Abweichend vom Grundsatz des § 1092 Abs. 1 BGB, wonach eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit nicht übertragen werden kann, ermöglicht § 1092 Abs. 3 BGB die Übertragbarkeit von juristischen Personen oder rechtsfähigen Personengesellschaften zustehenden Dienstbarkeiten, welche für Versorgungsleitungen – einschließlich sämtlicher dazugehöriger Anlagen – für Elektrizität, Gas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Öl oder Rohstoffe bestellt sind.

Die Übertragung erfolgt ohne Mitwirkung des Grundstückseigentümers gemäß § 873 Abs. 1 BGB durch eine Einigung des Dienstbarkeitsberechtigten mit dem Erwerber der Dienstbarkeit und der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch [1].
Eine gesetzliche Übergangsregelung für die Neuregelung des § 1092 Abs. 3 BGB wurde nicht erlassen. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers [2] sind daher auch Dienstbarkeiten, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 06.08.1996 begründet wurden, übertragbar [3].
Für die Bestimmung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit ist vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich bei objektiver Betrachtungsweise für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Umstände außerhalb dieser Urkunde dürfen insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind [4].
Haben die Parteien nichts Abweichendes vereinbart, so richtet sich der Umfang der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nach der Auslegungsregel des § 1091 BGB im Zweifel nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten. Unter den weit zu fassenden Begriff des persönlichen Bedürfnisses wird auch ein geschäftliches Bedürfnis gefasst [5].
Nach dem Wortlaut der der Grundbucheintragung zugrunde liegenden Dienstbarkeitsverträge aus dem Jahr 1967 wird dem Dienstbarkeitsberechtigten gestattet, die Grundstücke für den Bau, den Betrieb und die Unterhaltung einer Hochspannungsfreileitung zu benützen und zu betreten.
Eine ausdrückliche Beschränkung hinsichtlich der Nennspannung der Hochspannungsfreileitung ist nicht erfolgt.
Eine Beschränkung der Dienstbarkeiten auf eine 220 kV-Hochspannungsleitung ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht aus den als Anlagen B 1 und B 2 vorgelegten Schreiben der E‑V S AG aus dem Jahr 1967 sowie der Anlage B 3 . Es handelt sich insoweit nicht um den den Inhalt der Dienstbarkeiten regelnde Vereinbarungen, sondern um eine Abrechnung der dem Rechtsvorgänger des Beklagten aufgrund der Dienstbarkeitsverträge zustehenden Entschädigung und einen Zahlungsauftrag. Der Umstand, dass in dem Schreiben bzw. dem Zahlungsauftrag im Betreff jeweils „220 kV-Leitung“ aufgeführt wird, ist mithin für den Inhalt und Umfang der Dienstbarkeiten ohne Bedeutung.
Eine Beschränkung der Dienstbarkeiten auf eine Hochspannungsfreileitung mit einer Nennleistung von 220 kV ergibt sich – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – auch nicht daraus, dass zum Zeitpunkt der Eintragung der Dienstbarkeiten im Jahr 1967 aufgrund der damaligen Verhältnisse eine Hochspannungsfreileitung mit einer 220 kV übersteigenden Nennspannung nicht im Raum stand.
Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit sind nicht von vornherein für alle Zeiten festgelegt. Bei einer Dienstbarkeit, deren äußerster Umfang nicht abschließend festgelegt ist, findet keine Zementierung auf den Zustand zum Zeitpunkt der Dienstbarkeitsbestellung statt [6]. Inhalt und Umfang einer solchen Dienstbarkeit können sich vielmehr unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ändern, insbesondere auch mit einer Bedarfssteigerung wachsen [7]. Maßgeblich ist nicht die bei Bestellung der Dienstbarkeit gerade bestehende Nutzung. Es kommt vielmehr auf den allgemeinen, der Verkehrsauffassung entsprechenden und äußerlich für jedermann ersichtlichen Charakter des betroffenen Grundstücks sowie auf das Bedürfnis, von der Dienstbarkeit in diesem Rahmen Gebrauch zu machen, an. Der Umfang einer Dienstbarkeit kann daher unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung und einem dadurch gesteigerten Nutzungsbedarf nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung [8] sowie ganz herrschender Meinung im Schrifttum [9] im Laufe der Zeit sich erweitern, wenn die Bedarfssteigerung sich in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung dieses Grundstücks hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung nicht vorhersehbare oder auf eine willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist.
