Kleinwindenergieanlagen im Außenbereich – auch für den Eigenbedarf

Kleinwindenergieanlagen können als privilegierte Vorhaben im Außenbereich zugelassen werden, unabhängig von der Frage, ob der mit ihnen produzierte Strom zum Eigenbedarf verwendet oder ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden soll.

Kleinwindenergieanlagen im Außenbereich – auch für den Eigenbedarf

In dem hier vom Verwaltungsgerichts Koblenz entschiedenen Fall beantragten die Grundstückseigentümer beantragten für ihr im Außenbereich liegendes, mit einem ehemaligen Jagdhaus bebautes Grundstück die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung von vier Kleinwindenergieanlagen (KWEA) mit einer jeweiligen Gesamthöhe von 6, 5 m. Diesen lehnte der Landkreis u. a. mit dem Argument ab, diese seien nicht als im Außenbereich privilegierte Vorhaben zu behandeln, da hierunter nur solche Windenergieanlagen zu fassen seien, die der öffentlichen Versorgung dienten. Eine Einspeisung des Stroms in das öffentliche Stromnetz sei von den Grundstückseigentümern jedoch nicht beabsichtigt. Zudem stünden öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgten die Grundstückseigentümer ihr Begehren im Klageverfahren weiter und trugen vor, ihr Vorhaben sei bereits deshalb genehmigungsfrei, weil es einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Sie beabsichtigten die Errichtung eines ökologisch ausgerichteten Imkereibetriebes, der mit dem aus dem Betrieb der KWEA gewonnenen Strom betrieben werden solle. Jedenfalls hätten Sie einen Anspruch auf Erteilung des Bauvorbescheides. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Koblenz teilweise Erfolg:

Zwar sei das Vorhaben genehmigungspflichtig, da es keinem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Gesetzes diene, so die Koblenzer Richter. Denn ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs zunächst den Betrieb gründen, alle hierfür zwingend erforderlichen Maßnahmen durchführen und erst danach dem Betrieb dienende KWEA errichten. Die Grundstückseigentümer hätten hingegen bereits mit der Errichtung der KWEA begonnen, obwohl sie nach ihrem Betriebsplan erst ab 2027 die Energie von vier KWEA für die Imkerei benötigten. Das Vorhaben sei jedoch nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 des Baugesetzbuches (BauGB) privilegiert, weil es der Nutzung der Windenergie diene. Sowohl dem Wortlaut als auch der Systematik der gesetzlichen Vorschrift lasse sich ein Ausschluss von Kleinwindenergieanlagen zur Deckung des Eigenbedarfs nicht entnehmen. Schließlich spreche auch der Sinn und Zweck des Privilegierungstatbestandes – die Förderung der Windenergie als positiven Beitrag zum Klimaschutz – für dieses Verständnis. Öffentliche Belange, die Gegenstand der Bauvoranfrage seien, ständen dem Vorhaben nicht entgegen. Weder verursachten die Anlagen eine erhebliche Verunstaltung des Landschaftsbildes – zumal die Grundstückseigentümer eine farbliche Anpassung an die sich in der Nähe befindlichen Bäume angeboten hätten – noch sei die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten.

Die Errichtung der Kleinwindenergieanlage ist nach § 61 LBauO genehmigungsbedürftig. 

Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus § 62 Abs. 1 Nr. 4 f)) LBauO. Da-nach bedürfen unbeschadet einer nach anderen Vorschriften erforderlichen Geneh-mig keiner Baugenehmigung das Errichten, Herstellen, Aufstellen, Anbringen oder Ändern von Windenergieanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 10 m im Außenbe-reich, wenn sie einem nach § 35 Abs. 1 BauGB zulässigen Vorhaben dienen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die vier geplanten Windenergieanlagen dienen entgegen der Auffassung der Grundstückseigentümer nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Ob die Grundstückseigentümer sich in der Errichtung eines solchen Betriebes (hier: Imkerei) befinden, bedarf dabei keiner Entscheidung.

