Lärmemissionen von Windkraftanlagen

Im­mis­si­ons­wer­te sind un­taug­lich, die Funk­ti­on von Kon­troll­wer­ten zu er­fül­len.

Lärmemissionen von Windkraftanlagen

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen wie die Windfarm der Klägerin so zu errichten und zu betreiben, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird. Zur gebotenen Vorsorge gehören nicht nur technische, das Emissionsverhalten der Anlage bestimmende Maßnahmen, sondern auch nicht technische Regelungen und Vorgaben, die der Behörde gegebenenfalls technische Fehlfunktionen der Anlage anzeigen. Hierzu zählt auch die Festsetzung von Kontrollwerten[1]. Wird eine Anlage, die nach den Antragsunterlagen über ein bestimmtes technisches Leistungsvermögen zur Begrenzung von Immissionen verfügt, genehmigt, so muss sie entsprechend diesem Standard betrieben werden, selbst wenn die einschlägigen Grenz- oder Richtwerte auch mit einem weniger anspruchsvollen Standard eingehalten werden könnten. Kontrollwerte haben die Funktion, dies sicherzustellen. Sie liefern den Maßstab für einen ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb; werden sie überschritten, so indiziert das, dass die Anlage nicht mehr genehmigungskonform arbeitet. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG kann die Genehmigungsbehörde daher berechtigt sein, durch Nebenbestimmungen zur Anlagengenehmigung Kontrollwerte mit hinreichendem Bezug zum Emissionsverhalten der zu genehmigenden Anlage festzusetzen.

Der in der Nebenbestimmung Nr. IV.5.3 Satz 2 enthaltene Immissionswert ist jedoch ungeeignet, die Funktion eines Kontrollwertes zu erfüllen.

Es bestehen schon Zweifel, ob überhaupt ein die Festsetzung eines Kontrollwertes rechtfertigender Kontrollbedarf gegeben ist.

Ein solcher Bedarf dürfte allerdings nicht – wie die Revision meint – daran scheitern, dass die zum Windpark der Klägerin gehörenden Windenergieanlagen mit keiner gesonderten Lärmminderungstechnik ausgestattet sind. In den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen dienten die Kontrollwerte zwar als Maßstab für die Überwachung von Einrichtungen, die den mit dem Betrieb der jeweiligen Anlage verbundenen Schadstoffausstoß mindern sollten (Filtereinrichtungen bzw. Rauchgasreinigungsanlage); das Bundesverwaltungsgericht hat die Festsetzung dieser Werte gerade mit deren Zielrichtung gerechtfertigt, technische Fehlfunktionen derartiger Einrichtungen anzuzeigen. Einfluss auf das Emissionsverhalten einer technischen Anlage können neben Einrichtungen zur Emissionsminderung aber auch konstruktive Eigenarten der Anlage selbst haben. Soweit diese sich z.B. durch Verschleiß verändern, kann es in ähnlicher Weise wie bei Funktionsstörungen von Emissionsminderungseinrichtungen zu einem von den genehmigten Vorgaben abweichenden Anlagenbetrieb kommen. Es liegt nahe, Kontrollwerte als zulässiges Mittel der Vorsorge anzuerkennen, um auch die Aufdeckung solcher Fehlfunktionen zu erleichtern.

Selbst wenn man dies bejaht, ist aber ungewiss, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Kontrollwertes vorliegen. Ein Kontrollbedarf kann nämlich nur bestehen, wenn die jeweilige Anlagentechnik überhaupt mit dem Risiko nachteiliger Veränderungen des Emissionsverhaltens der Anlage verbunden ist. Für Einrichtungen zur Minderung von Schadstoffemissionen einer Anlage wird dies regelmäßig zu bejahen sein; deshalb bedurfte diese Voraussetzung in der bisherigen Kontrollwertrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keiner ausdrücklichen Erwähnung. Dass Windenergieanlagen im Dauerbetrieb dazu neigen, ihr akustisches Verhalten zu ändern, liegt demgegenüber nicht auf der Hand und bedarf deshalb positiver Feststellung, um die Anordnung von Kontrollwerten zu rechtfertigen. Als denkbare Risikofaktoren kommen vor allem Abhängigkeiten des Emissionsverhaltens von Wartung und Verschleiß in Betracht.

Das Berufungsgericht hat hierzu für Windenergieanlagen im Allgemeinen und für diejenigen der Klägerin im Besonderen keinerlei Feststellungen getroffen. Während die Revision geltend macht, konstruktionsbedingt wiesen Windenergieanlagen stets gleichbleibende akustische Eigenschaften auf, hat sich der Beklagte in der Revisionserwiderung dahingehend eingelassen, es erscheine ihm jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass es durch Materialveränderungen oder -ermüdungen zu Verhaltensauffälligkeiten der Anlagen komme. Der wechselseitige Vortrag macht deutlich, dass der Sachverhalt in diesem Punkt gegebenenfalls weiter aufgeklärt werden müsste.

Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Denn die getroffene Regelung ist jedenfalls deshalb funktionsuntauglich, weil als Kontrollwert ein Immissionswert festgesetzt worden ist.

Kontrollwerte müssen einen unmittelbaren Anlagenbezug aufweisen. Wie oben ausgeführt, dienen sie der Überwachung des Emissionsverhaltens der Anlage, für die sie festgesetzt werden. Dieser Funktion können nur Emissionswerte, nicht hingegen Immissionswerte gerecht werden, da nur erstere verlässliche Rückschlüsse auf Mängel des Anlagenbetriebs zulassen. Während Emissionswerte das Emissionsverhalten einer einzelnen Anlage in den Blick nehmen (vgl. § 3 Abs. 3 BImSchG), sind Immissionswerte auf die Immissionsbelastung eines konkreten Einwirkungsorts bezogen (vgl. § 3 Abs. 2 BImSchG). Auf die Zuordnung dieser Immissionen zu einer bestimmten Anlage kommt es insoweit grundsätzlich nicht an; geboten ist vielmehr eine summierende Betrachtung[2]. Emissionsausstoß und Immissionsbelastung stehen zwar nicht zusammenhangslos nebeneinander, die Stärke einer Emissionsquelle bildet aber nur einen unter vielen Faktoren, die die Immissionsbelastung eines Schutzobjekts bestimmen. Andere Emissionsquellen, die jeweiligen meteorologischen Verhältnisse, Geländeformationen oder bauliche Anlagen, die die Ausbreitung beeinflussen, stellen weitere Faktoren dar, von denen die Immissionsbelastung abhängt. All diese Faktoren können sich nach Erteilung der Anlagengenehmigung ändern. Dies zeigt, dass es an einer festen Relation zwischen Immissionswerten und Anlagenverhalten fehlt. Immissionswerte sind deshalb kein aussagekräftiger, verlässlicher Maßstab für einen ordnungsgemäßen Anlagenbetrieb. Sie erweisen sich mithin als ungeeignet, die Funktion von Kontrollwerten zu erfüllen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Februar 2013 – 7 C 22.11

  1. BVerwG, Urteil vom 26.04.2007 – 7 C 15.06, Buchholz 406.25 § 48a BImSchG Nr. 2 Rn. 17 f.; Beschluss vom 09.04.2008 – 7 B 2.08, Buchholz 406.25 § 16 BImSchG Nr. 1 Rn.19; vgl. auch schon Urteil vom 21.06.2001 – 7 C 21.00, BVerwGE 114, 342, 349 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 8 S. 15 f.[]
  2. vgl. BVerwG, Urteil vom 21.03.1996 – 4 C 9.95, BVerwGE 101, 1, 7 = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 12 S. 27[]