Eine aus dem Rahmen des bestehenden Nutzungsrechts fallende und daher unzulässige Art der Nutzung liegt demnach dann vor, wenn anstelle einer bestimmten Nutzungsweise eine solche tritt, die in der ursprünglichen Zweckbestimmung der Dienstbarkeit nicht begründet und nicht voraussehbar war.
Das Charakteristische der Dienstbarkeiten besteht vorliegend darin, dass die belasteten Grundstücke für den Betrieb und die Unterhaltung einer Hochspannungsfreileitung benutzt werden dürfen. Durch die Erhöhung der durchzuleitenden Spannung wird dieses Wesen der Dienstbarkeit nicht berührt. Diese stellt vielmehr eine der Art nach gleichbleibende Benutzung dar.
Die Erhöhung der Nennspannung ist nach dem insoweit nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin wegen geänderter energiewirtschaftlicher Bedingungen notwendig. Die Erhöhung der Nennspannung liegt auch nicht außerhalb des Vorhersehbaren, sondern ist Folge der nach allgemeiner Erfahrung auch in den 1960er-Jahren zu erwartenden wirtschaftlichen und technischen Fortentwicklung.
Die dem technischen Fortschritt und den geänderten energiewirtschaftlichen Bedingungen angepasste Erhöhung der Nennspannung und die dadurch bedingten baulichen Maßnahmen stellen mithin keine vom Inhalt der Dienstbarkeit abweichende Nutzung dar. Nachdem die Klägerin mit der Spannungsanpassung der ihr nach dem EnLAG und EnWG zukommenden Verpflichtungen nachkommt, liegt auch keine willkürliche Benutzungsänderung vor.
Die Nutzung der Grundstücke des Beklagten zur Durchleitung einer Hochspannungsleitung mit einer Nennspannung von 380 kV führt auch nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung derselben.
Rechtsgrundlage für eine Anpassung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit an entwicklungsbedingte Veränderungen ist § 242 BGB [10].
Bei der Bestimmung der Rechte aus der Dienstbarkeit infolge tatsächlicher Veränderungen sind daher auch die Rechtsfolgen für das belastete Grundstück zu berücksichtigen, insbesondere die damit verbundenen Auswirkungen hinsichtlich Umfang und Intensität der Inanspruchnahme dieses Grundstücks [11].
Bei der hierbei vorzunehmenden Wertung kann – wenn wie vorliegend vom Beklagten Beeinträchtigungen durch elektromagnetische Felder geltend gemacht werden – auf die Maßstäbe des § 906 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. Danach sind Auswirkungen vom betroffenen Grundstück zu dulden, wenn sie zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung desselben führen.
Gemäß § 906 Abs. 1 S. 2 BGB liegt dabei in der Regel eine unwesentliche Beeinträchtigung vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenzen oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden.
Für elektrische und magnetische Felder werden in der 26. BImSchV Grenzwerte zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft festgelegt. Gemäß § 3 der Verordnung sind, wenn Gebiete tangiert werden, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, Niederfrequenzanlagen so zu errichten und betreiben, dass in dem betroffenen Gebiet bei höchster betrieblicher Auslastung und unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen die im Anhang 2 bestimmten Grenzwerte der elektrischen Feldstärke (5 kV/m) und der magnetischen Flussdichte (100 Mikrotesla) nicht überschritten werden.
Diese Grenzwerte werden bei einer Nennspannung von 380 kV eingehalten. Auch das Regierungspräsidium Stuttgart ist im Planfeststellungsbeschluss vom 19.04.2011 zum Ergebnis gelangt, dass diese Grenzwerte nicht überschritten werden, so dass nach der Regel des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist.
Die Indizwirkung nach § 906 Abs. 1 S. 2 BGB erschütternde Umstände hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der trotz Einhaltung der Grenzwerte eine wesentliche Beeinträchtigung geltend macht [12].
Zur Erschütterung der Indizwirkung ist dabei darzulegen, dass ein wissenschaftlich begründeter Zweifel an der Richtigkeit der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte besteht bzw. ein fundierter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Felder unterhalb der Grenzwerte festgestellt werden kann [13]. Die bloße Möglichkeit von Schäden ist insoweit nicht ausreichend. Ein fundierter Verdacht verlangt vielmehr, dass wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich der ernsthafte Verdacht einer Gefährdung ergibt. [13].
Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Beklagte die sich aus der Einhaltung der Grenzwerte nach der 26. BImSchV ergebende Indizwirkung nicht erschüttert.
