Überschreitet schon die Vorbelastung eines Natura-2000-Gebiets mit Schadstoffen die durch Critical Loads markierte Erheblichkeitsschwelle des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, so sind zur Beurteilung der Frage, ob Zusatzbelastungen des Gebiets durch ein zur Genehmigung gestelltes Projekt ausnahmsweise irrelevant und damit gebietsverträglich sind, neben den Auswirkungen dieses Projekts summativ auch diejenigen anderer bereits hinreichend verfestigter Projekte zu berücksichtigen.

Bei der Prüfung, ob projektbedingte Schadstoffeinträge die Relevanzschwelle überschreiten, kumulativ die Auswirkungen anderer Projekte zu berücksichtigen sind, soweit sich diese Auswirkungen konkret absehen lassen.
Mit der Regelung in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, wonach Vorhaben, die ein Schutzgebiet „einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten beeinträchtigen könnten“, eine Verträglichkeitsprüfung erfordern, hat der Normgeber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Verträglichkeit eines Projekts nicht isoliert anhand der von ihm selbst erzeugten Auswirkungen, sondern unter Einschluss der Auswirkungen anderer hinreichend verfestigter Pläne oder Projekte zu beurteilen ist. Wie von der Vorinstanz zutreffend ausgeführt, verfolgt diese Regelung das Ziel, eine schleichende Beeinträchtigung durch nacheinander genehmigte, jeweils für sich genommen das Gebiet nicht erheblich beeinträchtigende Projekte zu verhindern, soweit deren Auswirkungen sich in ihrer Summe nachteilig auf die Erhaltungsziele des Gebiets auswirken würden. Dieser Zielsetzung wird eine Verträglichkeitsprüfung nur dann konsequent gerecht, wenn sie Auswirkungen anderer hinreichend verfestigter Projekte auf das Gebiet auch bei der Beurteilung einbezieht, ob die Relevanzschwelle überschritten ist. Denn auch insoweit geht es darum, hinzutretende Beeinträchtigungen abzuwehren, die in der Summe die Erhaltungsziele nachteilig betreffen und damit nicht mehr als Bagatelle verstanden werden können. Andernfalls wäre auf längere Sicht eine nicht rückholbare erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgebiets zu besorgen, die dem mit der besonderen Schutzgebietausweisung auf Dauer verfolgten Schutzziel diametral entgegenliefe und das unionsrechtliche Verschlechterungsverbot [1] verletzte. Weshalb der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebieten sollte, allein auf das einzelne Projekt bezogen die Überschreitung der Relevanzschwelle in Betracht zu nehmen, erschließt sich nicht. Die Annahme einer Relevanzschwelle ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, nicht aber das alleinige Abstellen auf das Emissionsverhalten eines Projekts unter Außerachtlassung der Gefahr von Schadstoffeinwirkungen bereits genehmigter anderer Projekte.
Ein Klärungsbedarf für die aufgeworfenen Fragen ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Beschwerde auf vom Habitatrecht abweichende Schutzvorgaben der TA Luft mit einer rein vorhabenbezogenen Irrelevanzprüfung zum Schutz der menschlichen Gesundheit in Nr. 4.2.1, 4.2.2 bzw. zum Schutz der Vegetation oder von Ökosystemen in Nr. 4.4.1, 4.4.2. Regelungen aus anderen Rechtsbereichen können nicht eine Handhabung der Verträglichkeitsprüfung rechtfertigen, die sich von den in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL enthaltenen rechtlichen Vorgaben entfernt. Zudem ist der in § 34 Abs. 1 BNatSchG (bezüglich potenzieller Auswirkungen von Schadstoffeinträgen) verankerte Vorsorge- bzw. Besorgungsgrundsatz ausschließlich wirkungsbezogen konzipiert [2].
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. September 2012 – 7 B 24.12