Photovoltaik-Anlage auf dem Eigenheim – und der Vorsteuerabzug für die Dachreparatur

Maßgebend für den Vorsteuerabzug ist nicht nur die Verwendung der vom Steuerpflichtigen bezogenen Eingangsleistung, sondern auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes.

Photovoltaik-Anlage auf dem Eigenheim – und der Vorsteuerabzug für die Dachreparatur

Wird aufgrund der unsachgemäßen Montage einer unternehmerisch genutzten Photovoltaik-Anlage das Dach eines eigenen Wohnzwecken dienenden Hauses beschädigt, steht dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Schadens notwendigen Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten der Vorsteuerabzug zu. Die weitere auch eigenen Wohnzwecken dienende Nutzung des Hausdachs ist für den Vorsteuerabzug jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn dem Unternehmer über die Schadensbeseitigung hinaus in seinem Privatvermögen kein verbrauchsfähiger Vorteil verschafft wird.

Ein Hauseigentümer, der mit dem Betrieb einer auf seinem Wohnhaus angebrachten Photovoltaik-Anlage eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat[1], ist daher aus den Leistungen zur Beseitigung der Schäden, die an dem Dach seines privat genutzten Wohnhauses bei der Anbringung der Photovoltaik-Anlage entstanden sind, zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Dies beruht auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach ist der Steuerpflichtige berechtigt, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

Dazu muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen. Das Abzugsrecht ist nur gegeben, wenn die Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören[2].

Das Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs ist in Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu beurteilen[3]. Maßgebend für den Vorsteuerabzug ist jedoch nicht nur, wie das Finanzgericht angenommen hat, die Verwendung der vom Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen[4], sondern auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes, da dieser ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts ist[5].

Kosten stehen daher auch dann in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, soweit sie ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in dieser Tätigkeit haben[6]. Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang wird daher vom Gerichtshof der Europäischen Union z.B. bejaht, wenn die Eingangsleistung für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen „unerlässlich“ ist[7].

Danach hat das Finanzgericht Nürnberg[8] im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall den Vorsteuerabzug erstinstanzlich zu Unrecht verneint:

Das Finanzgericht hat zum Streitfall und für den Bundesfinanzhof nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass der ausschließliche Entstehungsgrund für die streitigen Vorsteuerbeträge in der unternehmerischen Sphäre des Hauseigentümers liegt und die Reparaturkosten Teil der Kostenelemente der Ausgangsumsätze der Photovoltaik-Anlage sind. Der Schaden an dem ansonsten voll funktionsfähigen Dach ist ausschließlich durch die unsachgemäße Montage der Photovoltaik-Anlage im Jahr 2009 entstanden und die Reparatur ist nur in dem hierfür erforderlichen Umfang und damit nur auf einer Dachseite erfolgt. Dies genügt für eine Bejahung des Vorsteuerabzugs nach Maßgabe des ausschließlichen Entstehungsgrundes, wie auch das in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof erörterte Beispiel zeigt, dass der Unternehmer ein Dach beschädigt, das er zur Anbringung einer Photovoltaik-Anlage angemietet hat.

Die zukünftige Nutzung des reparierten Gegenstands hingegen ist -entgegen der Auffassung des Finanzgericht- für den Vorsteuerabzug jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn dem Unternehmer -wie hier- über die Schadensbeseitigung hinaus in seinem Privatvermögen kein verbrauchsfähiger Vorteil verschafft wird. Es liefe dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zuwider, wenn ein Steuerpflichtiger für Ausgaben, die für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze erbracht wurden, deshalb die Mehrwertsteuer tragen müsste, weil einem Dritten durch diese Ausgaben ein nebensächlicher Vorteil entsteht[9], wie dies z.B. der Fall wäre, wenn der Hauseigentümer die Photovoltaik-Anlage auf einem angemieteten Hausdach betrieben hätte und dieses hierbei beschädigt worden wäre. Für den Privatbereich des Unternehmers kann insoweit nichts anderes gelten.

Der hier entscheidende XI. Senat des Bundesfinanzhofs weicht damit nach eigenem Bekunden nicht von den Entscheidungen anderer Senate[10] ab. Denn in diesen Fällen lag der ausschließliche Entstehungsgrund nicht in der Beseitigung eines nur durch die wirtschaftliche Tätigkeit entstandenen Schadens.

Die Sache ist spruchreif. Besteht der für den Vorsteuerabzug erforderliche Zusammenhang unter Berücksichtigung des ausschließlichen Entstehungsgrundes, genügt dies für die Bejahung des Vorsteuerabzugs.

