Der Landkreis Leer hat nach einer aktuellen Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg die Neuvergabe kommunaler Strom- und Gaskonzessionsverträge durch die kreisangehörigen Städte und Gemeinden zu Recht gestoppt.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht wies jetzt die Anträge der Gemeinden Bunde und Ostrhauderfehn ab, mit denen die beiden Gemeinden sich gegen entsprechende Beanstandungen des Landkreises Leer im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gewehrt hatten.
Die Räte der Gemeinden Bunde und Ostrhauderfehn sowie weiterer Kommunen aus dem Kreis Leer beschlossen nach einem Auswahlverfahren, die Ende des Jahres 2012 ausgelaufenen Strom- und Gaskonzessionen an die von ihnen gegründete Netzgesellschaft Südliches Ostfriesland mbH (NSO) neu zu vergeben. Nach dem Konzept der NSO sollen ein noch nicht feststehender strategischer Partner sowie ggf. zusätzlich ein technischer Betreiber eingebunden werden. Der Landkreis Leer als Kommunalaufsichtsbehörde beanstandete diese Ratsbeschlüsse u. a. der Gemeinden Bunde und Ostrhauderfehn. Er sieht neben kommunalrechtlichen Vorschriften auch energie- und kartellrechtliche Gesetze als verletzt an. Die Gemeinden hätten die Auswahl in einem intransparenten und diskriminierenden Verfahren getroffen; zudem könne das Vorhaben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gemeinden übersteigen und die Sicherung der Energieversorgung gefährden.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg teilte diese Ansicht des Landkreises nicht und stellte deshalb auf die Anträge u. a. der beiden Gemeinden Bunde und Ostrhauderfehn die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen gegen diese sofort vollziehbaren Beanstandungen wieder her. Dabei entnahm das Verwaltungsgericht Oldenburg der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Artikel 28 Abs. 2 GG einen weiten, hier nicht überschrittenen Entscheidungsspielraum bei der Entscheidung der Gemeinden, die Energienetze künftig in der Verantwortung einer kommunalen Netzgesellschaft unter Einbindung privater Dritter zu betreiben.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht befand nun jedoch, dass die Art und Weise der beabsichtigten Neuvergabe von Konzessionen zum Betrieb des Strom- und Gasnetzes in den Gemeinden Bunde und Ostrhauderfehn rechtswidrig gewesen und deshalb zu Recht vom Landkreis Leer als Kommunalaufsichtsbehörde beanstandet worden ist. Dementsprechend hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auf die Beschwerde des Landkreises Leer die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Oldenburg geändert und die Anträge der beiden Gemeinden abgelehnt.
Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gilt nur im Rahmen der Gesetze. Dazu gehört nach Ansicht des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts gemäß § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG auch die Verpflichtung, bei der Auswahlentscheidung über die Neuvergabe der Konzession die Ziele des § 1 EnWG zu berücksichtigen, also eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung zu gewährleisten. Ob eine Gemeinde daneben auch andere Ziele einschließlich der Gewinnerzielung verfolgen darf, ist sehr umstritten, brauchte aber nicht geklärt zu werden. Denn solche ungeschriebenen Ziele dürfen jedenfalls nicht vorrangig verfolgt werden. Einen solchen Mangel hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hier aber bei der Auswahlentscheidung der Gemeinden zu Gunsten der NSO bejaht.
Zudem hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht beanstandet, dass sich die NSO im Auswahlzeitpunkt noch zu sehr im Gründungsstadium befunden hat. Daher konnte weder verlässlich ihre Leistungsfähigkeit beurteilt werden noch war der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindehaushalts- und Kassenverordnung für die beteiligten Kommunen erforderliche Wirtschaftlichkeitsvergleich möglich.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 11. September 2013 – 10 ME 87/12 und 10 ME 88/12