Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten

Der Beschluss der EU-Kommission über die kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten ab 2013 ist nach einem Urteil des Gerichts der Europäischen Union mit dem Unionsrecht vereinbar, die Betreiber von Industrieanlagen, die Kohle als Brennstoff verwenden, werden durch den Beschluss nicht diskriminiert.

Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten

Um Emissionen von Treibhausgas zu verringern, hat der Unionsgesetzgeber 2003 eine Richtlinie – die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates[1] – erlassen, mit der er ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union geschaffen hat. Nach dieser Richtlinie war es Aufgabe der EU-Kommission, die nötigen Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, um die kostenlose Zuteilung dieser Emissionszertifikate zu harmonisieren.

Die Kommission hat daher 2011 einen Beschluss[2] erlassen, der im Wesentlichen die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten für die in der Richtlinie definierten ortsfesten Anlagen in Handelszeiträumen ab 2013 regelt. Sie hat für jeden Sektor und Teilsektor so genannte Benchmarks festgelegt, die sich an der Durchschnittsleistung der effizientesten Anlagen des jeweiligen Sektors oder Teilsektors in den Jahren 2007 und 2008 orientieren. Auf der Grundlage dieser Benchmarks wird dann ab 2013 die Zahl der Emissionszertifikate berechnet, die jeder betroffenen Anlage kostenlos zuzuteilen sind.

Polen war der Auffassung, dass der Beschluss der Kommission sowohl gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union als auch gegen die Richtlinie verstoße, und hat deshalb Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union erhoben.

Eine solche Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Europäischen Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht der Europäischen Union erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.

In seinem jetzt verkündeten Urteil stellt das Gericht der Europäischen Union erstens fest, dass der Beschluss eine Maßnahme zur Durchführung der Richtlinie darstellt, die ihrerseits auf der Grundlage der Bestimmungen des AEUV zur Umweltpolitik erlassen wurde. Das Europäische Gericht weist deshalb die Klage Polens ab, soweit dieser Mitgliedstaat die Rechtmäßigkeit des Beschlusses im Hinblick auf die Bestimmungen des AEUV zur Energiepolitik in Frage stellt.

Das Gericht der Europäischen Union stellt zweitens fest, dass die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hat, als sie sich bei der Festlegung der Benchmarks für die Berechnung der Menge der zuzuteilenden Emissionszertifikate zur Gleichbehandlung von Anlagen entschieden hat, die sich in unterschiedlichen Situationen befinden, weil sie unterschiedliche Brennstoffe verwenden.

Hierzu führt das Europäische Gericht aus, dass eine Unterscheidung der Produkt-Benchmarks, welche die Höchstmenge an Emissionsrechten festlegen, die pro Produktionseinheit eines bestimmten Produkts zugeteilt werden können , nach Maßgabe des verwendeten Brennstoffs den Industrieanlagen, in denen ein hohe CO2-Emissionen verursachender Brennstoffe verwendet wird, keine Anreize böte, nach Lösungen zur Verringerung ihrer Emissionen zu suchen. Eine solche Unterscheidung bärge außerdem die Gefahr einer Erhöhung der Emissionen, da die Betreiber von Industrieanlagen, in denen ein Brennstoff mit geringen CO2-Emissionen verwendet wird, dazu veranlasst werden könnten, diesen durch einen Brennstoff mit höherer CO2-Emission zu ersetzen.

Für die Produktionsverfahren, für die kein Produkt-Benchmark festgelegt wurde, gibt es verschiedene Benchmarks: den Wärme-Benchmark (produzierte oder verbrauchte Wärme) oder, falls die Wärme nicht messbar ist, den Brennstoff-Benchmark (durch den verwendeten Brennstoff zugeführte Energie). Das Gericht der Europäischen Union ist auch der Auffassung, dass die Entscheidung, Erdgas – einen geringe CO2-Emissionen verursachenden Brennstoff – für die Festlegung der Wärme- und Brennstoff-Benchmarks heranzuziehen, eine Verringerung der Treibhausgasemissionen bezweckt.

Das Gericht der Europäischen Union stellt drittens fest, dass der angefochtene Beschluss die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen der Maßnahmen zur CO2-Reduzierung angemessen berücksichtigt. Zum einen werden die anwendbaren Durchführungsbestimmungen ab 2013 schrittweise eingeführt. Da die Anlagen mit hohem CO2-Ausstoß – wie die Anlagen in Polen, die Kohle verwenden – für ihre Produktion viele Zertifikate benötigen, werden sie zunächst mehr kostenlose Zertifikate erhalten, um ihren Bedarf zu decken. Zum anderen hat der Gesetzgeber Mechanismen geschaffen, um die Bemühungen der Mitgliedstaaten mit relativ niedrigem Pro-Kopf-Einkommen und besseren Wachstumschancen dabei zu unterstützen, die CO2-Intensität ihrer Volkswirtschaften bis 2020 zu verringern.

Das Gericht der Europäischen Union stellt schließlich fest, dass ab 2013 die Versteigerung das Grundprinzip für das System für die Zuteilung von Emissionszertifikaten sein wird. So werden die Mitgliedstaaten alle Zertifikate versteigern können, die nicht kostenlos zugeteilt werden, damit die Betreiber der Anlagen die fehlenden Zertifikate erwerben können. Zudem wird dieses System mit dem „Verursacherprinzip“ im Einklang stehen, da die Anlagen mit dem höchsten CO2-Ausstoß verpflichtet sein werden, den Preis für die ersteigerten Zertifikate zu zahlen oder ihre Emissionen zu verringern.

Daher weist das Gericht der Europäischen Union das Argument Polens zurück, der angefochtene Beschluss bewirke eine Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Mitgliedstaaten, in denen in erster Linie Kohle als Brennstoff für die Produktion eingesetzt werde. Hierzu führt das Europäische Gericht aus, dass die Richtlinie die unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union berücksichtigt hat und den Mitgliedstaaten einen Handlungsspielraum belässt, der es ihnen ermöglicht, zugunsten der Sektoren und Teilsektoren, für die wegen der Kosten der Treibhausgasemissionen ein erhebliches Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen besteht – etwa durch die Auslagerung von Tätigkeiten von in der EU ansässigen Unternehmen in Sektoren, die starker internationaler Konkurrenz ausgesetzt sind, in Drittländer, in denen die Anforderungen in Bezug auf Treibhausgase weniger streng sind -, finanzielle Maßnahmen zu ergreifen und für die Anlagen in diesen Sektoren und Teilsektoren eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten vorzusehen.

Unter diesen Umständen weist das Gericht der Europäischen Union die Klage Polens gegen die Kommission insgesamt ab.

Gericht der Europäischen Union, Urteil vom 7. März 2013 – T-370/11 [Polen / Kommission]

  1. ABl.EU L 275, S. 32; in der durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009, ABl.EU L 140, S. 63, geänderten Fassung[]
  2. Beschluss 2011/278/EU der Kommission vom 27. April 2011 zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.EU L 130, S. 1[]