Die Verjährung von Entgeltansprüchen der Versorgungsunternehmen für Stromlieferungen untereinander unterliegt keinen besonderen Regelungen. Für sie gilt die regelmäßige Verjährung von drei Jahren nach § 195 BGB. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Die Ansprüche sind mit Rechnungstellung entstanden. Unter der Entstehung des Anspruchs im Sinn des § 199 Abs. 1 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Zeitpunkt zu verstehen, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, d.h. dem Zeitpunkt, in dem die Forderung fällig wird[1].
An dieser Rechtslage hat sich durch die Reform des Schuldrechts und die damit einhergehende Änderung von Verjährungsvorschriften nichts geändert. Bereits nach § 198 BGB a.F. begann die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem die Forderung entstanden war. Auf den Zeitpunkt, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls eingeklagt werden kann, ist dann abzustellen, wenn – wie hier – die Fälligkeit von einem zeitlich unbestimmten und insbesondere vom Schuldner unbestimmbaren Ereignis, wie z.B. einer Rechnungsstellung, abhängig gemacht wird und der Gläubiger auf den Beginn der Verjährungsfrist Einfluss nehmen kann. Auch hier folgt die Maßgeblichkeit des Fälligkeitszeitpunkts für den Beginn der Verjährungsfrist aus der Erwägung, dass zu Lasten des Berechtigten die Verjährungsfrist nicht beginnen kann, solange er nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen[2].
Die Stromversorgerin konnte die strittigen Forderungen frühestens nach der Erstellung von Abrechnungen klageweise geltend machen. Denn sie war von vornherein auf die Erhebung einer Leistungsklage beschränkt, die neben einer der Höhe nach bestimmten Forderung deren Fälligkeit erfordert. Anders als bei Schadensersatzansprüchen, deren Höhe noch nicht feststeht, die dem Grunde nach aber bereits geltend gemacht werden können, ist eine klageweise Geltendmachung von Mindermengenansprüchen vor Abrechnung im Wege einer Feststellungsklage wegen des Vorrangs einer Leistungsklage unzulässig. Der Vergleich zu den Urteilen des Bundesgerichtshofes zu Stromnetznutzungsentgelten[3] sowie zur Rückforderung unbillig überhöhter Netznutzungsentgelte im Sinn des § 315 Abs. 3 BGB[4], in denen der Rückforderungsanspruch des Netznutzers in der Form eines Bereicherungsanspruch im Zeitpunkt der Zahlung eines unbilligen Entgelts entsteht und bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Lauf der Verjährungsfrist zum Jahresschluss auslöst, verkennt zum einen, dass Netznutzungsentgelte anders als Entgelte für ungewollte Mehr- und Mindermengen, nicht lediglich verbrauchsabhängig errechnet werden. Anknüpfungspunkt für Netznutzungsentgelte sind vielmehr die Kostenstruktur des Netzbetriebs sowie Festlegungen der Regulierungsbehörden. Zum anderen sind in jenen Fällen Entgeltleistungen wegen der Unwirksamkeit der Preisbestimmung ohne Rechtsgrund erbracht worden, so dass sie sofort zur Rückzahlung fällig waren. In derartigen Fällen ist es dem Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglich und zumutbar – anders als im Streitfall – seine Rechte im Wege der Feststellungsklage zu sichern[5]. Eine Feststellungsklage ist bei der Berechnung des Jahresenergieverbrauchs nicht zulässig, weil erst die im Zuge der Abrechnung erfolgende Auswertung der Verbrauchsdaten die Feststellung ermöglicht, ob für den Netzbetreiber abrechenbare Mindermengen entstanden sind[6].
Auch § 13 Abs. 3 StromNZV ist dahin zu verstehen, dass ungewollte Mindermengen im Zuge einer jährlichen Abrechnung ermittelt und in Rechnung gestellt werden, ohne indes einen bestimmten Abrechnungszeitpunkt vorzuschreiben. Mit der Standardisierung von Lastprofilen geht eine Standardisierung der Abrechnungsverfahren einher, die in § 13 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 StromNZV neben der Feststellung von Mehr- oder Mindermengen zugleich deren Abrechnung erfassen. Auch hiernach kommt der Abrechnung für die Feststellung von Forderungen gegen Lastprofilkunden zentrale Bedeutung zu.
