Muss die vom Gewerbetreibenden nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein, dass der Verbraucher auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt?

Diese Frage hat aktuell der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäische Union in einem Verfahren zur Vorabentscheidung vorgelegt, in dem es um Stromtarife geht. Die beklagte Stromversorgerin bietet auf ihrer Internetseite einen Ta- rifrechner für ihre Stromtarife an, der auch von Kunden genutzt werden kann, die Heizstrom beziehen und über einen Doppeltarifzähler verfügen. In den Tarifrechner müssen sie ihre Postleitzahl sowie ihre Verbrauchsmengen im Hoch- und Niedertarif eingeben. Die Kunden erhalten am Ende des Vorgangs ein Tarifangebot, das sie annehmen können. Der klagen Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) beanstandet die von der Stromversorgerin mit ihrem Tarifrechner generierten Tarifvorschläge. Der ausgewiesene Gesamtpreis sei zu niedrig, weil er die Ausgleichsmenge nicht berücksichtige.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Mönchengladbach hat die Klage abgewiesen[1]. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die hiergegen gerichtete Berufung des VZBV zurückgewiesen[2]. Auf die hiergegen erhobene; vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision hat der Bundesgerichtshof nunmehr zunächst den Unionsgerichtshof zur Vorabentscheidung angerufen:
Der Erfolg der Revision hängt mit Blick auf den vom Oberlandesgericht Düsseldorf abgewiesenen Unterlassungsantrag zu 2 von der Auslegung des Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt ab. Vor einer Entscheidung über die Revision ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Klage für zulässig, aber unbegründet erachtet. Die Abweisung des für das Vorlageverfahren relevanten Unterlassungsantrags zu 2 hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:
Dem VZBV stehe gegen die Stromversorgerin kein Anspruch auf Unterlassung zu, mit einem Angebot für Heizstrom zu werben und dabei im gesamten Bestellvorgang den Verbraucher nicht ausdrücklich bei der Abrechnungsweise für Heizstrom auf die konkrete Ausgleichsmenge bei gemeinsamer Messung von Heiz- und Haushaltsstrom mit einem Doppeltarifzähler hinzuweisen. Ein Teil der Verbraucher gebe die Verbrauchsmengen aus einer früheren Abrechnung, die um die Ausgleichsmenge bereinigt sei, in den Tarifrechner ein; ein anderer Teil könne die Verbrauchsmengen mangels Vorliegens einer früheren Abrechnung ohnehin nur schätzen. Diese Verbraucher würden nicht in die Irre geführt. Gleiches gelte aber auch für die Verbraucher, die ihrer früheren Abrechnung nicht die korrekten Verbrauchsmengen entnähmen. Die Gefahr der Eingabe falscher Verbrauchswerte sei kein Problem der Angabe eines falschen Preises, sondern der Menge. Auch ein Hinweis auf die korrekte konkrete Ausgleichsmenge sei nicht geboten. Abgesehen davon, dass eine solche Angabe der Stromversorgerin nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag nicht möglich sei, reiche es zur Vermeidung einer Täuschung aus, den Verbraucher auf die begrenzte Aussagekraft der eingegebenen Verbrauchsmenge (gegebenenfalls unter Hinweis auf die verbreitete Praxis der Berechnung einer Ausgleichsmenge) allgemein hinzuweisen. Die Klageanträge erfassten eine Unterlassung der Werbung mit einem Angebot für Heizstrom ohne einen solchen allgemeinen Hinweis jedoch nicht.
Während mit Blick auf den Unterlassungsantrag zu 1 (auch) eine Irreführung nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 UWG in der ab 28.05.2022 geltenden Fassung (nachfolgend: nF) in Betracht kommt, liegt der Schwerpunkt des mit dem Unterlassungsantrag zu 2 gerügten Verhaltens auf dem Vorenthalten einer Information gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 5a, 5b UWG nF. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat diesen Tatbestand nicht geprüft. Dem Unterlassungsantrag zu 2 ist stattzugeben, wenn die von der Stromversorgerin nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF (Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG) zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung den für den jeweiligen Kunden geltenden Prozentsatz der Ausgleichsmenge einschließen muss. Dies soll mit der Vorlagefrage geklärt werden.
Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht wettbewerbswidrig war als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig ist[3]. Mit Wirkung zum 28.05.2022 ist § 5a UWG aF durch die §§ 5a bis 5c UWG nF ersetzt worden (vgl. Art. 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10.08.2021, BGBl. I S. 3504). Eine für den Streitfall maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Die Regelung des § 5a Abs. 2 und 5 UWG aF findet sich um den Fall einer Irreführung sonstiger Marktteilnehmer ergänzt und ansonsten inhaltsgleich in § 5a Abs. 1 bis 3 UWG nF. § 5a Abs. 3 UWG aF ist mit einer für den Streitfall nicht relevanten Ergänzung in § 5b Abs. 1 UWG nF übernommen worden. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG aF stimmt mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nF wörtlich überein.
Nach § 5a Abs. 1 UWG nF handelt unlauter, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, (Nr. 1) die der Verbraucher oder der sonstige Marktteilnehmer nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten dazu geeignet ist, den Verbraucher oder den sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5a Abs. 3 UWG nF sind bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, zu berücksichtigen (Nr. 1) räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie (Nr. 2) alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer die Informationen auf andere Weise als durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen. Eine geschäftliche Entscheidung ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nF jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen. Mit Blick auf Verbraucher stellen diese Regelungen eine Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 bis 3 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG dar[4].
Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, so gelten gemäß § 5b Abs. 1 UWG nF die nachfolgend genannten Informationen als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG nF, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben. Diese Vorschrift setzt Art. 7 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG um. Nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG gelten im Falle der Aufforderung zum Kauf die nachfolgend aufgezählten Informationen als wesentlich, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben. Eine Aufforderung zum Kauf ist nach Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2005/29/EG jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen.
Als wesentliche Informationen gelten nach § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können. Diese Vorschrift geht auf Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG zurück. Danach gelten als wesentliche Informationen der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können.
Die von der Stromversorgerin gegenüber Verbrauchern beworbene Lieferung von Strom wird gemäß § 5b Abs. 1 UWG so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann.
Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG statt des in der Richtlinie verwendeten Begriffs „Aufforderung zum Kauf“ die Umschreibung gewählt, dass Waren oder Dienstleistungen so angeboten werden, dass ein Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt wird, das Geschäft abzuschließen[5]. Nach der danach erforderlichen richtlinienkonformen Auslegung des § 5b Abs. 1 UWG reicht es für ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift aus, dass eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt. Gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das der Fall, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder aber, dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht[6]. Eine geschäftliche Entscheidung umfasst nach Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nF) jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will; dies schließt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts[7] und das Aufrufen eines Verkaufsportals im Internet[8] ein.
Die angegriffene Werbung der Stromversorgerin stellt eine Aufforderung zum Kauf und damit ein Angebot im Sinne von § 5b Abs. 1 UWG dar. Der Verbraucher erhält bei der Nutzung des Tarifrechners der Stromversorgerin die wesentlichen Angaben, die er benötigt, um die geschäftliche Entscheidung treffen zu können, einen Stromlieferungsvertrag mit der Stromversorgerin abzuschließen. Die Internetseite der Stromversorgerin ermöglicht dem Verbraucher sogar, auf Grundlage des Ergebnisses der Tarifberechnung unmittelbar einen Stromlieferungsvertrag mit ihr abzuschließen. Da die maßgebliche geschäftliche Entscheidung bereits in der Einleitung des Bestellvorgangs liegt, ist der Hinweis auf die Ausgleichsmenge in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stromversorgerin, die sie dem Verbraucher innerhalb dieses Bestellvorgangs zur Kenntnis bringt, schon aus zeitlichen Gründen nicht geeignet, ihre Informationspflicht zu erfüllen.