Die dienende Funktion eines Vorhabens für einen landwirtschaftlichen Betrieb setzt voraus, dass es für den Betrieb zwar nicht notwendig oder unentbehrlich, aber mehr als bloß förderlich ist und durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äu-ßerlich geprägt wird. Maßgebend ist, ob ein vernünftiger Landwirt auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Aus-stattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde[1]. Hierdurch sollen Vor-haben verhindert werden, die zwar objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, die aber in Wirklichkeit nicht zu diesem Zweck benutzt werden, sondern ausschließlich oder hauptsächlich dazu bestimmt sind, die Errichtung eines Vorhabens im Außenbereich zu ermöglichen[2]. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die dienende Funktion des Vorhabens abzulehnen. Ein vernünftiger Landwirt würde unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs zunächst den Betrieb gründen, alle hierfür zwingend erforderlichen Maßnahmen durchführen und erst danach dem Betrieb dienende Kleinwindenergieanlagen errichten. Die Grundstückseigentümer haben hingegen be-reits mit der Errichtung der Kleinwindenergieanlagen begonnen, obwohl sie nach ihrem Betriebsplan erst ab 2027 die Energie von vier Kleinwindenergieanlagen für die Imkerei benötigen. Die erforderlichen Bauanträge für den Umbau des Garten-hauses zum Schleuderraum und zur Honigküche sowie für die Errichtung der Werk-statt haben sie allerdings noch nicht gestellt. Darüber hinaus haben die Grundstückseigentümer die Ausgaben für die vier Kleinwindenergieanlagen nicht als für den Betrieb notwendige Kosten aufgeführt. In der sich im Betriebsplan befindlichen Auflistung der finanzwirt-schaftlichen und zeitlichen Investitionsplanung sind die Windenergieanlagen nicht genannt. Überdies gehen die Grundstückseigentümer von einem notwenigen Startkapital von ledig-lich 2.525, 00 € aus, mit dem die Windenergieanlagen offensichtlich nicht finanziert werden können. Mithin würde ein Landwirt, der seinen Betrieb wirtschaftlich führen will, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt eine derartige Investition nicht tätigen. Nach dieser Sachlage besteht der Eindruck, dass mit der inzwischen behaupteten die-nenden Funktion der Anlagen hauptsächlich der Zweck verfolgt wird, deren Errich-tung im Außenbereich zu ermöglichen. Soweit die Grundstückseigentümer hilfsweise die Erteilung des beantragten Bauvorbescheides ver-langen, hat die Klage Erfolg. Der Ablehnungsbescheid vom 10.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2022 ist rechtswidrig und verletzt die Grundstückseigentümer in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Nach §§ 70 Abs. 1, 72 LBauO ist ein positiver Bauvorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben, wie es zur Prüfung angestellt worden ist, keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Vorliegend stehen der Errichtung der Windenergieanlagen derartige Bestimmungen nicht entgegen. Das Vorhaben verstößt insbesondere nicht gegen Bauplanungs-recht. Aufgrund der geplanten Errichtung im Außenbereich beurteilt sich die baupla-nungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB. Das Vorhaben ist von dem Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erfasst. Danach ist ein Vorhaben – vorbehaltlich der vorliegend gesicherten Er-schließung – im Außenbereich privilegiert zulässig, wenn es der Erforschung, Ent-wicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 BauGB dient.

Dies ist bei den von den Grundstückseigentümern geplanten vier Kleinwindenergieanlagen zur De-ckung des Eigenbedarfs der Fall[3]. Die Nutzung der Windenergie setzt objektiv lediglich voraus, dass die Anlage unter Ausnutzung von natürlichen Luftbewegungen betrieben wird[4]. Für dieses Verständnis des Privilegierungstatbestandes spricht zunächst der Wort-laut. Der in der Vorschrift verwendeten Formulierung „der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie“ lässt sich ein Ausschluss von Kleinwindenergiean-lagen zur Deckung des Eigenbedarfs nicht entnehmen. Vielmehr ist die Frage, ob die Anlage auch wirtschaftlich für den Betreiber einen „Nutzen“ hat, nach dem aus-drücklichen Wortlaut („Nutzung“, nicht: „Nutzen“) ohne Bedeutung[5]. Die Entstehungsgeschichte des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB steht dieser Betrachtungsweise nicht entgegen[6]. In der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 21.06.1995[7] ist ausgeführt, dass zur Lösung der rechtlichen Probleme Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien begünstigt werden sollen durch eine stärkere Privilegierung bzw. eine Klarstellung der Privilegierung. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat sich der Gesetzgeber für eine stärkere Privilegierung entschieden. Er hat gerade nicht die diskutierte alternative Regelung beschlossen, mit der die erneuerbaren Energien in den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB (damals Nr. 4) aufgenommen werden sollten. Dies hätte zur Folge gehabt, dass Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien nur zulässig gewesen wären, wenn sie der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität dienten. Durch die zum 1.01.1997 in Kraft getretene Gesetzesänderung wurde hingegen ein eigener und weiter gefasster Privilegierungstatbestand geschaffen. Auch systematische Erwägungen streiten für diese Auslegung. In den Privilegierungstatbeständen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 und 6 BauGB hat der Gesetzgeber – anders als im hier zu betrachtenden § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB – ausdrücklich die Voraussetzung aufgenommen, dass das Vorhaben der öffentlichen Versorgung bzw. dem Anschluss an das öffentliche Versorgungsnetz dient. Schließlich sprechen Sinn und Zweck des Privilegierungstatbestandes für dieses Verständnis. Wie sich aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Raum-ordnung, Bauwesen und Städtebau vom 19.06.1996[8] ergibt, kann die Windenergie einen wichtigen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten und muss daher planungsrechtlich so gestellt werden, dass sie an geeigneten Standorten eine Chance hat. Die Aufnahme von Anlagen, die der Erforschung, Ent-wicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen, in den Katalog der privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB soll die Zulassung dieser Anlagen unter Beachtung des Planungswillens der Gemeinde im Außenbereich erleichtern. Der Errichtung der geplanten vier Windenergieanlagen stehen auch keine der hier zu betrachtenden öffentlichen Belange gemäß § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Die Frage, ob einem privilegierten Vorhaben öffentliche Belange entgegenstehen, ist aufgrund einer Abwägung zu beantworten. Bei dieser Abwägung kommt dem privilegierten Vorhaben zwar einerseits ein besonders starkes Gewicht zu. Anderer-seits entfaltet im Rahmen dieser Abwägung das Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs seine eigentliche Bedeutung[9]. Vorliegend reicht die Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die sich aus einem Widerspruch des Vorhabens zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans sowie des Landschaftsplanes ergibt, nach den zuvor genannten Maßstäben nicht aus, um Windenergieanlagen im Außenbereich als unzulässig anzusehen.

