Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache zuständig nach § 1 Abs. 3 EnLAG i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Die Zuweisung der erstinstanzlichen Zuständigkeit an das Bundesverwaltungsgericht ist verfassungsgemäß. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für andere Vorhaben nach dem Bedarfsplan des EnLAG angenommen [1] und gilt auch für den Neubau der Höchstspannungsleitung Kassø (DK) – Hamburg Nord – Dollern mit einer Nennspannung von 380 kV.
Aus Art. 92, 95 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass das Bundesverwaltungsgericht als oberster Gerichtshof des Bundes grundsätzlich als Rechtsmittelgericht errichtet werden muss. Der Gesetzgeber kann ihm aus sachlich einleuchtenden Gründen ausnahmsweise auch erstinstanzliche Zuständigkeiten übertragen [2]. Allerdings rechtfertigt nicht jeder beliebige Grund eine solche Zuständigkeitsbestimmung. Zugewiesen werden dürfen nur Streitigkeiten, bei denen ein gesamtstaatliches oder bundesstaatliches Interesse an einer raschen (rechtskräftigen) Entscheidung besteht. Ferner muss eine solche Zuständigkeitsbestimmung die Ausnahme bleiben. Die Zuweisungen dürfen quantitativ und qualitativ nach ihrem Anteil an der gesamten Geschäftslast des Gerichts keine solche Größenordnung erreichen, dass nicht mehr von einer ausnahmsweisen Zuständigkeit gesprochen werden kann. Ferner müssen auch den Gerichten der Länder in wesentlichen Rechtsmaterien, insbesondere mit raumbedeutsamem Inhalt, substanzielle Zuständigkeiten verbleiben. Dem Gesetzgeber steht bei dieser Entscheidung ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Weist er Rechtsstreitigkeiten über bestimmte, im Einzelnen aufgelistete Infrastrukturvorhaben einem obersten Gerichtshof zu, muss jedes Einzelprojekt den genannten Anforderungen genügen [3].
Das planfestgestellte Vorhaben soll dazu beitragen, die Sicherheit der Versorgung mit Energie in Deutschland langfristig zu gewährleisten. Nach Einschätzung des Gesetzgebers würden ohne die Trasse Hamburg/Nord – Dollern bei Ausfall des 220 kV-Stromkreises Hamburg/Nord-Stade oder bei Ausfall eines 380 kV-Stromkreises Hamburg/Nord – Hamburg/Ost die jeweils parallel laufenden Stromkreise überlastet [4]. Diese Einschätzung stützt sich auf die Studie der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) „Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr 2020“ vom 24.02.2005 (dena-Netzstudie I), die den Ausbau einer 380 kV-Leitung Hamburg/Nord – Dollern bis zum Jahr 2010 für erforderlich hielt, sowie auf die Entscheidung Nr. 1364/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.09.2006 zur Festlegung von Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze und zur Aufhebung der Entscheidung 96/391/EG und der Entscheidung 1229/2003/EG (ABl L 262/1). Diese bestimmt die Verbindungsleitung Kassø (DK) – Hamburg/Dollern zu einem Vorhaben von europäischem Interesse, das nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG zügig durchgeführt werden soll [5]. Dies sind sachliche Gründe, welche die erstinstanzliche Zuweisung an ein oberstes Bundesgericht tragen können [6]. Der Gesetzgeber durfte die erstinstanzliche Zuständigkeit mit der Erwartung verbinden, dass gerichtliche Verfahren bei der Beschränkung auf eine Instanz schneller abgeschlossen werden können. Diese Erwartung hat sich bisher nicht als offensichtlich fehlerhaft erwiesen, auch wenn es kritische Stimmen geben mag.
Die Zuweisung wahrt die gebotenen quantitativen und qualitativen Grenzen. Zum Stichtag am 31.07.2013 machten – ohne Berücksichtigung der Disziplinarsachen, der Wehrbeschwerde- und Wehrdisziplinarsachen – sämtliche erstinstanzliche Verfahren 9,5 % des Gesamtbestandes der beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren aus, darunter Streitigkeiten nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO 5,6 % des Gesamtbestandes und Verfahren nach § 5 Abs. 1 VerkPBG 1,8 %. Auch unter Berücksichtigung des häufig umfangreichen Streitstoffs und der besonderen Komplexität der Verfahren hat das Gericht schon einen quantitativ höheren Anteil erstinstanzlicher Verfahren nicht beanstandet [7]. Hieran ist festzuhalten ebenso wie an der Einschätzung, dass den Gerichten der Länder im Recht der raumbedeutsamen Infrastrukturvorhaben und speziell im Bereich der Energieleitungen nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 VwGO noch hinreichend substanzielle Zuständigkeiten verbleiben.
Die mit der Zuweisung an ein oberstes Bundesgericht verbundene Verkürzung des Rechtswegs auf eine Instanz verstößt ferner nicht gegen Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Grundrechtsbestimmung garantiert den Zugang zum Gericht, gewährt aber ebenso wenig einen Instanzenzug wie das allgemeine Rechtsstaatsprinzip [8].
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. September 2013 – 4 VR 1.13
- BVerwG, Beschlüsse vom 09.10.2012 – 7 VR 10.12, Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 4, vom 24.05.2012 – 7 VR 4.12 – ZUR 2012, 499 = juris Rn. 6 und vom 28.02.2013 – 7 VR 13.12 – ER 2013, 119[↩]
- BVerfG, Entscheidung vom 10.06.1958 – 2 BvF 1/56, BVerfGE 8, 174, 177 und Urteil vom 04.07.1995 – 1 BvF 2/86 u.a., BVerfGE 92, 365, 410; BVerwG, Urteil vom 22.01.2004 – 4 A 32.02, BVerwGE 120, 87, 93 f.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 – 9 A 14.07, BVerwGE 131, 274 Rn. 30 ff.[↩]
- BT-Drs. 16/10491 S. 10[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/11871 S. 1[↩]
- so auch die Einschätzung der Bundesregierung, BT-Drs. 16/10491 S. 23[↩]
- BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 a.a.O. Rn. 39 auf der Grundlage der Zahlen zum 30.06.2008[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 291 und vom 07.07.1992 – 2 BvR 1631/90 u.a., BVerfGE 87, 48, 61 sowie Urteil vom 04.07.1995 a.a.O.[↩]