In einem Sondervertrag ist die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgers, wonach „Einwände gegen Rechnungen nur dann zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung berechtigen, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht“, nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Die hierdurch entstehende Lücke im Regelungsverhältnis der Parteien ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass im Vertragsverhältnis der Parteien eine Regelung mit dem Inhalt des § 17 Abs. 1 StromGVV gilt.
Eine solche Klausel, die wörtlich die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV wiedergibt, ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie inhaltlich nicht auch die in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV enthaltene Regelung mitübernommen hat.
Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Eine gesetzliche Regelung, von deren wesentlichen Grundgedanken abgewichen wird, schließt zugleich die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze ein, das heißt neben den (dispositiven) Gesetzesbestimmungen zugleich alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten[1].
Vorliegend fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Regelung für die Rechtsverhältnisse eines Energieversorgungsunternehmens zu seinen Sonderkunden. Denn die StromGVV gilt für diese Rechtsverhältnisse weder unmittelbar noch analog[2]. Jedoch kommt den Bestimmungen der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie für Sonderkundenverträge eine „Leitbildfunktion im weiteren Sinne“ zu, auch wenn sie dafür unmittelbar nicht gelten[3]. Die in der StromGVV getroffenen Regelungen verkörpern eine Wertentscheidung, die der Verordnungsgeber im Tarifkundenbereich unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Stromkunden und Energieversorgungsunternehmen getroffen hat, und enthalten somit einen gewichtigen Hinweis auf das, was zugleich im Vertragsverhältnis mit Sonderabnehmern zu einem notwendigen Ausgleich der Interessen des Versorgungsunternehmens und der Kunden beachtet werden muss, um die Angemessenheit eines dem Versorger zur Wahrnehmung seiner Interessen zuzubilligenden Zutrittsrechts zu wahren[4]. Allerdings ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass ein und dieselbe Regelung sich für Sonderabnehmer ungleich nachteiliger auswirken kann als für Tarifkunden. Den Bestimmungen der Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Energieversorgung von Tarifkunden ist deshalb Leitbildfunktion für Sonderkundenverträge nicht pauschal beizumessen; vielmehr ist sie für jede einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen[5].
Nach dieser Maßgabe hält die streitgegenständliche Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. § 17 Abs. 1 StromGVV enthält eine Regelung, die die allgemeinen Rechte des Kunden aus §§ 273, 320 BGB in erheblichem Maße beschränkt. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift für den sog. Primärprozess einen grundsätzlichen Einwendungsausschluss geregelt, diesen Grundsatz aber in der Weise eingeschränkt, dass der Kunde ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen doch berechtigt ist, schon im Primärprozess Einwendungen gegen die Abrechnung des Versorgers vorzubringen. Der Verordnungsgeber hat mithin in § 17 Abs. 1 StromGVV eine Abwägung der gegenläufigen Interessen von Stromkunden und Energieversorgungsunternehmen in dem Sinne getroffen, dass der Energieversorger vom Grundsatz her im Primärprozess zwar von Einwendungen des Kunden gegen die Abrechnung verschont bleibt, dass dies aber im Falle des Vorliegens genau bestimmter Umstände ausnahmsweise nicht zu gelten hat. Die streitgegenständliche Klausel verschiebt dieses Verhältnis nunmehr noch weiter zu Lasten des Kunden, indem sie die Voraussetzungen, unter denen ein Kunde ausnahmsweise auch schon im Primärprozess Einwendungen gegen die Abrechnung des Energieversorgers erheben kann, noch weiter einschränkt. Das ist nach Auffassung des OLG Celle nicht zulässig.
Die hierdurch entstehende Lücke im Regelungsverhältnis der Parteien ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise zu schließen, dass im Vertragsverhältnis der Parteien eine Regelung mit dem Inhalt des § 17 Abs. 1 StromGVV gilt.
Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften.
Eine Rechtsnorm, die für Verträge über die Versorgung von Sonderkunden mit Strom einen Einwendungsausschluss hinsichtlich der Richtigkeit der Abrechnung vor-sieht, ist nicht ersichtlich. Insbesondere zählt § 17 Abs. 1 StromGVV schon deshalb nicht zu den an die Stelle der unwirksamen Klausel tretenden gesetzlichen Vorschriften, weil es sich bei dem Kläger um einen Sonderkunden und nicht um einen Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 StromGVV handelt, deren Versorgung mit Strom nach Maßgabe von Sonderbedingungen und nicht, wie in § 1 Abs. 1 StromGVV vor-ausgesetzt, nach allgemeinen Bedingungen und zu allgemeinen Tarifpreisen erfolgt[6].
Zu den gesetzlichen Vorschriften i. S. v. § 306 Abs. 2 BGB zählen aber auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt (nur) dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt[7]. Die ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen[8].