Aus den von ihm vorgelegten Unterlagen geht vielmehr hervor, dass in Wissenschaft und Forschung bislang nicht nachgewiesen ist, dass elektromagnetische Felder unterhalb der durch die Verordnung gezogenen Grenzen zu gesundheitlichen Schäden führen.
Aus der vom Beklagten vorgelegten Empfehlung der Strahlenschutzkommission des Bundes vom 21./22.02.2008 zum Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der elektrischen Energieversorgung und ‑anwendung ergibt sich vielmehr im Gegenteil, dass die Kommission unter Auseinandersetzung mit internationalen Standards nicht hat feststellen können, dass die der 26. BImSchV zugrunde liegenden Erkenntnisse mittlerweile überholt wären. In der Empfehlung heiß es vielmehr ausdrücklich: „Die SSK kommt nach Bewertung des aktuellen Wissensstands zu dem Schluss, dass sich derzeit keine ausreichenden Gründe ergeben, die bestehenden Expositionsgrenzwerte in Frage zu stellen“.
Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass ein wissenschaftlich begründeter Verdacht auf eine mögliche Beeinflussung kindlicher Leukämie und neurodegenerativer Erkrankungen durch Magnetfeldexpositionen bestehe, wird in der Empfehlung ausgeführt, dass derartige Ergebnisse von epidemiologischen Studien weder durch Laborstudien noch durch Wirkungsmodelle unterstützt und daher zu wenig gesichert seien, um Grenzwertregelungen zu rechtfertigen.
Zu derselben Einschätzung gelangt der vorgelegte Technik-Dialog „Freileitungen und Erdkabel“ des Bundesamtes für Strahlenschutz.
Aus den vom Beklagten vorgelegten Stellungnahmen ergibt sich mithin lediglich, dass ein wissenschaftlich nicht belegter Gefahrenverdacht besteht.
Es ist folglich nicht erkennbar, dass auch unterhalb der durch die 26. BImSchV gesetzten Grenzen vorliegend ein Gefährdungspotential vorhanden ist, das als wesentliche Beeinträchtigung einzustufen wäre.
Auch der Bundesgerichtshof [14] und das Bundesverwaltungsgericht [15] gehen davon aus, dass nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Forschung durch elektromagnetische Felder unterhalb der durch die 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte keine gesundheitliche Schäden zu befürchten sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei unter Hinweis auf die Empfehlung der Strahlenschutzkommission des Bundes vom 21./22.02.2008 ausdrücklich ausgeführt, dass die der 26. BImSchV zugrunde liegenden Erkenntnisse nicht als überholt anzusehen sind.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 27. März 2013 – 4 U 184/12
- MünchKomm BGB/Joost, 5. Aufl., § 1092 Rn. 16; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB, 3. Aufl., § 1092 Rn. 14[↩]
- vgl. BT-Drs. 13/3604, 7[↩]
- Staudinger/Mayer [2009], BGB, § 1092 Rn. 33; MünchKomm/Joost a.a.O., § 1092 Rn. 21[↩]
- BGH NJW-RR 2003, 1235; BGHZ 92, 351, 355; Staudinger/Mayer a.a.O., § 1090 Rn. 30 i. V. m. § 1018 Rn. 137[↩]
- OLG München RdE 2001, 74; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 1091 Rn. 1[↩]
- Staudinger/Mayer a.a.O., § 1090 Rn. 30 i. V. m. § 1018 Rn. 153[↩]
- vgl. BGH NJW 1959, 2060; NJW-RR 2003, 235[↩]
- BGH NJW 1960, 673; NJW 1965, 1229; NJW-RR 2003, 1235[↩]
- vgl. nur MünchKomm/Joost a.a.O., § 1092 Rn. 5; Palandt/Bassenge a.a.O., § 1090 Rn. 7; Staudinger/Mayer a.a.O., § 1090 Rn. 30 i. V. m. § 1018 Rn. 153 ff.[↩]
- BGH DNotZ 1959, 240; BGHZ 106, 348, 350; Staudinger/Mayer a.a.O., § 1090 Rn. 30 i. V. m. § 1018 Rn. 153; MünchKomm/Joost a.a.O., § 1092 Rn. 6 i. V. m. § 1018 Rn. 52[↩]
- vgl. auch OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 663[↩]
- BGH NJW 2004, 1317 m.w.N.[↩]
- BGH NJW 2004, 1317[↩][↩]
- BGH, Urteil v. 13.02.2004 – V ZR 217/03, NJW 2004, 1317[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 22.07.2010 – 7 VR 4/10, NVwZ 2010, 1486[↩]