UStG, § 14c Rn. 90 f. und 211 f.; Abschn. 13b.14 Abs. 1 und 14c.1 Abs. 3 UStAE mwN[]
  42. vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 03.12 2013 – 1 StR 579/13, wistra 2014, 144[]
  43. vgl. BGH, Beschluss vom 10.12 2008 – 1 StR 322/08, Rn. 22 f. mwN, wistra 2009, 114[]
  44. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10.02.2015 – 1 StR 405/14, BGHSt 60, 188, 195 mwN[]
  45. vgl. BGH, Beschluss vom 07.07.1993 – 5 StR 212/93, wistra 1993, 302[]
  46. vgl. BGH, Urteil vom 21.08.2012 – 1 StR 257/12, Rn. 31, wistra 2013, 28[]
  47. vgl. BGH, Beschluss vom 21.08.2014 – 1 StR 209/14, wistra 2015, 33 Rn. 13 und Urteil vom 11.07.2002 – 5 StR 516/01, BGHSt 47, 343 zu § 14 Abs. 3 UStG a.F.[]
  48. vgl. BGH, Beschluss vom 21.08.2014 – 1 StR 209/14, wistra 2015, 33 Rn. 13 und Urteil vom 30.04.2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311[]
  49. vgl. zur Möglichkeit der Berichtigung im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung BGH, Urteil vom 17.03.2009 – 1 StR 627/08, Rn. 40 ff., BGHSt 53, 221, 230[]
  50. zur tatgerichtlichen Wertung des Ausmaßes der aufgewendeten kriminellen Energie als gering vgl. auch BGH, Urteil vom 12.01.2016 – 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107[]
  51. vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.2012 – 1 StR 407/12, wistra 2013, 67[]