Die in einem Änderungsgenehmigungsverfahren für ein Kraftwerk durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung muss die Umweltauswirkungen des Altbestandes über die Berücksichtigung im Rahmen der Vorbelastung hinaus nur insoweit ermitteln und bewerten, als sich die Änderung auf die Altanlage auswirkt.

Die Durchführung einer inhaltlich nur auf das Erweiterungsvorhaben bezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung widerspricht weder nationalen Recht noch Unionsrecht.
Dass sich die Umweltverträglichkeitsprüfung im Falle einer Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG allein auf die Umweltauswirkungen des Änderungsvorhabens erstreckt, folgt bereits aus der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) für die der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) unterfallenden Anlagen, wozu die von der Beigeladenen beabsichtigte Erweiterung ihres Kraftwerks zählt (Nr. 1.1 des Anhangs zur 4. BImSchV). Entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG ist die Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV unselbstständiger Teil des Genehmigungsverfahrens. Für die UVP-Pflichtigkeit von Vorhaben, für die eine Änderungsgenehmigung erteilt werden soll, verweist § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV auf Absatz 2. Dies bedeutet, dass ausschließlich für das zur Genehmigung gestellte Erweiterungsvorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, nicht aber zusätzlich für die früher bereits genehmigte Bestandsanlage mit den von dieser ausgehenden Umweltauswirkungen. Hinzu kommt, dass die in § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV in Bezug genommenen Schwellenwerte der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sich allein auf den zu ändernden oder zu erweiternden Teil der Anlage beziehen, eine dementsprechend durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung somit auch nur das Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben in den Blick zu nehmen hat.
Auch aus dem Wortlaut des § 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG ergibt sich, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung allein die „Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens“ in Betracht zu nehmen hat. Dies findet seine Bestätigung wiederum in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UVPG, wonach eine Änderung oder Erweiterung als solche den Begriff des Vorhabens im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erfüllt. Wenn das Gesetz von „dem Vorhaben“ spricht, ist im Falle eines Änderungs- oder Erweiterungsvorhabens folglich allein dieses gemeint und nicht die Summe aus Änderungs- bzw. Erweiterungsvorhaben und Bestandsanlage [1]. Für dieses Ergebnis spricht zudem die Entstehungsgeschichte der Norm; in § 3e UVPG wurde – anders als noch vom Bundestags-Umweltausschuss vorgeschlagen [2] – die Formulierung „oder das bestehende Vorhaben aufgrund der Änderung oder Erweiterung“ bewusst nicht übernommen. Im Vermittlungsverfahren wurde diese ergänzende Wendung gestrichen [3]. Zuvor hatte sich auch der Verkehrsausschuss des Bundesrates dafür ausgesprochen, dass sich im Falle von § 3e UVPG die Umweltverträglichkeitsprüfung auf das Änderungsvorhaben, nicht aber auf den Bestand beziehen solle, weil es sonst zu Mehrfachprüfungen käme [4].
Entgegen der Revision kann aus § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG mit der Bezugnahme auf die „mittelbaren“ Auswirkungen eines Vorhabens nicht hergeleitet werden, dass sich die Umweltverträglichkeitsprüfung über das Änderungsvorhaben hinaus auf die Gesamtanlage zu beziehen hat. Denn hiermit wird lediglich der Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne unmittelbarer oder mittelbarer Auswirkungen des Vorhabens bestimmt, jedoch keine Aussage dazu getroffen, was Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung sein soll; ebenso wenig kann Derartiges § 6 UVPG entnommen werden. Auch § 2 Abs. 1 Satz 4 UVPG stützt die Rechtsauffassung der Revision nicht; insoweit liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor, da über das Vorhaben nicht in mehreren Verfahren zu entscheiden ist. Soweit in § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG vorgesehen ist, dass auch frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens in die Untersuchungen einzubeziehen sind, betrifft diese Vorgabe eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 UVPG, nicht aber eine Umweltverträglichkeitsprüfung; eine derartige Vorprüfung des Einzelfalls steht vorliegend aber nicht an, da das Vorhaben der Beigeladenen nach der Anlage 1 ohnehin bereits UVP-pflichtig ist.