Das Vorhaben verursacht keine erhebliche Verunstaltung des Landschaftsbildes, die sich gegenüber seiner Privilegierung durchsetzen könnte, zumal der Grundstückseigentümer eine farbliche Anpassung an die sich in der Nähe befindlichen Bäume angeboten hat. Darüber hinaus ist durch die Errichtung der Kleinwindenergieanlagen eine Verfesti-gung der Splittersiedlung nicht zu befürchten. Der Begriff der Splittersiedlung er-streckt sich zwar nicht nur auf Wohnhäuser, allerdings begründet die Errichtung von vier Kleinwindenergieanlagen mit einer Höhe von jeweils 6, 50 m in der Nähe eines Wohnhauses nicht eine die gesetzliche Privilegierung überwindende Befürchtung der Verfestigung einer Splittersiedlung[10]. Da die öffentlichen Belange des Natur- und Immissionsschutzes hinsichtlich des Antrags auf Erteilung des Bauvorbescheides ausgeklammert und sonstige dem Vor-haben entgegenstehende Belange nicht ersichtlich sind, ist der beantragte Bauvor-bescheid zu erteilen.

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 27. Februar 2023 – 1 K 604/22.KO

  1. vgl. OVG RP, Urteil vom 11.05.2005 – 8 A 10281/05.OVG 30 m. w. N.[]
  2. vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 – 4 C 2.89 17[]
  3. vgl. zur Privilegierung von der Eigenversorgung dienenden Kleinwindenergieanlagen VG Trier, Urteil vom 08.02.2022 – 7 K 3004/21.TR, n.v.; VG Ansbach, Urteil vom 22.04.2015 – AN 9 K 14.00265 162 sowie Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, 147. EL August 2022, § 35 Rn. 58b und Wolfgang Rie-ger, in: Schrödter, BauGB, 9. Auflage 2019, § 35 Rn. 71, beck-online; a. A. OVG RP, Urteil vom 24.10.2018 – 8 A 10287/18.OVG, n. v; Stephan Gatz, Windener-gieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 3. Auflage, 2019, § 4 Rn. 34 ff. und Bleicher, Simon, in: Bunzel/Fuchs/Klinge/Reitzig/Schwarz/Simon/Spieß, BauGB, § 35, Rn. 9[]
  4. vgl. BayVGH, Beschluss vom 27.08.2013 – 22 ZB 13.926 11 so-wie Beschluss vom 27.05.2015 – 22 ZB 15.630 11[]
  5. vgl. BayVGH, Beschluss vom 27.08.2013, a. a. O.; und vom 27.05.2015, a. a. O.[]
  6. a. A. OVG RP, Urteil vom 24.10.2018 – 8 A 10287/18.OVG, n. v.[]
  7. BT-Drs. 13/1733[]
  8. BT-Drs. 13/4978[]
  9. vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.06.2001 – 10 A 97/99 8 m. w. N.[]
  10. vgl. zur Befürchtung der Entstehung einer Splittersiedlung durch die Errichtung einer Windenergieanlage BVerwG, Urteil vom 18.02.1983 – 4 C 19.81 23[]

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