Der Umstand, dass das Wohnhaus des Hauseigentümers, dessen Dach repariert worden ist, sich in dessen Privatvermögen befindet, steht dem begehrten Vorsteuerabzug nicht entgegen. Denn die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen bestimmt nur die Anwendung des Mehrwertsteuersystems auf den Gegenstand selbst und nicht auf Gegenstände und Dienstleistungen für seine Nutzung und Wartung[11]. Das Recht auf Abzug der Vorsteuer für diese Gegenstände und Dienstleistungen ist eine gesonderte Frage, die insbesondere von dem Zusammenhang zwischen diesen Gegenständen und Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen des Steuerpflichtigen abhängt[12]. Die Finanzverwaltung lässt deshalb zu Recht z.B. in Abschn. 15.2c Abs. 3 Satz 3 UStAE Vorsteuerbeträge aus Reparaturaufwendungen infolge eines Unfalls während einer unternehmerisch veranlassten Fahrt mit einem privaten Kfz unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zum Abzug zu[13].

Da der Hauseigentümer die Eingangsleistungen in vollem Umfang für sein Unternehmen bezogen hat, kommt es auf die Frage, inwieweit § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG auf die bezogenen Eingangsleistungen Anwendung fände, nicht an. Da der Hauseigentümer im Streitjahr über ordnungsgemäße Rechnungen verfügt hat, kann er sein Recht auf Vorsteuerabzug auch im Streitjahr ausüben. Die Höhe der gesetzlich geschuldeten Steuer, die als Vorsteuer abziehbar ist, steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 7. Dezember 2022 – XI R 16/21

  1. vgl. EuGH, Urteil „Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr“ vom 20.06.2013 – C-219/12, EU:C:2013:413; BFH, Urteil vom 04.05.2022 – XI R 29/21 (XI R 7/19), BFHE 276, 418[]
  2. vgl. z.B. EuGH, Urteile Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments vom 14.09.2017 – C-132/16, EU:C:2017:683, Rz 28; Vos Aannemingen vom 01.10.2020 – C-405/19, EU:C:2020:785, Rz 25; BFH, Urteile vom 07.05.2020 – V R 1/18, BFHE 270, 146, Rz 23; vom 16.12.2020 – XI R 13/19, BFHE 272, 185, BStBl II 2022, 389, Rz 59[]
  3. vgl. EuGH, Urteile Sveda vom 22.10.2015 – C-126/14, EU:C:2015:712, Rz 29; Finanzamt R vom 08.09.2022 – C-98/21, EU:C:2022:645, Rz 49[]
  4. vgl. EuGH, Urteil Sonaecom vom 12.11.2020 – C-42/19, EU:C:2020:913, Rz 66[]
  5. vgl. EuGH, Urteile Becker vom 21.02.2013 – C-104/12, EU:C:2013:99, Rz 29; Baštová vom 10.11.2016 – C-432/15, EU:C:2016:855, Rz 45; C&D Foods Acquisition vom 08.11.2018 – C-502/17, EU:C:2018:888, Rz 37; Finanzamt R, EU:C:2022:645, Rz 49[]
  6. vgl. EuGH, Urteil Investrand vom 08.02.2007 – C-435/05, EU:C:2007:87, Rz 33, 36; BFH, Urteile vom 13.12.2017 – XI R 3/16, BFHE 261, 84, BStBl II 2018, 727, Rz 28; vom 18.09.2019 – XI R 19/17, BFHE 267, 98, BStBl II 2020, 172, Rz 31; vom 30.06.2022 – V R 32/20, BFHE 276, 428, BStBl II 2023, 45, Rz 18[]
  7. vgl. EuGH, Urteile Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, EU:C:2017:683, Rz 32 ff.; Mitteldeutsche Hartstein-Industrie vom 16.09.2020 – C-528/19, EU:C:2020:712, Rz 32 ff.[]
  8. FG Nürnberg, Urteil vom 23.02.2021 – 2 K 826/20[]
  9. vgl. EuGH, Urteil Vos Aannemingen, EU:C:2020:785, Rz 29[]
  10. BFH, Urteile vom 28.02.1980 – V R 138/72, BFHE 130, 111, BStBl II 1980, 309; vom 25.06.1998 – V R 25/97, BFH/NV 1998, 1533; vom 10.12.2009 – V R 13/08, BFH/NV 2010, 960; vom 19.07.2011 – XI R 29/09, BFHE 234, 556, BStBl II 2012, 430; vom 19.07.2011 – XI R 21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434; vom 19.07.2011 – XI R 29/10, BFHE 234, 564, BStBl II 2012, 438; vom 14.03.2012 – XI R 23/10, BFH/NV 2012, 1672; vom 14.03.2012 – XI R 26/11, BFH/NV 2012, 1192; und vom 03.08.2017 – V R 59/16, BFHE 258, 553, BStBl II 2017, 1209; sowie BFH, Beschluss vom 12.03.2014 – XI B 136/13, BFH/NV 2014, 1095[]
  11. vgl. EuGH, Urteil Bakcsi vom 08.03.2001 – C-415/98, EU:C:2001:136, Rz 33; BFH, Urteil vom 17.12.2008 – XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, Rz 30; Abschn. 15.2c Abs. 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses -UStAE-[]
  12. vgl. BFH, Beschluss vom 10.02.2011 – XI B 98/10, BFH/NV 2011, 864, Rz 5[]
  13. s.a. BFH, Urteil vom 31.01.2002 – V R 61/96, BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813, Rz 21; Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 301; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 546[]