Ebenso wenig kann aus § 3b Abs. 2 und 3 UVPG hergeleitet werden, dass für das vorliegende Änderungsvorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung auf das Gesamtvorhaben zu erstrecken ist. Absatz 2 setzt eine parallele, d.h. gleichzeitige Verwirklichung mehrerer Vorhaben voraus [5], woran es vorliegend fehlt. Wiederum stellt auch der Wortlaut des Absatzes 3 klar, dass nur die Änderung oder Erweiterung selbst Gegenstand der durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung ist; die Umweltauswirkungen der Bestandsanlage sind für das Erreichen oder Überschreiten des einschlägigen Schwellenwertes und damit für das „Ob“ der Umweltverträglichkeitsprüfung für das Änderungsvorhaben zu berücksichtigen, im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung spielen sie dagegen nur als Vorbelastung eine Rolle [6]. Insoweit besteht auch kein Wertungswiderspruch zwischen § 3b und § 3e UVPG.
Diese Beschränkung der UVP-Pflichtigkeit allein auf das Erweiterungsvorhaben steht eindeutig in Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts, was die Einholung einer hierauf bezogenen Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ausscheiden lässt.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 UVP-RL a.F. werden Projekte des Anhangs I einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Artikeln 5 bis10 unterzogen. Da gemäß Nr. 22 des Anhangs I jede Änderung oder Erweiterung von Projekten UVP-pflichtig ist, die in diesem Anhang aufgeführt sind, wenn sie für sich genommen die Schwellenwerte erreichen, und nach Nr. 2 Anstrich 1 des Anhangs I Verbrennungsanlagen mit einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW der Umweltverträglichkeitsprüfung unterfallen, ist vorliegend allein das Änderungsvorhaben der Beigeladenen Gegenstand der unionsrechtlich gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung. Das gleiche Verständnis liegt der Nr. 13 des Anhangs II der Richtlinie zugrunde, wonach die Änderung oder Erweiterung näher bezeichneter Projekte als eigenständiges Projekt im Sinne von Art. 4 Abs. 2 UVP-RL a.F. zu verstehen ist.
Dem entspricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dessen Urteil vom 11.08.1995 [7] hatte die Erweiterung eines bestehenden Wärmekraftwerks um einen weiteren Kraftwerksblock zum Gegenstand. Der Gerichtshof geht davon aus, dass die Planung von Wärmekraftwerken mit einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW unabhängig davon, ob sie eigenständig ausgeführt werden oder einer bestehenden Anlage hinzugefügt werden oder mit dieser in einem engen funktionellen Zusammenhang stehen, einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, wobei der „Zusammenhang mit einer bestehenden Anlage … dem Projekt nicht seinen Charakter als ‚Wärmekraftwerk mit einer Wärmeleistung von mindestens 300 MW’“ nimmt. Soweit hiergegen auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14.01.2010 [8] verwiesen wird, folgt hieraus nicht Abweichendes. Die Entscheidung befasst sich mit dem Begriff „Projekt“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie und geht davon aus, dass die Tätigkeit der Ausbaggerung bei jedem Eingriff in die Fahrrinne als besonderes Projekt im Sinne der Habitatrichtlinie angesehen werden kann und diese Ausbaggerungen als gesonderte und sukzessive Projekte der Habitatrichtlinie unterliegen können. Die Entscheidung legt sich mithin nicht darauf fest, dass wiederkehrende Tätigkeiten mit Bezug auf die zurückliegende Genehmigung eines Vorhabens unionsrechtlich als einheitliches Projekt zu verstehen sind. Gleiches gilt für das Urteil des Unionsgerichtshofs vom 24.11.2011 [9]. Der Unionsgerichtshof geht davon aus, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung die mittelbaren Auswirkungen eines Projekts in geeigneter Weise beschreiben und bewerten muss und dies die Untersuchung der kumulativen Auswirkungen einschließt, die dieses Projekt im Zusammenhang mit anderen Projekten für die Umwelt haben kann. Diese Aussagen gebieten nicht, die Umweltverträglichkeitsprüfung über das Projekt Kraftwerksblock 9 hinaus auch auf die übrigen Kraftwerksblöcke der Anlage der Beigeladenen zu erstrecken. Vielmehr sind hiernach im Rahmen der Prüfung des konkreten Projekts kumulative Auswirkungen mit anderen als Vorbelastung zu berücksichtigenden Projekten in Betracht zu nehmen. Auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 03.03.2011 [10] enthält keine Grundsätze, die den Schluss zulassen, dass das Großkraftwerk M. in seiner Gesamtheit einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. Die Entscheidung befasst sich zum einen mit der Verpflichtung der zuständigen Umweltbehörde, die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts zu identifizieren und zu beschreiben und sodann in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls zu bewerten, und zum anderen mit der Funktion und dem Inhalt der Bewertungspflicht. Zu einer Ausweitung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf ein Grundvorhaben verhält sich die Entscheidung nicht.