Die Stromversorgerin hat im Streitfall daher grundsätzlich bereits mit der Aufforderung zum Kauf eine Information über die Art der Preisberechnung nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) zu erteilen.
Der für die Stromlieferung anfallende (Gesamt)Preis kann aufgrund der Beschaffenheit des Produkts nicht im Voraus berechnet werden, da er von der tatsächlich verbrauchten Strommenge abhängt[9]. Die tatsächlich verbrauchte Strommenge kann von der Strommenge abweichen, die der Verbraucher in den Tarifrechner der Stromversorgerin eingibt.
Die danach bestehende Informationspflicht zur Art der Preisberechnung wird nicht von den Informationspflichten auf Grundlage der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse verdrängt. Zwar ordnet Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG einen Vorrang kollidierender Rechtsvorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, für diese besonderen Aspekte an. Allerdings trifft die Richtlinie 98/6/EG keine Regelung für den Fall, dass der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann; insbesondere ist die Verpflichtung zur Angabe des Verkaufspreises im Sinne des Endpreises für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge nach Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG dann nicht einschlägig[10].
Im Streitfall stellt sich die nicht zweifelsfrei zu beantwortende Frage, ob die nach Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein muss, dass der Kunde auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gehören zur Art der Preisberechnung die Einzelheiten der Berechnung des Endpreises und gegebenenfalls die Zusatzkosten oder ein Hinweis darauf, dass zusätzliche Kosten anfallen[11]. Das nationale Gericht hat insoweit zu prüfen, ob die Auslassung der Einzelheiten der Berechnung des Endpreises den Verbraucher nicht daran hindert, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ihn folglich nicht zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er sonst nicht getroffen hätte. Es hat außerdem die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums, die Beschaffenheit und die Merkmale des Produkts sowie die übrigen Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Gewerbetreibende tatsächlich getroffen hat, um die Informationen dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen[12].
Der Verbraucher benötigt die Angabe des konkreten Prozentsatzes der Ausgleichsmenge, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und das Vorenthalten dieser Angabe ist geeignet, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG nF (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG), dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die selbständig zu prüfen sind. Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass – abweichend vom Regelfall – der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast[13].
Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Oberlandesgericht Düsseldorf nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen hat, geben einige Verteilernetzbetreiber den Stromlieferanten eine Ausgleichsmenge vor. Die Höhe des Prozentsatzes der Ausgleichsmenge ist demnach von der Entscheidung des Netzbetreibers abhängig. Zudem ist in der Revisionsinstanz zugunsten des VZBV dessen streitiger Vortrag zugrunde zu legen, nicht alle Stromanbieter gäben die vom Netzbetreiber vorgegebene Ausgleichsmenge an die Kunden weiter. Danach sind die weiteren Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG im Streitfall erfüllt, weil erst die Höhe des Prozentsatzes der von der Stromversorgerin in die Berechnung des Preises einbezogenen Ausgleichsmenge einen Vergleich des Angebots der Stromversorgerin mit dem anderer Stromanbieter ermöglicht. Das gilt im Übrigen selbst dann, wenn alle Stromanbieter die vom Netzbetreiber vorgegebene Ausgleichsmenge in gleicher Weise an die Kunden weitergeben, weil es zwei konkurrierende Angebote geben kann, von denen eines einen günstigeren Preis im Niedertarif und eines einen günstigeren Preis im Hochtarif aufweist. Es hängt dann (auch) vom Prozentsatz der Ausgleichsmenge ab, welches Angebot für den Verbraucher günstiger ist.
Es ist weder festgestellt noch ersichtlich, dass die Stromversorgerin, die auf ihrer Internetseite unter Einbeziehung eines Tarifrechners wirbt, Beschränkungen wegen des von ihr verwendeten Kommunikationsmediums unterliegt.