Nach dieser Maßgabe ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die Parteien auf die Geltung der Regelungen in § 17 Abs. 1 StromGVV geeinigt hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die Unwirksamkeit der Regelung in den Strom-lieferbedingungen des Stromversorgers bewusst gewesen wäre. Insbesondere würde den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung getragen und vielmehr das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschoben werden, wenn man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis gelänge, dem Kunden im Primärprozess gar keinem Einwendungsausschluss zu unterwerfen:
Der Regelung in § 17 Abs. 1 StromGVV wie auch den (teilweise) entsprechenden Regelungen in den anderen Energieversorgungsverordnungen liegt der Gedanke zugrunde, dass die einem Kontrahierungszwang unterliegenden Versorgungsunternehmen in der Regel erheblichen Vorleistungspflichten ausgesetzt sind und ihrer gleichwohl bestehenden Aufgabe, für eine kostengünstige und sichere Energie- und Wasserversorgung einzustehen, nur dann hinreichend nachkommen können, wenn ein verhältnismäßig zeitnaher Zahlungseingang für die von ihnen erbrachte Versorgungsleistung gewährleistet ist. Um Liquiditätsengpässe und daraus folgende Versorgungseinschränkungen auszuschließen, wollte der Verordnungsgeber es den Versorgungsunternehmen mit den o. g. Bestimmungen ermöglichen, die Vielzahl ihrer häufig relativ kleinen Forderungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess ohne eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen. Zu diesem Zweck sollte dem Kunden nur der von ihm zu erbringende Nachweis einer offensichtlichen Unrichtigkeit als Verteidigungsmittel gegen das Zahlungsverlangen offen stehen. Nach der gewählten Konzeption sollte der Kunde, der einen offensichtlichen Fehler nicht vortragen und/oder belegen kann, deshalb im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens mit dem Einwand eines fehlerhaft abgerechneten Verbrauchs ausgeschlossen und darauf verwiesen sein, die von ihm vorläufig zu erbringenden Zahlungen in einem anschließend zu führenden Rückforderungsprozess in Höhe des nicht geschuldeten Betrages erstattet zu verlangen[9].
Im Hinblick auf diese Interessenlage im Primärprozess erscheint dem Oberlandesgericht Celle im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung einzig eine Regelung mit dem (vollständigen) Inhalt des § 17 Abs. 1 StromGVV als für beide Parteien interessengerecht.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV berechtigen Einwendungen gegen Rechnungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur, soweit die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht. Die genannte Vorschrift deckt dabei sämtliche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ab, die der Kunde der Entgeltforderung des Versorgungsunternehmens entgegensetzen kann, so dass ihr Geltungsbereich sich vom Grundsatz her nicht auf die in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich genannten Rechen- und Ablesefehler beschränkt. Ausgenommen hiervon sind lediglich die Einwendungen, die die vertraglichen Grundlagen für die Art und den Umfang seiner Leistungspflicht betreffen[10]. Diese restriktive Regelung erklärt sich aus dem allgemeinen Interesse an einer möglichst kostengünstigen Versorgung. Dieses Ziel ist nur sichergestellt, wenn das grundsätzlich vorleistungspflichtige Versorgungsunternehmen keine Verzögerungen bei der Zahlung seiner Leistungen hinnehmen müssen, die auf Einwenden des Kunden beruhen. Mit den diesbezüglichen Einwendungen ist der Kunde daher auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen[11], wobei in diesem Rückforderungsprozess die Darlegungs- und Beweislast genauso zu handhaben ist, wie sie im Aktivprozess des Versorgungsunternehmens ohne die Regelung der §§ 17 Abs. 1 StromGVV/GasGVV bzw. § 30 AVBWasserV anzuwenden wäre[12].
Das Merkmal der Offensichtlichkeit im Sinne der vorgenannten Vorschrift setzt voraus, dass der Fehler leicht erkennbar ist; es darf kein vernünftiger Zweifel an der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung möglich sein. Zu offenkundigen Fehlern in diesem Sinne zählen insbesondere Rechen- und Ablesefehler, die dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden ins Auge fallen und deshalb regelmäßig außer Streit stehen. Ausgeschlossen ist der Versorgungskunde im Primärprozess dagegen mit dem Einwand, es müsse ein Ablesefehler oder Defekt des Zählers vorliegen, weil nicht so viel Energie in einem bestimmten Rechnungszeitraum verbraucht worden sein könne. Allgemein berechtigen Einwände zur Zahlungseinstellung nämlich dann nicht, wenn vertiefte rechtliche Überlegungen über die Berechtigung der Forderung angestellt werden müssen oder wenn im Rechtsstreit eine Beweisaufnahme über den vom Kunden behaupteten Fehler erforderlich wäre[13].
Dass nach dieser Maßgabe der Kunde mit seinen Mutmaßungen, dass der streitgegenständliche Zähler defekt sei, keinen „offensichtlichen Fehler“ in dem o. g. Sinn dargelegt hat, erscheint dem OLG Celle als evident.
Auch die Voraussetzungen, wie sie in § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromGVV geregelt sind, sind im vorliegend entschiedenen Fall schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht gegeben. Der Kläger behauptet nicht, dass der Verbrauch des vorherigen Abrechnungszeitraums doppelt so hoch war wie der vorliegend streitgegenständliche; vielmehr soll der Stromverbrauch im Jahr 2012 nach seinem Vorbringen im Vergleich zum Vorjahr (lediglich) um 30 % gestiegen sein.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 26. September 2013 – 13 U 30/13
- vgl. z. B. BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11; BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 246/08[↩]
- BGH, Urteil vom 18.07.2012 – VIII ZR 337/11[↩]
- BGH, Urteil vom 14.07.2010 – VIII ZR 246/08[↩]
- vgl. in Bezug auf Preisanpassungsklauseln z. B. BGH, Urteile vom 28.10.2009 – VIII ZR 320/07; und vom 29.04.2008 – KZR 2/07[↩]
- vgl. z. B. BGH, Urteil vom 14.07.2010 – VIII ZR 246/08[↩]
- vgl. z. B. BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012 – VIII ZR 17/12[↩]
- st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urteil vom 21.11.2012 – VIII ZR 17/12; BGH, Urteil vom 06.04.2011 – VIII ZR 66/09; BGH, Urteil vom 15.02.2006 – VIII ZR 138/05; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 178, 179; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, 1518; OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1209[↩]
- vgl. BGH, a. a. O.; im Überblick: Steenbuck, MDR 2010, 357 ff.[↩]
- vgl. Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 30 AVBWasserV Rn. 58[↩]
- vgl. BGH, aaO.; im Überblick, mit umfangreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung: Schütte/Horstkotte, a. a. O., § 30 Rn. 27 ff.[↩]