Für die Ermittlung der Zusatzbelastung war jedenfalls im Grundsatz allein auf den Immissionsbeitrag abzustellen, der durch das Erweiterungsvorhaben verursacht wird; dies entspricht sowohl nationalem Recht wie auch Unionsrecht.
Prüfungsgegenstand im Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG sind zunächst die unmittelbar zu ändernden Anlagenteile und Verfahrensschritte. Soweit sich die Änderung auf die Bestandsanlage auswirkt, erstreckt sich die Prüfung außerdem auf die hiervon betroffenen Anlagenteile und Verfahrensschritte [11]. Dementsprechend hat die Immissionsprognose als Zusatzbelastung alle nach den Umständen des Einzelfalls mit der Änderung ursächlich verbundenen Immissionen zu erfassen. Dagegen ist die Gesamtanlage nicht Gegenstand der Prüfung; Immissionen, die durch nicht änderungsbetroffene Anlagenteile oder Verfahrensschritte hervorgerufen werden, haben bei der Ermittlung der Zusatzbelastung zumindest im Grundsatz außer Betracht zu bleiben und sind lediglich als Teil der Vorbelastung zu berücksichtigen.
Dem entspricht das Regelungsgefüge der TA Luft. Nach Nr. 3.5.3 Satz 2 TA Luft sind bei einer Entscheidung über die Erteilung einer Änderungsgenehmigung die Anlagenteile und Verfahrensschritte, die geändert werden sollen, sowie die Anlagenteile und Verfahrensschritte, auf die sich die Änderung auswirken wird, zu prüfen. Im Einklang damit bestimmt Satz 1, dass Nr. 3.1 Satz 2 TA Luft, wonach für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen Nr. 4 TA Luft mit den dort geregelten Anforderungen gilt, auf die Änderungsgenehmigung nur entsprechend anzuwenden ist. Dabei soll nach Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c) TA Luft bei Schadstoffen, für die Immissionswerte festgelegt sind, die Bestimmung von Immissionskenngrößen (Nr. 2.2 TA Luft) wegen einer irrelevanten Zusatzbelastung entfallen. Nr. 4.2.1 TA Luft bestimmt zum Schutz der menschlichen Gesundheit Immissionswerte für luftverunreinigende Stoffe. Dieser Schutz ist sichergestellt, wenn die nach Nr. 4.7 TA Luft aus Vor- und Zusatzbelastung ermittelte Gesamtbelastung die festgelegten Immissionswerte an keinem Beurteilungspunkt überschreitet.
Für die in dieser Regelungssystematik zum Ausdruck kommende Beschränkung des Prüfungsgegenstandes streitet auch die Entstehungsgeschichte. Nach Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 3 TA Luft in der Fassung des Entwurfs der Bundesregierung [12] war bei Ermittlung der Zusatzbelastung abzustellen auf „die zu beurteilende Anlage“. Auf Vorschlag des Bundesrates wurde die geltende Fassung beschlossen, wonach die Zusatzbelastung der Immissionsbeitrag ist, der durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Hierzu heißt es in der einschlägigen Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates: „Insbesondere wird damit gleichzeitig die Verweisung in Satz 1 der Nr. 3.5.3 präzisiert, wonach bei Änderungsgenehmigungen nur das Änderungsvorhaben für die Bestimmung der Zusatzbelastung maßgebend ist“ [13].
