Bei einem unversteuerten Bezug von Energieerzeugnissen entsteht der Entlastungsanspruch nach § 52 Abs. 1 EnergieStG nicht bereits mit deren Verwendung, sondern frühestens mit der Festsetzung der für das bezogene Energieerzeugnis entstandenen Energiesteuer.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt entsprechend für die Festsetzung einer Steuervergütung (§ 155 Abs. 4 AO, ab 01.01.2017 § 155 Abs. 5 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuervergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden ist (§ 38 AO).
Voraussetzung für die Entstehung eines Entlastungsanspruchs nach § 52 Abs. 1 EnergieStG ist nach dem Gesetzeswortlaut u.a. die nachweisliche Versteuerung der zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendeten Energieerzeugnisse. Nach § 96 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EnergieStV sind deshalb dem Antrag auf Entlastung Unterlagen über die Versteuerung der Energieerzeugnisse beizufügen.
Was unter einer solchen nachweislichen Versteuerung zu verstehen ist, definiert das EnergieStG nicht. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, Vergütungsansprüche für steuerfrei bezogene Energieerzeugnisse auszuschließen[1]. Allein die Steuerentstehung ist nicht ausreichend. Das ergibt sich bereits aus § 45 EnergieStG, der für Erlass, Erstattung und Vergütung stets eine entstandene Steuer, also eine steuerliche Belastung der eingesetzten Energieerzeugnisse, voraussetzt[2]. Weil die Entlastungsnormen eine nachweisliche Versteuerung voraussetzen, verlangt der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung, dass Umstände hinzutreten, welche die Steuerentstehung verifizieren[3].
In der Vergangenheit hatte der Bundesfinanzhof mehrfach entschieden, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung nicht von der Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Stromversorger oder Lieferer von Energieerzeugnissen abhängig sei[4].
Vielmehr entstehe der Vergütungsanspruch bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Stroms bzw. der Energieerzeugnisse oder mit dem Verbringen von Energieerzeugnissen in einen anderen Mitgliedstaat bzw. mit der Ausfuhr in ein Drittland, wobei im Falle der Verwendung von Strom der Vergütungsanspruch mit der Entnahme des Stroms aus dem Versorgungsnetz entsteht, die regelmäßig mit dem Verbrauch des Stroms zusammenfalle. In diesen Fällen hat der Bundesfinanzhof allerdings darauf abgestellt, dass in diesem Zeitpunkt die vom Lieferer zu führenden Aufzeichnungen hinreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs bieten.
Die bislang entschiedenen Fälle stimmten also darin überein, dass jeweils versteuerter Strom oder versteuerte Energieerzeugnisse bezogen worden waren, was sich aus den Rechnungen bzw. Lieferscheinen ergab.
Weil im Streitfall die Energieerzeugnisse jedoch unversteuert bezogen worden sind, kann von einer nachweislichen Versteuerung jedenfalls nicht vor der Festsetzung der Steuer ausgegangen werden.
Das unterscheidet den Streitfall wesentlich von den bislang entschiedenen Fällen. Allein auf die Verwendung der Energieerzeugnisse kann es deshalb nicht ankommen[5].
Im Streitfall kommt als denkbarer Anknüpfungspunkt die Festsetzung der Energiesteuer mit den Bescheiden vom 21.12.2017 in Betracht, denn vorher gingen die Beteiligten selbst nicht von der Steuerpflicht aus, so dass keine nachweisliche Versteuerung gegeben sein kann. Zudem kann die Steuerschuldnerin erst zu diesem Zeitpunkt einen vollständigen Antrag nach § 96 Abs. 4 EnergieStV stellen, weil sie nach § 96 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EnergieStV auch Unterlagen über die Versteuerung der Energieerzeugnisse beifügen muss.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Oktober 2021 – VII R 26/20
- BFH, Urteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308, Rz 9[↩]
- vgl. Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 45 Rz 13; Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 45 Rz 10 a.E.; Henseler in Friedrich/Soyk, Kommentar zu den Energiesteuern, § 45 EnergieStG Rz 18; vgl. auch BFH, Urteil in BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 9[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308, Rz 9[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308; in BFHE 260, 280, ZfZ 2018, 22, Rz 13; in BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 8; und vom 07.07.2020 – VII R 6/19, BFH/NV 2021, 198, ZfZ 2020, 372, Rz 10[↩]
- so im Ergebnis auch Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, a.a.O., § 45 Rz 21[↩]