Der Streitfall wirft die nicht zweifelsfrei zu beantwortende Frage auf, wie das Merkmal „Art der Preisberechnung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) auszulegen ist. Mit der Vorlagefrage soll geklärt werden, ob die vom Gewerbetreibenden zu erteilende Information über die Art der Preisberechnung bei einer vom Verbrauch abhängigen Preisgestaltung so beschaffen sein muss, dass der Kunde auf Grundlage der Information selbständig eine Preisberechnung vornehmen kann, wenn er den ihn betreffenden Verbrauch kennt.
Der Wortlaut „Art der Preisberechnung“ lässt eine Auslegung dahingehend zu, dass es ausreicht, wenn der Gewerbetreibende lediglich allgemein über die für die Preisberechnung relevanten Bestandteile und die Einzelheiten der Berechnung des Preises[14] informiert. Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden hat, dass sich die Informationspflicht über die Art der Preisberechnung auch auf Einzelheiten der Berechnung des Endpreises bezieht[15], steht dies einer solchen Auslegung ebenfalls nicht von vornherein entgegen.
Der Zweck der Richtlinie 2005/29/EG, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten[16], könnte aber dafür sprechen, dass die Information den Verbraucher in die Lage versetzen muss, den Preis zu ermitteln[17]. Allerdings lässt sich der Richtlinie 2005/29/EG keine weitere Konkretisierung des Begriffs „Art der Preisberechnung“ entnehmen. Dies gilt auch für Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG sowie für Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und Art. 7 Abs. 4 Unterabsatz 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, in denen dieser Begriff ebenfalls Verwendung findet. Die ähnlichen Begriffe in Art. 22 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt und Art. 3 Buchst. b der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende vergleichende Werbung sind ebenfalls nicht näher definiert.
Auch der Regelungszusammenhang des Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG könnte gegen die Annahme sprechen, dass ein allgemeiner Hinweis auf eine zu berücksichtigende Ausgleichsmenge ausreicht. Für zusätzliche Fracht, Liefer- oder Zustellkosten, die vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, reicht danach die Angabe der Tatsache aus, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können. Dieser Teil der Regelung bezieht sich aber nicht auf die Information zur Art der Preisberechnung[18]. Dies könnte darauf hindeuten, dass insoweit weitergehende Informationen erforderlich sind. Im Streitfall stehen nicht zusätzliche Kosten, sondern die Einzelheiten der Berechnung des Endpreises in Rede.
Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
Wäre die Angabe des Prozentsatzes der Ausgleichsmenge als wesentliche Information im Sinne des Art. 7 Abs. 1 und 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 1 Nr. 3 UWG nF) anzusehen, müsste im Revisionsverfahren zugunsten des VZBV unterstellt werden, dass die Stromversorgerin sie dem Verbraucher vorenthalten hat.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass das Vorenthalten einer Information voraussetzt, dass die Information zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann[19]. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Informationspflichten die unternehmerische Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) beschränken und daher verhältnismäßig sein müssen. Zwar trifft die Richtlinie 2005/29/EG in ihrem Art. 7 Abs. 3 allein Regelungen zu räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des vom Gewerbetreibenden verwendeten Kommunikationsmediums, nicht aber zur Verfügbarkeit oder Beschaffung der Information. Bliebe dieser Aspekt jedoch gänzlich unberücksichtigt, müsste der Gewerbetreibende in solchen Fällen auf eine solche Werbung in Form einer Aufforderung zum Kauf verzichten und auf andere Formen der Werbung zurückgreifen.