Dieser ausschließlich das Erweiterungsvorhaben, nicht aber die Gesamtanlage umfassende Prüfungsumfang gilt nach den Vorgaben der TA Luft namentlich auch für die Bestimmung irrelevanter Zusatzbelastungen. Nach Nr. 4. 2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft darf im Falle der Überschreitung eines Immissionswertes nach Nr. 4.02.1 TA Luft an einem Beurteilungspunkt die Genehmigung wegen dieser Überschreitung nicht versagt werden, wenn hinsichtlich des jeweiligen Schadstoffes die Kenngröße für die Zusatzbelastung durch die Emissionen der Anlage 3,0 vom Hundert des Immissions-Jahreswertes nicht überschreitet und durch eine Auflage sichergestellt ist, dass weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung durchgeführt werden. Zwar ist in Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft von der Zusatzbelastung durch die „Emissionen der Anlage“ die Rede, was sich jedoch auf Genehmigungsverfahren zur Errichtung und zum Betrieb neuer Anlagen im Sinne von Nr. 3.1 TA Luft bezieht; dagegen gelangt – wie schon erwähnt – im Änderungsgenehmigungsverfahren Nr. 3.1 TA Luft nur entsprechend, d.h. auf das Änderungsvorhaben beschränkt zur Anwendung (Nr. 3.5.3 Satz 1 TA Luft). Das gilt auch für die Verweisung auf Nr. 4 TA Luft. Auch zur Bestimmung des Ausmaßes der Irrelevanz nach Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft ist somit von einer für das Änderungsvorhaben gemäß Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 3 TA Luft ermittelten Zusatzbelastung auszugehen.
Die gegen dieses Verständnis von Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft erhobenen Einwände überzeugen das Bundesvewrwaltungsgericht nicht. Insoweit wird zum einen geltend gemacht, zwischen Nr. 2.2 und Nr. 4.2.2 TA Luft bestehe ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, wobei im Fall von Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft eine Ausnahmesituation deshalb gegeben sei, weil in Immissionspunkten im Einwirkungsbereich des Vorhabens Immissionswerte überschritten seien; das habe zur Konsequenz, dass bei der Anwendung der Irrelevanzklausel auf die Gesamtanlage abzustellen sei. Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es sich bei Nr. 2.2 TA Luft um eine vor die Klammer gezogene Begriffsbestimmung handelt. Das steht der Annahme eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses entgegen. Zum anderen wird nach dieser Ansicht eingewandt, bei einem nicht auf die Gesamtanlage, sondern die Anlagenerweiterung bezogenen Verständnis von Nr. 4.2.2 TA Luft ergebe sich ein Wertungswiderspruch zu Nr. 6.1.1 und 6.1.2 TA Luft, die bei Überschreitung der Immissionswerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit in der Regel ein Einschreiten der Behörde durch Erlass nachträglicher Anordnung geböten. Ein solcher Wertungswiderspruch ist nicht erkennbar. Denn es ist keineswegs zwingend, dass im Anschluss an die Genehmigung eines Änderungsvorhabens mit einer die Irrelevanzgrenze von 3,0% einhaltenden Zusatzbelastung umgehend eine nachträgliche Anordnung nach Nr. 6.1.2 TA Luft ergehen müsste, wenn der Beitrag der Gesamtanlage über 3,0% des Immissions-Jahreswertes hinausginge und die Gesamtbelastung den maßgeblichen Immissionswert überschritte. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend würde die Behörde vielmehr zu prüfen haben, ob nicht durch eine nachträgliche Anordnung gegen den Betrieb der Bestandsanlage die Einhaltung der Immissionswerte der Gesamtanlage auf schonendere Weise sicherzustellen wäre.