Ein Missbrauch im Sinn des § 30 EnWG liegt ebenso wenig vor, wie Verwirkung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB.
§ 30 Abs. 1 Satz 1 EnWG enthält einen Verbotstatbestand in Form einer Generalklausel. Danach ist Betreibern von Energieversorgungsnetzen ein Missbrauch ihrer Marktstellung verboten, wobei der Missbrauchsbegriff in § 30 Abs. 1 Satz 2 EnWG durch sechs Beispielstatbestände konkretisiert wird. § 30 Abs. 1 EnWG statuiert bereits nach seinem Wortlaut („ist verboten“) unmittelbar verbindliche Verhaltenpflichten[7]. Keine dieser Pflichten hat die Stromversorgerin verletzt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EnWG, wonach missbräuchlich handelt, wer Bestimmungen des EnWG oder auf Grund dieser Bestimmungen erlassene Rechtsverordnungen verletzt. Eine solche Bestimmung ist auch § 13 StromNZV[8]. Wie bereits ausgeführt worden ist, macht § 13 Abs. 3 Satz 3 StromNZV keine Vorgaben, zu welchem Zeitpunkt Abrechnungen zu erstellen sind, wie sich dies z.B. aus § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB für das Mietrecht ergibt. § 13 Abs. 3 Satz 3 StromNZV ist vielmehr dahin zu verstehen, dass ein Mehr- oder Minderverbrauch zum einen durch Abrechnung festgestellt wird und eine solche Abrechnung zum anderen wahlweise zwischen dem Netzbetreiber und dem Lieferanten oder dem Netzbetreiber und dem Kunden erfolgen kann. Eine Pflicht zur Abrechnung binnen einer bestimmten Frist, schreibt § 13 StromNZV nicht vor.
Ebenso wenig ist Verwirkung eingetreten. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat, und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde. Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung, die sich aus einem Zeit- und einem Umstandsmoment zusammensetzt[9]. Auch wenn die Stromversorgerin die Abrechnungen für die Jahre 2006 und 2007 erst mehrere Jahre später erstellt hat, hatte die Vertragspartnerin keinen Anlass zu der Annahme, die Stromversorgerin werde für den Fall ungewollter Mindermengen keine Ansprüche mehr geltend machen. Als gewerbliche Anbieterin von Stromlieferungen wusste auch die Vertragspartnerin, dass Abrechnungen bisher nicht erfolgt und weder Mehr- noch ungewollte Mindermengen festgestellt worden sind. Als Stromlieferantin war sie vielmehr ihrerseits gegenüber eigenen Kunden zur Abrechnung verpflichtet, was ebenfalls eine abschließende Feststellung des tatsächlichen Verbrauchs erforderte. Ein Vertrauenstatbestand, dahingehend, die Stromversorgerin werde auf eine Abrechnung verzichten, ist dadurch nicht begründet worden. Wegen eigener Bindungen an Kunden war sie insoweit nicht schutzwürdig.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2014 – I -27 U 13/13
- BGH, Urteil vom 08.07.1981 – VIII ZR 222/80, m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, a.a.O., Rn.20[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 23.06.2009, EnZR 49/08 6, Stromnetznutzungsentgelt I[↩]
- OLG Düsseldorf, VI-2 U (Kart) 12/07 48 ff.[↩]
- vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 22.07.2014, KZR 13/13, Rn. 22 m.w.N.[↩]
- vgl. auch BGH, Urteil vom 22.07.2014, KZR 13/13[↩]
- BerlKommEnR/Weyer, Band 1, § 30 EnWG Rn. 15[↩]
- BerlKommEnR, a.a.O., Rn 55[↩]
- BGH, Urteil vom 12.03.2008, XII ZR 147/05[↩]