Ist eine Preisbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 BGB unwirksam, so darf dem auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gestützten Bereicherungsanspruch des Abnehmers auf Rückzahlung des nicht geschuldeten Teils des Entgelts grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, dass der Gläubiger den überhöhten Preis ganz oder teilweise auf seine eigenen Abnehmer abwälzen konnte[1]. Dies gilt auch dann, wenn die nach § 315 Abs. 3 BGB unwirksame Preisbestimmung zugleich gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt oder dies zumindest nicht auszuschließen ist.

Eine Vertragspartei, die nach § 315 Abs. 1 BGB zur Bestimmung der Leistung befugt ist, hat einen Ermessensspielraum. Die von ihr vorgenommene Bestimmung ist erst dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht hingegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält[2]. Daraus ist zu folgern, dass nicht jede Abweichung von einer behördlichen Genehmigung oder einer gerichtlichen Bestimmung des Entgelts als Indiz für die Überschreitung des Ermessensspielraums gewertet werden kann. Jedenfalls die vom Berufungsgericht festgestellte Abweichung um 9, 75 % reicht hierfür nicht aus. Damit kann offen bleiben, ob es überhaupt eine abstrakte Grenze gibt, von der an eine solche Indizwirkung in der Regel bejaht werden kann.
Der Bundesgerichtshof hat es in seiner Entscheidung vom 20.07.2010[3] nicht beanstandet, die richterliche Bestimmung des Entgelts anhand von durchschnittlichen Kürzungsraten aus den ersten Genehmigungsverfahren vorzunehmen. Dies schließt es indes nicht aus, im Einzelfall einen anderen, (mindestens) in gleicher Weise geeigneten Maßstab heranzuziehen.
Wie auch die Revision und das Bundeskartellamt im Ansatz nicht verkennen, finden die schadensersatzrechtlichen Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine Anwendung[4].
Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben können zwar im Einzelfall Ausnahmen in Betracht kommen. Das Verhältnis zwischen zwei Netzbetreibern ist aber nicht mit der Konstellation vergleichbar, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.12 1961[5] zugrunde lag.
In dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Fall waren die Kläger, die die Nichtigkeit eines Kaufvertrages wegen überhöhten Kaufpreises[6] geltend machten, nach der Bewertung des Bundesgerichtshofs nicht als selbständig disponierende Kaufleute am Markt tätig, sondern als „Glieder in dem Automatismus der staatlich gelenkten Warenverteilung“ ohne jedes Preis- oder Absatzrisiko. Die Weiterveräußerung der Ware (Trockenvollei) zum Einkaufspreis zuzüglich eines behördlich bewilligten Handelsaufschlags war von Anfang an gesichert. Selbst die Käufer, an welche die Kläger die Ware zu liefern hatten, waren im Vorhinein behördlich festgelegt worden.
Auch wenn die Stellung eines Netzbetreibers, der ein vorgelagertes Netz in Anspruch nimmt, dazu die eine oder andere Ähnlichkeit aufweist, kann er nicht als bloßes Glied einer staatlich gelenkten Warenverteilung angesehen werden. Er kann die Kosten der Nutzung vorgelagerter Netze zwar an seine Kunden weitergeben. Er trägt aber das Absatzrisiko und das Risiko der Zahlungsunfähigkeit seiner Kunden. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, wenn die Klägerin überhöhte Entgelte zurückfordern kann, auch wenn sie nicht damit zu rechnen hat, ihrerseits von ihren Kunden in Anspruch genommen zu werden. Dies gilt umso mehr, als sich die Stellung der Klägerin – ebenfalls anders als in dem Fall aus der Nachkriegszeit – nicht wesentlich von derjenigen der Beklagten unterscheidet.
Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze über die Vorteilsanrechnung bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Verstößen gegen das Kartellrecht (passingon defence) führen jedenfalls in Konstellationen wie der vorliegenden ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss es sich ein Geschädigter, der wegen eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften Schadensersatz verlangt, schadensmindernd anrechnen lassen, wenn es ihm gelungen ist, einen wegen des Verstoßes überhöhten Kaufpreis auf seine eigenen Abnehmer abzuwälzen[7]. Diese Abnehmer können den Schaden, der ihnen durch die Abwälzung entstanden ist, unmittelbar vom Schädiger ersetzt verlangen, weil dieser aufgrund des begangenen Verstoßes auch ihnen gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist[8].
Diese Grundsätze können auf Fälle, in denen eine Preisbestimmung schon gemäß § 315 Abs. 3 BGB unwirksam ist und dem Abnehmer deshalb ein auf (teilweise) Rückzahlung des Entgelts gerichteter Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zusteht, nicht übertragen werden.