Allerdings erscheint nicht unzweifelhaft, ob die nach alldem durch die Technische Anleitung Luft geforderte isolierte Beurteilung des Immissionsbeitrages einer Anlagenerweiterung am Maßstab der Irrelevanzklausel dem Schutzanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ohne Weiteres auch dann entspricht, wenn sich dieser Beitrag mit Immissionsbeiträgen des Anlagenbestands überlagert [14]. Emittieren mehrere Quellen in einem engen räumlichen Zusammenhang, so kann es dazu kommen, dass deren Immissionsbeiträge an Beurteilungspunkten in der Nachbarschaft zwar je für sich die Irrelevanzgrenze einhalten, in der Summe aber Belastungen hervorrufen, die über das gemäß Nr. 4.1 Satz 4 Buchst. c) TA Luft keiner weiteren Prüfung bedürfende Maß hinausgehen. Ob der den Irrelevanzklauseln zugrunde liegende Bagatellgedanke auch in einer solchen Fallkonstellation eine isolierte Beurteilung der einzelnen Quellen – wie hier der Anlagenerweiterung – rechtfertigt, kann jedoch offenbleiben. Denn nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen übersteigen die Zusatzbelastung durch das streitige Vorhaben und die Vorbelastung durch die früher genehmigten Kraftwerksblöcke auch im Zusammenwirken die maßgebliche Irrelevanzgrenze von 3% (Nr. 4.2.2 Satz 1 Buchst. a) TA Luft) in keinem der Fälle, in denen die Gesamtbelastung die Immissionswerte überschreitet.
Dass nach nationalem Recht zumindest im Regelfall allein auf die Umwelteinwirkungen des Änderungsvorhabens unter Berücksichtigung der gegebenen Vorbelastung abzustellen ist, steht mit Unionsrecht offensichtlich in Einklang. Eine hierauf bezogene Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union braucht das Bundesverwaltungsgericht deshalb nicht einzuholen.
Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 IVU-Richtlinie 2008/1/EG (Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.01.2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), die die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24.09.1996 ersetzt und der das Vorhaben der Beigeladenen als Feuerungsanlage mit mehr als 50 MW unterfällt (Anhang I Ziffer 1.1 der Richtlinie), ist die wesentliche Änderung des Betriebs einer Anlage einem vorherigen Genehmigungsverfahren zu unterwerfen (vgl. auch den 22. Erwägungsgrund der IVU-Richtlinie). Dabei erfährt die wesentliche Änderung des Betriebs in Art. 2 Ziffer 11 IVU-RL eine eigene Legaldefinition. Nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 IVU-RL müssen der Genehmigungsantrag und die Entscheidung der zuständigen Behörde diejenigen Anlagenteile und in Artikel 6 genannten Aspekte umfassen, die von der Änderung betroffen sein können, wobei die einschlägigen Genehmigungsvorschriften der Richtlinie entsprechend anzuwenden sind. Ebenso unterscheidet Art. 15 Abs. 1 IVU-RL zwischen der Erteilung einer Genehmigung für neue Anlagen und der Erteilung einer Genehmigung für wesentliche Änderungen. Auch der unionsrechtliche Prüfungsmaßstab stellt somit allein auf das Änderungsvorhaben ab und deckt sich folglich mit dem des nationalen Rechts.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 7 C 36.11
- Sitsen, UPR 2008, 292, 294[↩]
- BT-Drs. 14/5750 S. 128[↩]
- vgl. hierzu Kersting, UPR 2003, 10, 11[↩]
- BR-Drs. 674/1/00 S. 24[↩]
- vgl. Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 3b Rn. 24[↩]
- Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UVPG, § 3b Rn.20 und 54[↩]
- EuGH, Urteil vom 11.08.1995 – C‑431/92, Großkrotzenburg, Slg. 1995, I‑2189[↩]
- EuGH, Urteil vom 14.01.2010 – C‑226/08, Papenburg, Slg. 2010, I‑131[↩]
- EuGH, Urteil vom 24.11.2011 – C‑404/09, Kommission gegen Spanien, Slg. 2011, I‑11853[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.03.2011 – C‑50/09, Kommission gegen Irland, Slg. 2011, I‑873[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 21.08.1996 – 11 C 9.95, BVerwGE 101, 347, 355 = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 3 S. 22[↩]
- BR-Drs. 1058/01 S. 9[↩]
- BR-Drs. 1058/1/01 S. 3[↩]
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.06.2008 – 8 D 103/07.AK, mit Hinweis auf Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, TA Luft Nr. 4.2 Rn. 38[↩]