Ungeachtet der Frage, ob die Information über den Prozentsatz der Ausgleichsmenge zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich der Stromversorgerin gehört, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im Streitfall jedenfalls nicht festgestellt, dass es der Stromversorgerin unmöglich wäre, sich die Information zu beschaffen. Es hat im Berufungsurteil zwar ausgeführt, der Stromversorgerin sei es nicht möglich, eine konkrete Ausgleichsmenge anzugeben. Die Stromversorgerin hat in ihrer Revisionserwiderung insoweit auf ihren vorinstanzlichen Vortrag verwiesen, die – zum Stand 2020 – 874 Verteilernetzbetreiber veröffentlichten den für ihr jeweiliges Netzgebiet geltenden Prozentsatz der Ausgleichsmenge nur selten; sie erfahre diesen Prozentsatz erst mit der Bestätigung der Anmeldung der Lieferstelle durch den örtlichen Verteilnetzbetreiber. Es fehlt allerdings an Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf dazu, welchen Aufwand es für die Stromversorgerin verursacht, die Prozentsätze der Ausgleichsmenge in einer Datenbank zusammenzuführen, soweit sie ihr bereits bekannt sind, und ihr noch nicht bekannte Prozentsätze durch Nachfrage bei den betreffenden Verteilernetzbetreibern zu ergänzen sowie die Informationen aktuell zu halten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. Juli 2023 – I ZR 65/22
- LG Mönchengladbach, Urteil vom 30.07.2021 – 8 O 25720[↩]
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.04.2022 – I20 U 116/21[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 27/22, GRUR 2023, 343 15] = WRP 2023, 343 – Haftung für Affiliates[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2022 – I ZR 241/19, GRUR 2022, 1832 22] = WRP 2023, 57 – Herstellergarantie IV, mwN; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 5a Rn.01.10, 1.19, 1.21, 2.29 und 3.2[↩]
- vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drs. 16/10145, S. 25[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 12.05.2011 C122/10, GRUR 2011, 930 33] = WRP 2012, 189 – Ving Sverige; zu § 5a Abs. 3 UWG aF BGH, Urteil vom 14.09.2017 – I ZR 231/14, GRUR 2017, 1269 16] = WRP 2018, 65 – MeinPaket.de II, mwN[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 19.12.2013 C281/12, GRUR 2014, 196 = WRP 2014, 161 36] – Trento Sviluppo und Centrale Adriatica[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2017, 1269 19] – MeinPaket.de II[↩]
- zur Verbrauchsabhängigkeit vgl. Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 5a Rn. 162; Großkomm.UWG/Leistner, 3. Aufl., § 5a Rn. 58; Büscher/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 5a Rn. 133; MünchKomm-.UWG/Alexander, 3. Aufl., § 5a Rn. 380; Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 5a Rn. 151[↩]
- vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5b Rn.02.44a; zum Verhältnis der beiden Richtlinien vgl. auch EuGH, Urteil vom 07.07.2016 – C476/14, GRUR 2016, 945 44 f.] = WRP 2016, 1096 – Citroën Commerce; BGH, Urteil vom 10.11.2016 – I ZR 29/15, GRUR 2017, 286 15] = WRP 2017, 296 – Hörgeräteausstellung; BGH, GRUR 2022, 1163 40 und 51 bis 54] – Grundpreisangabe im Internet, mwN[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 66] – Ving Sverige[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 66 bis 72] – Ving Sverige; EuGH, Urteil vom 26.10.2016 – C611/14, GRUR 2016, 1307 58 und 62 bis 64] = WRP 2017, 31 – Canal Digital Danmark[↩]
- zu § 5a Abs. 2 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 143/19, BGHZ 233, 193 51] – Knuspermüsli II, mwN[↩]
- zu diesem Begriff vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 65] – Ving Sverige[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2011, 930 65] – Ving Sverige[↩]
- vgl. Erwägungsgründe 5 und 6 sowie Art. 1 der Richtlinie 2005/29/EG; EuGH, GRUR 2016, 1307 25 f. und 62] – Canal Digital Danmark[↩]
- vgl. BeckOK.UWG/Ritlewski, 20. Edition [Stand 1.04.2023], § 5b Rn. 47[↩]
- vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 16.12.2015 – C-476/14 vom 16.12.2015, BeckRS 2015, 82065 Rn. 73[↩]
- zu § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016 – I ZR 26/15, GRUR 2016, 1076 27] = WRP 2016, 1221 – LGA tested; Urteil vom 02.03.2017 – I ZR 41/16, GRUR 2017, 922 27] = WRP 2017, 1081 – Komplettküchen; Urteil vom 05.10.2017 – I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 32] = WRP 2018, 420 – Energieausweis[↩]