Atomares Zwischenlager im Kernkraftwerk Unterweser

Der Streit um das atomare Zwischenlager im Kernkraftwerk Unterweser ist weiter offen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat jetzt den Rechtsstreit um eine atomrechtliche Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen aus dem Kernkraftwerk Unterweser im Standort-Zwischenlager Unterweser/Rodenkirchen an die Vorinstanz, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, zurückverwiesen.

Atomares Zwischenlager im Kernkraftwerk Unterweser

Nach dem Inhalt der auf 40 Jahre befristeten Genehmigung darf die beigeladene Betreiberin des Kernkraftwerks in dem Zwischenlager bestrahlte Brennelemente in bis zu 80 Castor-Behältern aufbewahren. Die Kläger sind Landwirte, die überwiegend Milchviehwirtschaft betreiben. Ihre Hofstellen sind von dem Zwischenlager ca. 1,7 bzw. 3 km entfernt, ein Teil der Grünlandflächen reicht bis auf 140 m an das Kraftwerksgelände heran. Nach ihrer Auffassung ist der erforderliche Schutz des Zwischenlagers gegen terroristische Angriffe, insbesondere gegen einen gezielten Flugzeugabsturz oder einen Beschuss mit sog. Hohlladungsgeschossen (etwa Panzerfäusten) nicht gewährleistet.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen[1]. Aufgrund des sog. Funktionsvorbehalts im Atomrecht sei die Exekutive für die Risikoermittlung und -bewertung allein verantwortlich. Die gerichtliche Nachprüfung atomrechtlicher Genehmigungen sei darauf beschränkt, ob die behördliche Risikoermittlung und Risikobewertung auf einer ausreichenden Datenbasis und willkürfreien Annahmen beruht. Dies sei hier der Fall. Der maßgebliche Richtwert für eine Evakuierung werde nach den – aus Gründen des Geheimnisschutzes im Gerichtsverfahren nur teilweise offen gelegten – Sachverständigengutachten selbst beim Absturz einer vollgetankten Boeing 747 nicht erreicht. Den Flugzeugtyp Airbus A 380 habe die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht in die Prüfung einbeziehen müssen. Auch im Hinblick auf Gefahren aus einem Panzerfaustbeschuss werde der Richtwert deutlich unterschritten.

Bei den Szenarien „Flugzeugabsturz und Hohlladungsbeschuss“, so das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, handele es sich um sog. auslegungsüberschreitende, d.h. sehr seltene Ereignisse im Sinne des gestaffelten Sicherheitskonzepts der Reaktorsicherheitskonferenz. Die für solche Ereignisse maßgeblichen Richtwerte für eine Evakuierung würden nach den – aus Gründen des Geheimnisschutzes im Gerichtsverfahren nur teilweise offen gelegten – Sachverständigengutachten selbst beim Absturz einer vollgetankten Boing 747 nicht erreicht. Den Flugzeugtyp Airbus A 380 habe die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht in die Prüfung einbeziehen müssen. Im Hinblick auf Gefahren aus einem Hohlladungsbeschuss würden die Richtwerte deutlich unterschritten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das angefochtene Urteil aufgehoben. Das Urteil verletzt revisibles Recht, weil das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung, die Behörde habe den Airbus A 380 aus der Risikobewertung ausblenden dürfen, einen fehlerhaften Willkürmaßstab zugrunde gelegt hat und ihm überdies bei der Beurteilung der Vorsorge gegen den Beschuss mit Panzerfäusten ein Fehler bei der Überzeugungsbildung unterlaufen ist. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen kann das Bundesverwaltungsgericht nicht selbst über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung entscheiden. Die Sache musste deshalb an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012 – 7 C 1.11

  1. Nds. OVG, Urteil vom 23.06.2010 – 7 KS 215/03[]