Ein Bereicherungsanspruch der genannten Art kann auch dann bestehen, wenn die unwirksame Preisbestimmung weder auf eine Kartellabsprache noch auf einen Missbrauch von Marktmacht zurückgeht. Dann stehen typischerweise weder dem unmittelbaren Abnehmer noch den Abnehmern auf nachgelagerten Absatzstufen Schadensersatzansprüche gegen denjenigen zu, der die unwirksame Preisbestimmung vorgenommen hat. Eine Inanspruchnahme dieses Schuldners durch mittelbare Abnehmer auf anderer Rechtsgrundlage scheidet in der Regel aus, weil es insoweit an einem unmittelbaren Rechtsverhältnis fehlt und weil auch eventuelle Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundloser Leistung grundsätzlich nur innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen geltend gemacht werden dürfen. Müsste es sich der erste Abnehmer anspruchsmindernd anrechnen lassen, dass er das überhöhte Entgelt ganz oder teilweise auf die nächste Absatzstufe abwälzen konnte, so blieben dem Schuldner die Vorteile der unwirksamen Preisbestimmung damit in der Regel schon aus Rechtsgründen erhalten. Dies ist mit der Zielsetzung von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB nicht vereinbar und stünde auch in Widerspruch zu dem Anliegen, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Kartellrechtsverstößen zu fördern.
Ob eine abweichende Beurteilung geboten ist, wenn das Verlangen eines überhöhten Entgelts ausschließlich auf einem Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften beruht, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, der sich wie hier bereits daraus ergibt, dass eine Preisbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB unwirksam ist, darf jedenfalls nicht deshalb eingeschränkt werden, weil die Preisbestimmung zugleich gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt oder dies zumindest nicht auszuschließen ist. Der Bereicherungsanspruch aus § 315 Abs. 3 und § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB tritt in solchen Fällen vielmehr neben eventuelle Schadensersatzansprüche aus § 33 GWB.
Sofern eine Handlung die Tatbestände mehrerer anspruchsbegründender Normen erfüllt, treten die daraus resultierenden Ansprüche, soweit sie auf dasselbe Ziel gerichtet sind, grundsätzlich in so genannter echter Anspruchskonkurrenz nebeneinander, mit der Folge, dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen ist und seinen eigenen Regeln folgt[9]. Eine abweichende Beurteilung ist zwar geboten, wenn einer Vorschrift zu entnehmen ist, dass sie einen Sachverhalt erschöpfend regeln und dementsprechend die Haftung aus anderen Anspruchsgrundlagen ausschließen oder in bestimmter Hinsicht beschränken will[10]. In der hier zu beurteilenden Konstellation kann § 33 GWB aber nicht die Zielsetzung entnommen werden, dass ein schon auf anderer Grundlage begründeter Bereicherungsanspruch einzuschränken ist, um jede Überlagerung des kartellrechtlichen Sanktionensystems zu verhindern.
Zwar ist denkbar, dass der Schuldner wegen des überhöhten Entgelts sowohl von seinem unmittelbaren Abnehmer aus Bereicherungsrecht als auch von mittelbaren Abnehmern aus § 33 GWB in Anspruch genommen wird. Sofern den mittelbaren Abnehmern zugleich ein Ausgleichsanspruch gegen den unmittelbaren Abnehmer zusteht, ist der Schuldner vor einer doppelten Inanspruchnahme im Ergebnis aber dadurch geschützt, dass er entsprechend § 255 BGB[11] zur Leistung von Schadensersatz an den mittelbaren Abnehmer nur Zug um Zug gegen Abtretung von dessen Ansprüchen gegen den unmittelbaren Abnehmer verpflichtet ist. Zwar ist nicht auszuschließen, dass dem mittelbaren Abnehmer in einzelnen Fallkonstellationen keine Ausgleichsansprüche gegen den unmittelbaren Abnehmer zustehen. Diese theoretische Möglichkeit bildet aber keine hinreichende Grundlage, um Bereicherungsansprüche des unmittelbaren Abnehmers abweichend von den anerkannten Grundsätzen des Bereicherungsrechts zu beschränken.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Juli 2014 – KZR 27/13
- Bestätigung von BGH, Urteil vom 04.12 2007 – XI ZR 227/06, BGHZ 174, 334 Rn. 34; Urteil vom 05.11.2002 – XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307, 315 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 19.05.2005 – I ZR 299/02, BGHZ 163, 119, 130 = GRUR 2005, 757 – PRO-Verfahren[↩]
- BGH, Urteil vom 20.07.2010 EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 41 ff. – Stromnetznutzungsentgelt IV[↩]
- BGH, Urteil vom 04.12 2007 – XI ZR 227/06, BGHZ 174, 334 Rn. 34; Urteil vom 05.11.2002 – XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307, 315 f. mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 21.12.1961 – III ZR 130/60, BGHZ 36, 232 = NJW 1962, 580[↩]
- durch unzulässige Einschaltung einer staatlichen Stelle als Zwischenhändler[↩]
- BGH, Urteil vom 28.06.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 55 ff. – ORWI[↩]
- BGH, aaO Rn. 18 ff.[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 19.10.2004 – X ZR 142/03, NJW-RR 2005, 172; Urteil vom 16.09.1987 – VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 343 f.[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 12.12 1991 – I ZR 212/89, BGHZ 116, 297, 300; Urteil vom 17.03.1987- VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 201[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 15.04.2010 – IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961 Rn. 29 mwN[↩]







